Sehen und Wissen

Don Juan Matus bei Carlos Castaneda: “…die Tatsache, daß wir leuchtende Wesen sind. Wir sind Wahrnehmung. Wir sind Bewußtsein. Wir sind keine Objekte, wir haben keine feste Konsistenz, wir sind grenzenlos. Die Welt der festen Objekte ist ein Mittel, unsere Wanderschaft auf Erden angenehm zu machen. Sie ist nur eine Beschreibung, geschaffen, um uns zu helfen. Wir – oder besser: unsere Vernunft – vergessen gern, daß die Beschreibung nur eine Beschreibung ist, und so schließen wir die Ganzheit unseres Selbst in einen Teufelskreis ein, dem wir, solange wir leben, kaum entrinnen können.”

“Die Welt, die wir wahrnehmen, ist jedoch eine Illusion. Sie ist entstanden durch eine Beschreibung, die man uns seit dem Augenblick unserer Geburt erzählt hat.”

Wahrnehmung in Reduktion verwirklicht energetische Zustände und Beschaffenheiten zu Körperhaftem. Das Sehen im schamanischen Sinne aber ermöglicht den Blick hinter diese Manifestation. Die Erzählung “seit dem Augenblick unserer Geburt” fußt auf einem Einschluß des Höheren (des höheren Selbst) in eben die weltlich gebundene Wahrnehmungsphysiologie, die uns erst zu dem werden läßt, was wir in der Hiesigkeit personal darstellen und erleben. Die Allgegenwärtigkeit und dauernde Erlebbarkeit dieser Darstellung ist es nun, die wie ein Hindernis scheint zum Geistigen bzw. Feinstofflichen, das nun fernen, theoretischen, spekulativen Charakter annimmt. Über den Verlust immanenten transzendenten Charismas, den Verlust des ‘Sakramentes’ der schamanischen Gabe zur welttranszendierenden Befähigung – über den Verlust zuletzt einer zugänglichen spirituellen Empirie – hat der Blick sich dabei fortwährend zum Materiellen hin gesenkt, die Möglichkeit zur Überwindung der eigenen Festigkeit und Welt-Gebundenheit indes wird schließlich kaum noch vorstellbar. Denn eben gerade auch im Religiösen – so sollte man meinen: im Bereich gerade der eigentlichen Zuständigkeit zum Geistigen – wird das Sehen ersetzt durch Glauben, der sich auf einer vagen, entfernten Darstellung gründen soll. Dabei fußt dieser zwar (bestenfalls) auch auf einem Wissen des Höheren; dessen fortdauernde Übersetzung, Vermittlung, Institutionalisierung und Ritualisierung aber führt zu einer Entfremdung zweier Welten, die in Wahrheit ineinander zutiefst verwoben sind und schon gar keine Entrückung der Objekte von einem göttlichen Ens akzeptieren, solche Auslagerung vielmehr als objektivierte Seelenferne zum eigentlichen und totalen (Geist-) Sein erkennen..