Natürliche Ökumene

“Im Zusammenhang mit der Industrialisierung steht eine Tendenz zur Individualisierung und Pluralisierung: Religiöse Entscheidungen und Lebensvollzüge sind in einer individualisierten Religion weniger durch äußere Autoritäten vorgegeben als vielmehr der persönlichen freien Entscheidung überlassen; sie sind selbst in der unmittelbaren Umgebung des Einzelnen keineswegs einheitlich und unterliegen auch zeitlich beständigen Veränderungen. Dabei sorgen die modernen Möglichkeiten der räumlichen Mobilität und Telekommunikation dafür, dass ganz unterschiedliche religiöse Lebenstile in einer früher kaum vorstellbaren Weise unmittelbar in Beziehung zueinander gesetzt und kombiniert werden können.”(Bernhard Maier)

Ein unmittelbares In-Beziehung-Setzen meint prinzipiell eine natürliche ökumenische Dynamik, die  dem natürlichen Streben  nach Erkenntnis eigen wird und erst die eigentliche Definition von Religion – im Sinne einer  Beschreibung des bisher nicht ausgefüllten Seinsbegriffes – berücksichtigen oder bereitstellen kann.   Dies ist  zuvorderst eine Zweckausrichtung,  die in allgemeinster Weise die Bündelungsfähigkeit der ihr nützlichen  Handlungen annimmt. Dieser Vollzug wird gerade im Forscherdrang, in der Wissenschaft prominent sichtbar- der religiöse Gewinn liegt erst darin,  daß die Klärung der Seinsbedingungen  den Aspekt der Transzendenz im immanenten Hiersein  sichtbar macht, enstprechend Akzeptanz erfährt – als religiöser Vollzug begriffen wird!-  und so der Seinsbegriff und das Selber-Sein   entsprechend  Erweiterung erfahren.  Dieser Vollzug ist zuletzt ein Selbstvollzug des Geistes in der Spezies und in der Zeitlichkeit und folgt seinem eigenen Fortschrittsschema. (Was kein fatalistisches Argument bedeutet, da der Mensch als (exponierter) Bewußtseinsträger  ja  handelnder  Aspekt  in diesem Gesamtvollzug  ist.)
Auf diesem Weg ist die globale Aufweichung und Ausscheidung des Irrtümlichen und Überholten ein weiteres selbstverständliches Resultat. Schopenhauers ‘vivisektion der Lüge’ kommt hier zu neuer Bedeutung- wird eigentlich erstmals erst wirkmöglich  durch eine Demokratisierung der Teilhabe – mit Abnahme der Zensurmöglichkeiten  durch religiös-dogmatische und unterjochende Instanzen. In einer graswurzelartigen Bewegung wird   die  zunehmende Transparenz deren dogmatische Insinuation, ihre zeitgebundene Unvernunft, kurz gesagt ihre  Obsoletheit  entlarven und die Instanzen als ein künstlich und gegen den Fortschritt am Leben Erhaltenes desavouieren und   sie zur Machtabgabe und Beendingung ihrer Erkenntnishinderung zwingen.  Übrig bleibt nur, ‘was stimmt’ – was unentkräftbar ist – was in der Wahrheit ist-  und nur dies ist nützlicher Baustein, ist Glied in der langen  Kette . Es stellt keine große Überraschung dar, daß die  esoterischen Kerninhalte einer philosphia perennis  hier prinzipiell Bestand versprechen. Wahr ist, was verbindet.