Mystik zur Gegenwart


Hier sei ein Zitat von Werner Beierwaltes zur Mystik und eine Andeutung darin zu einer möglichen Funktion für die Gegenwart wiedergegeben. Gerade in der aktuellen gesellschaftlich-politischen Lage, in der uns eine Verflochtenheit – abgestimmter – Interessen aus Technologie, Politik und Pharmaindustrie zu staatsinvasiven Nötigungen treibt, die zudem gekoppelt sind an Ideologieprojekte, an als transformatorisch bezeichnete, zutiefst immanenzbetonte (‘Eliten’-) Vorhaben, ist auch ein Bezug zu Protestströmungen gegeben, die Anleihen nehmen an geistigen, transzendentalen und mystischen Traditionen. Daher kann folgender Passus – eigentlich geschrieben vor dem Hintergrund einer atomaren Aufrüstung während der 1980’er Jahre – gerade jetzt besondere Gültigkeit proklamieren:
“Unbestreitbar ist es, daß es gerade angesichts des gegenwärtig wenig aussichtsreichen Verstrickungszusammenhangs von Technik und Gesellschaft sowie dessen für die Menschheit vielleicht tödlichen Folgen notwendig sein könnte, den Blick auf das schlechthin Inkommensurable und Unverfügbare im Kontext universaler Nivellierung und ‘Verfügung’ wieder zu öffnen und zu schärfen; dadurch wird auf dasjenige verwiesen, was im Begriff als das über ihn Hinausgehende sich ankündigt, eine Erfahrung, die durch den Begriff lediglich eingrenzbar ist. Die Hoffnung auf eine Wende im Bewußtsein stützt sich also nicht auf spektakuläre Aktionen, sondern auf einen besonders sensiblen, ‘zerbrechlichen’ Gedanken, der aber auch in einer ihm konträren Situation einmal an Macht gewinnen könnte. Vorbedingung hierzu ist es jedoch, daß der sich auf den mystischen Gedanken Einlassende sich selbst zunächst die äußerste Konzentration auferlegt, um Un-gehörtes, weil ‘Übertöntes’ wieder zu hören – wie Kierkegaard dies andeutet: ‘Einen Mystiker hört man ebenso wie gewisse Vogelrufe nur in der Stille der Nacht; meist hat deshalb ein Mystiker nicht so große Bedeutung für die lärmende Mitwelt wie, nach Verlauf der Zeit, für den lauschenden Geistesverwandten in der Stille der Geschichte’. Die apostrophierte ‘Geistesverwandtschaft’ kann jedoch heutigentags in einer nahezu nur lärmenden Geschichte nicht als etwas unmittelbar Gegebenes oder ‘Ererbtes’ betrachtet werden, die Einstimmung auf ein derartiges Denken muß vielmehr in eben dieser Konzentration auf den Gedanken allererst gewonnen werden – als ein Habitus des Verstehens, der durchaus zu existenziellen Konsequenzen bereit ist.”