Sinn des Nichtseins

J. Kaube: “Das Ganze ist für Hegel kein Geheimnis, das nur wenigen zuteilwerden kann, weil sie das Licht gesehen haben. Und das Ganze muss für ihn, sofern es denn das Ganze ist, auch als etwas beschrieben werden, das all die Qualen und Defizite, all das Scheitern und Verzweifeln, alles Leid und alle Kontingenz in sich erhält. Es hat für Hegel einfach keinen Sinn, aus dem Ganzen der Welt die Mühsal, das Versagen und das Zurückbleiben hinter den goldenen Erwartungen an Gott, das Absolute und das Wahre herauszudefinieren. Der Zufall, die Sinnlichkeit, die bloße Erscheinung, der Tod und der Schmerz sind für ihn Teil der Wirklichkeit. Ihm stand auch der auf das Verstehen des Weltganzen gerichtete Sinn nicht danach, irgendetwas ohne Grund zu einer Wirklichkeit zweiten Ranges herabzusetzen.”
Hegel (auf Schelling gemünzt): ‘Dies eine Wissen, daß im Absoluten alles gleich ist, daß also das Ganze gar keine Struktur hat, sondern aus einem dunklen Urgrund hervor-und auch wieder in ihn hineingeht, behandele das Absolute als die Nacht, ‘worin, wie man zu sagen pflegt, alle Kühe schwarz sind. ‘ “
Es scheint, als habe Schelling vor allem in diesem Satz einen Angriff auf sich vermutet. ‘Das Absolute’, hatte er in ‘Philosophie und Religion’ geschrieben, ‘ist das einzig reale, die endlichen Dinge sind dagegen nicht real; ihr Grund kann daher … nur in einer Entfernung, in einem Abfall von dem Absoluten liegen.’ Hegel erkannte darin dasselbe Denkmuster, das er auch bei Spinoza und Fichte beobachtete: Die Wirklichkeit wird als eine Einschränkung des Ganzen statt als eine vernünftige Entwicklung verstanden.”

Hier liegt aber ein irrtümliches Bild über die Nichtung oder Negation (als Bestimmung etwa einer negativen Theologie) als solcher zu Grunde: Das Ganz Anders-Sein bezeichnet ja vor allem eine völlige Umfassung und birgt daher auch in sich jede erdenkliche -potentielle- Struktur – gleichwohl als ein Signum der Unzählbar- und Unendlichkeit, die zugleich -hierin eine Art Paradoxie – die Lysis aller Struktur umschreibt. Nun ist hier alle Potenz zur Vollkommenheit gediehen und bedarf keinerlei Bruchs oder Kontrastierung in Bezogenheiten, um zur (partikularen) Gewahrwerdung zu kommen. Das Eine ist ja gleichbedeutend einer totalen Gewahrwerdung und bedarf gar nichts anderem. Alle Vorgänge und Subjekt-Objekt-Relationen sind in der Art allumfasst, daß in summa ein Total-Sehen wird – eine Schau, die Denken und Sein im Bewußtsein zum Total-Sein kumuliert. Die kaleidoskopartigen Sichtungen und Stränge der Apriorieren sind zurückgekommen zur totalen Ansicht, und hierin liegt eben ein unnennbarer Über-Reichtum des Seins als solchem.

Volkmann Schluck zum Neuplatonismus: “Der Sinn des Nichtseins ist nicht Vernichtung des Seinsgehaltes, Minderung der Wirklichkeit von etwas, sondern es ist selbst eine Weise der Sichtbarkeit des Seienden, das sich immer als unterschiedene Vielheit zeigt.”

Auch Hegel spricht dies prinzipiell an, indem er den Begriff einer Synthese über die Negation stellt, die das Nichtsein dieser Nichtung nicht allein auf sich beruhen läßt: “Der Begriff des Ganzen wird für Hegel vom Leben selbst, das später ‘Vernunft’ und ‘Geist’ heißen wird und die kollektiven Voraussetzungen alles Begreifens meint, durch insistentes Negieren aller scheinbaren Subjekt-Objekt-Untrschiede hervorgebracht. Die Vernunft stellt sich als Kraft des negativen Absoluten, damit als absolutes Negieren, und zugleich als Kraft des Setzens der entgegengesetzen objektiven und subjektiven Totalität dar.” (J.Kaube)