Apriorie der Sprache

Werner Beierwaltes zum Neuplatonismus und der Sprache als Instrument des dialektischen Zugangs zur Idee:
“Die Benennung ist – Platon nun ohne Einschränkung wörtlich genommen – ein ‘belehrendes und das Sein (oder Wesen) der Sachen zeigendes und unterscheidendes Werkzeug.’

Die fundamentale Voraussetzung dafür, daß die so verstandene instrumentelle Funktion der Sprache auch jeweils ihr Telos erreichen kann, ist die offenbar nicht weiter in Frage zu stellende Annahme, die Benennungen bestünden von Natur, seien also nicht willkürlich vereinbartes Zeichen, sondern ‘mit den Sachen verwandt und deren Natur zugehörig’. der ursprüngliche Gesetzgeber der Sprache ist göttlicher Natur, der demiurgos hinterläßt bei der Konstitution des Kosmos Benennungen als Spuren und Bilder seines Wesens und Wirkens in ihm… Weil im Bereich des Göttlichen begreifendes Denken und Benennen (im Gegensatz zum zeitlich-menschlichen Bereich) identisch sind, kann der Konstitutionsakt von Welt durch den Demiurgen als Sich-Aussprechen des Denkens verstanden werden: Konstitution von Welt geschieht demnach als Selbstdarstellung des göttlichen Denkens (der im göttlichen Denken vorherseienden Ideen) im Wort oder im Akt des Benennens. Durch das Benennen selbst setzen die Götter die Dinge.”

Analog indes auch der Mensch: schon der Gedanke, verstanden als feinstoffliche Tat, ist bereits gekoppelt an vor-wirkliche Qualitäten und verstärkt an sich das Gedachte zu einem Transit in die Stofflichkeit zur Hiesigkeit. Und nun, gerade durch das ausgesprochene Wort setzt er semantisch umso mehr Wirkliches, da das Wort als Klang Schwingung anregt und diese als Präpositionen in Bewegung versetzt und dabei besonderer Art deren Inhalte intentional affimiert. In der indischen Philosophie sprechen wir von Sabda als Ton, Geräusch, Klang, Wort oder Schwingung als transzendentaler Klangschwingung, die zugleich einen sinnhaften Gehalt transportiert. Sabda ist dabei das erste der feinstofflichenn Elemente der Sankhyaphilosophie.
Das Aussprechen meint so Festlegung und Fokussierung geistiger Intention und wird damit gesteigerter Grund der Verwirklichung von Bedeutung. Medium der Verwirklichung ist indes die apriorische Masse im Sinne einer vor-weltlichen monadischen ‘Matrix’.
Kennt man indessen die intensionsgeleitete Syntax und Semantik genauer, hat man vorgeblich – dies gerade ein Diktum der Definitionen magischer Praxis – den Schlüssel zur (Welten-)Schöpfung ganz in der Hand. Es wird wiederholt von Erfahrungen unter dem Gebrauch sogenannter Entheogene berichtet, die bestätigen, daß Bedeutung und Intention, Verwirklichung und Sprache im Feinstofflichen untrennbar – in gewisser Weise synestästhetisch – verbunden sind und von (‘unerklärbaren’, wissenden) Entitäten entsprechend verwirklicht werden.

Warum aber ist überhaupt davon auszugehen, daß die Benennungen fest verbunden sind mit den Dinglichkeiten? Sie sind es wohl innerhalb der Anlage einer tiefsten Ursächlichkeit: Fichte spricht hierbei von einer Ausströmung der Begriffe aus der geistigen Natur selbst. Ebenso von einer höchsten Freiheit der Erforschung und der Mitteilung. Der künftige Gelehrte “soll auch im einsamen Nachdenken die verborgene, und ihm selber unbewußte eigentümliche Tiefe seines Gemüts in das Licht der Sprache erheben.”
Und: “Da die Sprache nicht durch Willkür vermittelt, sondern als unmittelbare Naturkraft aus dem verständigen Leben ausbricht, so hat eine ohne Bruch nach diesem Gesetzte fortentwickelte Sprache auch die Kraft, unmittelbar einzugreifen in das Leben, und dasselbe anzuregen.”

Anhand des hier Ausgesprochenen könnte man von einer Bedeutungs-Apriorie der Sprache ausgehen, einem semantischen Archetypus sozusagen, der sich in der menschlichen Lautformung schöpferisch transkribiert. Hierzu kommen allerdings ursächliche Sprachen in Betracht, die nicht aus anderer sprachlicher Tradition, sondern aus der Apriorie der geistigen Verursachung selber hervorgingen. Gerade Fichte hat in seiner Rede an die Deutsche Nation auf diesen Sachverhalt ausdrücklich verwiesen.