C.G. Jung: “Wer sich vor dem Neuen, Fremden schützt und zum Vergangenen regrediert, ist in der gleichen neurotischen Verfassung wie derjenige, der, mit dem Neuen sich identifizierend, der Vergangenheit davonläuft. Der einzige Unterschied ist, daß der eine der Vergangenheit und der andere der Zukunft sich entfremdet hat. Beide tun prinzipiell dasselbe: sie retten ihre Bewußtseinsenge, anstatt sie durch den Kontrast der Gegensätze zu sprengen und dadurch einen weiteren und höheren Bewußtseinsstand aufzubauen.
Diese Konsequenz wäre ideal, wenn sie in dieser Lebensphase (der Lebenswende) durchgeführt werden könnte. Der Natur scheint es nämlich nicht im geringsten an einem höheren Bewußtseinszustand zu liegen, im Gegenteil; auch weiß die Sozietät solche seelischen Kunststücke nicht zu schätzen, prämiiert sie doch immer in erster Linie die Leistung und nicht die Persönlichkeit. …
Es ist unter allen Umständen eine ganz erhebliche Leistung, sich eine soziale Existenz zu erkämpfen und seine ursprüngliche Natur so umzuformen, daß sie in diese Existenzform mehr oder weniger hineinpaßt.
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Man übersieht dabei die eine wesentliche Tatsache, daß die Erreichung des sozialen Zieles auf Kosten der Totalität der Persönlichkeit erfolgt.
Die sehr häufigen neurotischen Störungen des erwachsenen Alters haben alle das eine gemeinsam, daß sie nämlich die Psychologie der Jugendphase über die Schwelle des berühmten Schwabenalters hinüberretten wollen. Wer kennt nicht jene rührenden alten Herren, die die Studentenzeit immer wieder aufwärmen müssen und nur im Rückblick auf ihre homerische Heldenzeit ihre Lebensflamme anfachen können, im übrigen aber in einem hoffnungslosen Philistertum verholzt sind?”
Es kommt also zu einer Art Korrosion der äußeren und inneren Lebensumstände unter einer – geleisteten, nicht mehr zu hinterfragenden – Abdrängung des ursächlichen Potentials (zur Entwicklung, zur Freiheit), etwas, was dann bestenfalls in vager Sehnsucht erinnert wird, als (vergangene) Seinsintensität begriffen, die so einen bereits lange überschrittenen (vermeintlichen) Lebenszenit markiert. Die Sozietät indes bietet Gelegenheiten sporadischer Kompensationen ritualisierter Regression oder gar Ekstase etwa, die sozusagen rudimentären Zugang zum Archetypischen gewähren – und so aber gerade integrative Prozesse zur Hebung unterminieren Dabei böte gerade die Zeit der Lebenskehre die Möglichkeit, ursächlich vitale Seinsstränge aufzunehmen und nun auf fortgeschrittenem Niveau weiterzuentwickeln, da das Bewußtsein gereifter und aufnahmefähiger wäre, um in der Zeit, in der alle Anpassungsleistung vollbracht ist und so die damit gekoppelte Herausforderung zur Nebensache wird und also die Potenz zur geistigen Ressource in besonderem Maße gegeben ist, zu höheren Lebens- Definitionen zu kommen und frühere Zugänge zur Lebensenergie auf höherer Ebene zu öffnen und im Resultat zu integrieren und dabei zugleich ein biographisches Kontinuum (der Energetik) herzustellen.
Nach Angelus Silesius: Wir sollen von einem Licht zum nächsten gehen. Dies erfordert immerwährende , besser noch: wachsende Wachheit, Bereitschaft und Ambition, eigentlich bis in den Tod hinein.