Fortschritt und letzte Dinge

Gregor Taxacher: “Die neuzeitliche Geschichtsphilosophie ist kein Kind säkularisierter Apokalyptik, sondern sie ist ein Versuch nachträglicher Erklärung der schwierigen Emanzipation des Menschen gegenüber seiner theologischen Bevormundung. Der in dieser Geschichtsphilosophie sich aussprechende unendliche Fortschrittsgedanke ist nicht Säkularisierung der christlichen Eschatologie, sondern umgekehrt: Die Ermöglichung dieser Konzeption, das In-Sicht-Kommen ihrer Vorrausetzungen, nahm der temporalen Transzendenz, der eschatologischen Zukunft, ihren Verheißungscharakter. Will sagen: Im Konzept des Forstschritts braucht es eben gerade keine letzten Dinge. “

 Taxacher scheint hier außer Acht zu lassen, daß sich der Fortschrittsgedanke der Neuzeit  im Grunde bisher  gar nicht eschatologisch entkoppelt hatte, daß äußerer, technischer Fortschrittsvollzug eben immer auch als Begleiter eines inneren Fortschritts des Menschen und so des ganzheitlichen Seinsvollzuges selber gedacht war, dies gesehen als naturgeschichtliche Notwendigkeit wäre in sich schon Beweis zum Heilszweck genug , dazu aber kommen vor allem die dezidiert säkular-eschatologischen Proklamationen im Marxismus, (National-) Sozialismus und Kommunismus, die sehr wohl von einem Heil säkularer Art, einer großen Transformation in eine Endgültigkeit als Heil ausgehen  (oft chiliastisch benannt, als verständlichere Chiffre für eine Art der seligen Dauerhaftigkeit). Daher auch spricht z.B. Sigmund Freud über Marx’ Philosophie als nicht ,,materialistisch“, sondern bezeichnet sie als einen “Niederschlag der dunklen Hegelschen Philosophie”.
Die Säkularisierungsprozesse geben ja tatsächlich  nie den im Urgrund des Menschen angelegten Zweck und Impetus (dies ist neuplatonisch und hegelianisch) zur Überwindung auf, im Gegenteil machen sie ihn offensichtlicher, dringender und verschärfen sie ihn, weil sie den Zweck nun diesseits der Schwelle des Todes legen müssen und daher seine Einlösbarkeit für das Nahfeld (zeitlich und geographisch) proklamieren, sie setzen eine globale Erlösung (chiffriert als Befreiung) im Weltlichen an, die von kollektiver (vermasster) Ungeduld genährt die erhoffte (und endgültige, irreversible!) Besserung der Zukunft  hervorbringen mag, die dann als transitorische Effekte gar die bekannten Katastrophen und  ‘Häutungen’ allemal  als kollaterale Ereignisse ‘auf dem Weg’ in Kauf zu nehmen bereit ist. Die säkularen Bestrebungen, daher allesamt von einem  wie auch immer gearteten progressionistischen Charakter, sind Transzendenbestrebungen (im profanen Sinne) aber eben zugleich auch unbewußte, verkürzte  Transzendenzbestrebung zum nicht  gewußten oder negierten Numinosen, nun immanenzverdichtend in der (radikalen) Tat und daher von ganz anderer weltwirksamer (weil alleine weltzugewandter) Vehemenz als die Predigten und Proklamationen der religiösen Endzeitler.

Auch ein endzeitlich inspirierter Thomas Müntzer, der  zur immanenten Tat schreitet, sucht die letzten Dinge durchweg außerhalb der Welt.
Fortschritt selbst ist dem Telos ein ganz Inhärentes und alles entwickelt sich -bewußt oder nicht zur Ganzheit, die somit schon begrifflich ein Heil(-sein) innehat.  Eine Emanzipation des Politischen oder Gesellschaftlichen bedeutet daher nie die Emanzipation vom Telos selbst, und da dieser schließlich in allem virulent und wirksam ist und der Mensch als Wesen wie seine Geschichtlichkeit  eine Explikation dieses Prozesses  (zur Rück-Explikation) darstellt, wäre dies schlicht auch  gar nicht möglich.