Weltbilder, konvergierend

Karl Lanius Über das Weltbild der Jäger- und Sammlergemeinschaften:
“Wie bei den Sozialbeziehungen zeigen sich auch auf den Gebieten der ethischen Normen und religiösen Vorstellungen einige bemerkenswerte Gemeinsamkeiten;
Ziel der Menschen ist nicht die Herrschaft über die Natur, sondern mit und in ihr in Harmonie zu leben. Eine Vorstellung, die im Gegensatz zum Christentum steht, das den Menschen zum Herrscher über die Natur erklärte – ein Glaubenssatz, der mithalf, uns an die Schwelle des Zusammenbruchs der Biossphäre zu führen.”

“In der Religion bilden Diesseits und Jenseits eine unauflösliche Einheit. Jenseitige Kräfte bestimmen das Naturgeschehen.”

“Die Glaubensvorstellungen zahlreicher Gemeinschaften unterscheiden zwischen der Gegenwart und einer mythischen Vorzeit, in der Tiere und Menschen noch nicht getrennt waren.”

Es zeigt sich hier deutlich, daß Animismus und pantheistisches Denken in einem gewissen verwandschaftlichen Verhältnis stehen. Nicht ohne Grund hat man auch den Pantheismus den Animismus der Eliten genannt. In der Umkehrung könnte man den Animismus als einen mythischen oder symbolischen Pantheismus oder Panentheismus bezeichnen. Gemeinsamer Nenner ist die wesenhafte Nicht-Getrenntheit der hiesigen, raumzeitlichen und andererseits einer überraumzeitlichen und numinosen Sphäre. Es herrscht eine Art Panpsychismus, wobei die numinosen Seelenkräfte jederzeit verschiedene Form annehmen und entsprechend inkarnieren können.
Noch bei Platon findet sich die sehr verwandte Überzeugung von der Seelenwanderung, die keine prinzipielle Schranke zwischen Mensch- und Tierwelt kennt, sondern die durch die aller Spezifika der Gattung enthobene Vorform der Seele zu jeder Art der Inkarnation kommen kann. Es ist nicht ohne Grund annehmbar, daß hier eine Nähe im Sinne einer Sukzession zum ägyptischen Denken besteht, das sich gerade auch in der Formwandlung seiner Götterwesen ausdrückte. Die hybriden Darstellungen aus Mensch und Tier gelten in Ägypten dabei nicht so sehr wörtlich, sondern vielmehr als flexible symbolische Repräsentation einer viel höheren und universalen göttlichen Verfasstheit.

“Eine von den Kräften der Vorzeit ist im Trickster personifiziert. Er symbolisiert die Menschenähnlichkeit, die Schwachheit einer übernatürlichen männlichen Kraft. Der Trickster steht deutlich im Kontrast zum allmächtigen, allwissenden Gott in den Religionen der Hochkulturen.”

Bemerkenswert ist die Vorstellung der Zwischeninstanz des Tricksters, dies zeigt -wenn man so will- einen gnostischen Impetus des Früh-oder Urreligiösen. Oder anders gesagt: Der Trickster als urgnostisches Motiv läßt sich bis auf die animistischen Kulturstufen zurückverfolgen, was zeigt, daß das gnostische Denken prinzipiell frühreligiösen, schamanischen Ursprungs ist. Nicht anders aber verhält es sich im Kern mit einem zum philosophischen Idealismus stilisierten Monismus, wie ihn der Platonismus später verkörpert. Mircea Eliade hatte auf den Zusammenhang zwischen Gnosis, Mystik und Schamanismus seinerzeit aufmerksam gemacht. Entsprungen sind die frühreligiösen Vorstellungen ganz ursächlich einer Empirie, die auf initiatorischen Handlungen beruht. Diese wiederum beinhalten in jedem Kulturkreis und in jeder frühen Gesellschaft den Gebrauch bewußtseinserweiternder Pflanzenstoffe. Hierauf kann gar nicht eindringlich genug hingewiesen werden: Diese Handlungen bilden den eigentlichen Ursprung aller Religion. Religiöses Denken ist eben nicht (allein) das Konstrukt aus geistig-intellektueller Notwendigkeit angesichts der übermächtig erscheinenden, ungelösten Existenzfragen, sondern ganz und gar meint das Religiöse “den Bericht” einer induzierten Erfahrung, die Einblick in die Dispositionen einer das Weltliche umgebenden numinosen Überraumzeitlichkeit gewährt hat. Alle weitere kulturelle Übersetzung birgt dann eine Entfernung vom Erlebten und die Abstrahierung von diesem inneren Gehalt (gerade auch weil die Entfernung vom eigentlichen Sakrament vollzogen wird), hinzu kommt bald die (entleerte) Ritualisierung und gar Instrumentalisierung durch eine Priesterschaft, womit die Immanenz des Numinosen endgültig der Allgemeinheit (dem Individuum) entrissen wird und in die Hand der Wenigen gerät. Lediglich die auf die urreligiöse Tatsächlichkeit rekurrierenden geistigen Strömungen (Pythagoreismus, Platonismus, Gnosis, Mystik, Idealismus, Lebensphilosophie usw.) vermögen es, dem Einzelnen die unvermittelte Teilhabe am Transzendenten als fundamentalen Anteil seiner Persönlichkeit zurückzugeben. Es sollte an dieser Stelle zu tiefstem Nachdenken anregen, daß diese Ströumungen (zumindest in der westlichen und nahöstlichen Hemissphäre) allezeit bis zur Vernichtung bekämpft wurden.