Seelenfunke

Zur Geschichte des Seelenfunkens, also der Verortung Gottes in der menschlichen Seele bei Eckhart, Uta Störmer-Caysa:
“Der Seelenfunke ist im zweiten und dritten christlichen Jahrhundert aus der Stoa entlehnt worden, die von einem beseelenden Lebensprinzip ausgegangen war und gegen die aristotelische Zergliederung der Seele deren Einheit betont hatte. .. Die Lehre von einem belebenden und steuernden Seelenzentrum kennt in der Reihe der christlichen Denker zuerst Origines (185-254), wahrscheinlich durch die Vermittlung von Seneca….(Einfügung von mir: Origines ist Schüler des Neuplatonikers Sakkas, wird zu Lebzeiten exkommuniziert, seine Schriften 553 in Teilen zur Ketzerei verdammt). Die nächste wichtige Station in der Geschichte des Seelenfunkens ist der Kommentar des Bibelübersetzers Hieronymus (350-420) zum Buch Ezechiel… Die spätantiken christlichen Autoren von Origines bis zu Augustinus und Hieronymus konnten den stoischen Gedanken vom Seelenfunken nur in ihre philosophisch – theologische Überlegungen einbauen, indem sie ihn platonisierten. Im Kontext einer neuplatonischen Aufstiegslehre konnte der stoische Funke nur auf eine Weise verstanden werden: Als das Höchste, was die Seele hat.”
In der Scholastik des 13. Jahrhunderts einigt man sich dann auf die Bedeutung des Funkens als “sittlliche Naturanlage”. “So hat auch Eckhart die Lehre von der synderesis kennengelernt, denn Thomas von Aquin hatte sie …behandelt, und zwar als eine sittliche Vorstufe der Vernunft… Auf diesem Stand, von dem Eckhart ausgehen mußte, hatte der Funke allerings nicht mehr viel vom göttlichen Feuer. Er war so sehr in den Funktionsrahmen der praktischen Vernunft und des Gewissens eingespannt, daß er zwar die Würde kontrollierten Handelns, aber kaum noch das Besondere der Inspiration tragen konnte. (Folgende conclusio) ist nun Eckharts Verdienst und Leistung… – Eckhart kehrt damit gegenüber Thomas von Aquin zu Origines und dessen platonisch stoischen Denkmustern zurück- :. .. Der Seelenfunke war selbst die imago Dei. Er war der Ort der Anwesenheit Gottes in der Seele.”
Und die Korrelation in der indischen Philosophie: Die Vedanta sieht das Brahma als unnennbare höchste Wirklichkeit, als Erkennen/reiner Geist an, “die das All und zugleich das Selbst im inneren Herzens ist–kleiner als ein Hirsekorn oder größer als der Himmel…Der Allwirkende ist mein Selbst im innersten Herzen” (Shandilya).