Resignatives Sein

Arthur Schopenhauer: “Einen sehr edlen Charakter denken wir uns immer mit einem gewissen Anstrich stiller Trauer, die nichts weniger ist als beständige Verdrießlichkeit über die täglichen Widerwärtigkeiten (eine solche wäre ein unedler Zug und ließe böse Gesinnung fürchten); sondern ein aus der Erkenntnis hervorgegangenes Bewußtsein der Nichtigkeit aller Güter und des Leidens alles Lebens, nicht des eigenen allein. Doch kann solche Erkenntnis durch selbsterfahrenes Leiden zuerst erweckt sein, besonders durch ein einziges, großes; wie den Petrarca ein einziger unerfüllbarer Wunsch zu jener resignierten Trauer über das ganze Leben gebracht hat, die uns aus seinen Werken so rührend anspricht: denn die Daphne, welche er verfolgte, mußte seinen Händen entschwinden, um statt ihrer ihm den unsterblichen Lorbeer zurückzulassen. Wenn durch eine solche große und unwiderrufliche Versagung vom Schicksal der Wille in gewissem Grade gebrochen ist; so wird im übrigen fast nichts mehr gewollt, und der Charakter zeigt sich sanft, traurig, edel, resigniert. Wann endlich der Gram keinen bestimmten Gegenstand mehr hat, sondern über das Ganze des Lebens sich verbreitet; dann ist er gewissermaßen ein In-sich-Gehn, ein Zurückziehn, ein allmäliges Verschwinden des Willens, dessen Sichtbarkeit, der Leib, er sogar leise, aber im Innersten untergräbt, wobei der Mensch eine gewisse Ablösung seiner Banden spürt, ein sanftes Vorgefühl des sich als Auflösung des Leibes und des Willens zugleich ankündigenden Todes; daher diese Gram eine heimliche Freude begleitet, welche es, wie ich glaube, ist, die das melancholischste aller Völker die Freude am Kummer genannt hat.”

Don Juan bei Carlos Castaneda: “Handlungen haben Kraft. Besonders wenn derjenige, der handelt, weiß, daß diese Handlungen seine letzte Schlacht sind. Es ist ein eigenartig erfüllendes Glück, wenn wir in vollem Wissen handeln, daß alles, was wir tun, sehr wohl unsere letzte Schlacht auf Erden sein kann. Ich rate dir, dein Leben neu zu überdenken und deine Handlungen in diesem Licht zu überprüfen.”

Nun ist auch in einem ‘resignativen Sein’ eine Kraft angelegt. Denn nach dem Scheitern des Tuns und der Einsicht über die Unvermeidlichkeit des Scheiterns in Allem und letztlich zum Tod und seiner täglichen Gegenwärtigung weitet sich die Perspektive für ein viel essentielleres Sein, das eine Brücke schlagen will zur anderen, zur wahren und ewigen Welt. So rückt die Hiesigkeit in einen Kontext, der – obschon er dem Leben selbst zur grundlegenden Trauer gereicht – doch nach dem Wahren sein Sehen richtet und daher in gewisser Weise unerreichbar und unanfechtbar, weil gesetzmäßig ‘richtig’ verlaufend ist, gleichzeitig in eine Gegenwärtigkeit gezogen wird, die sich als das Sein selbst zu sich selbst einführt und präsentiert und so einen inneren erhabenen Zustand der Teilhabe erzeugt – einer Überlegenheit über die Bitterkeit des Schicksals – , die doch zum Handeln treibt, aber zu einem alles transzendierenden Handeln in der Kraft der unsterblichen Kontinuität. Was sich nun habituell als Trauer dargibt – um zum Eingang zu kommen – ist die natürliche Reaktion der eigenen generellen Dislokation im Hier in Relation zum erahnten oder gar gewußten Ganzen. Und die Handlung hierin – gemäß einem immer gegenwärtigen respice finem – gereicht zu einzig essentiellem Sein.