Erfaßtwerden


Was sich im Telos philosophischen Denkens verwirklichen soll, sagt Werner Beierwaltes: “Die Erweckung besteht in einem Sich-Hinaufspannen der Seele ohne Umkehr; ihre Tätigkeit in einer Rückkehr aus dem Fall im Werden auf das Göttliche hin, das Rasen aber ist eine von Gott herkommende Bewegung, ein nicht ermüdender Tanz um das Göttliche, der die (von Gott oder der entheastischen Bewegung) Erfaßten in die Vollendung führt.”

Je näher man dem Einen kommt, desto mehr wirkt und durchwirkt man sich dabei zum Sich-Selbst-Sein (zum Einen). Das empfundene Eigen-Sein ist dabei nur Differenz oder Ausschluß des unintegrierten Teilhabens des (eigentlich) Einen am Sich-Einen, das alles ist. Nähert sich das Subjekt nun seinem eigenen Wesen, verliert es das Lebensschwache der Differenz und wird anteilig an seiner eigenen Macht, die es immer mehr erhebt und in eine unendliche Steigerung führt.
In der Enthebung und Entfernung vom Eigensein bleibt man dabei zwar im Hiesigen alltagspraktisch zugleich wirksam, aber dennoch nicht mehr gewohnt gebunden – eher so, wie wenn man zugleich durch das Geschehen hindurchtritt und eine ganz tiefere und viel sinnhaftere Verfassung erschaut. Gemäß dem Diktum in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt handele und funktioniere ich gemäß den Umständen, gehöre ihnen aber nur insofern noch an, als ich überschreitend und übergreifend in sie einwirke, ihr So-Sein und mein Ich hierfür zur Durchwirkung hilfreich erscheint und dabei doch stets nach einem viel Weitergefaßten und Höheren, zuletzt ganz anderen schaut, das eben Ziel des Durchgangs durch die hierfür zweckmäßige Hiesigkeit und Ichheit darstellt. Genau in solch einem Sein aber kommt es zu einer Kontinuität von Profanität und Erhobenheit, das Leben als solches wird auf eine neue Stufe der (energetischen) Teilhabe und Gestaltungsgröße gestellt.
Zum Enthusiasmus (ursprünglich “Besessenheit durch Gott, göttliche Begeisterung”) auch treffend Beierwaltes über Ficino: “Die Sehnsucht zu sich selbt, die Intention auf Selbt- Steigerung hin hat kein Ende, ermüdet nie, erlischt nie, je näher sie dem absolut Unendlichen kommt, desto mehr entbrennt ihr Feuer.”