Category Archives: Philosophisches

Theodizee und Läuterung

Eine Möglichkeit, den Schwierigkeiten der Theodizee zu entrinnen kann nur -und dies wurde wiederholt als absurd oder gar unethisch bezeichnet- darin bestehen, das Leid als solches in seiner Subjektivität und so in seinem illusorischen Charakter zu erfassen.
Dies gelingt freilich nur von einer idealistischen Position aus. Demnach könnte man die Frage nach dem Leid so auflösen, daß Leid gar nicht außerhalb eines konstruktivistischen Rahmens existent ist, was zwar angesichts der Immanenz des Schmerzes und all der weltlichen  Abgründe vielen wie ein Hohn vorkommen muß – und doch sprechen wir ja von Leid als Hervorbringung im subjektiven  und raumzeitlichen Lebens- und Empfindungsradius  eines Menschen, somit meint Leid eigentlich  – umfassender betrachtet – eine  Desintegration der eigentlichen transzendenten Persönlichkeit. Das stärkste Leid, das Leid letztlich zum Tod,  erfährt folgerichtig im Sterbevorgang bereits  seine Transmutation und so sein augenblickliches Ende, das Leid ist nun derart relativiert, daß es mit der Aufgabe jedes Interesses an der sterblichen Existenzform gar die Rolle des Beschleunigers des neuen und höheren (glücklicheren) Zustandes einnimmt (hier auch liegt der Grund der Praxis für Folter- oder Marterrituale, da sie die Schwelle zum Tod möglichst lange hinauszögern sollen, den Punkt des höchsten Schmerzes  manifestieren, indem die Ablösung, oder man kann sagen, der Triumph der transformierenden Seele vorübergehend verhindert wird).
Im  Konzept der Reinkarnationen ist Leiden darüber hinaus als solches sinnerfüllt und zweckgerichtet, weil zum einen als natürliche Folge eigener Tat (karma), also selbst hervorgebracht, und zum zweiten als Möglichkeit zu Läuterung -also zur Lösung von  Karma – dienlich. Der Buddhist spricht von einer großen Ausgewogenheit in einem Zustand, in dem alles – gut und schlecht, Friede und Verzweiflung-leer ist von wahrer Identität. Die Theosophie schließt sich dieser überdialektischen Sicht  an und versteht das Leiden als spirituelles Exerzitium: “Unser größter Freund, unser edelster Reiniger von allen ist Leid, ist Schmerz; denn Herz und Verstand müssen durch Schmerz geläutert werden, genauso, wie Gold in Feuer geläutert wird.”
“Preise den karmischen Anstoß und fürchte ihn nicht.”
Und: “Erinnere dich, es ist nur das Endliche, was leidet.” (De Purucker) Auch hier: Das Endliche als solches ist Leiden, und als Endliches eigentlich “leer”.
Auch für den neuplatonisierenden Kirchenvater  Dionysius Areopagita ist das Übel ebenfalls gar nicht in autonomer  Form existent, sondern untergeordneter Teil eines dialektischen Plans,  “da  es sonst für sich selbst ein Übel wäre. Und wenn dem nicht so ist, so ist das Übel nicht in jeder Beziehung ein Übel, sondern hat -geheimnisvollerweise- einen Anteil am Guten, wodurch es überhaupt existiert”. Und: “Das Gute ist Ausgang und Endpunkt auch aller Übel, denn um des Guten willen ist alles, was gut ist und was ihm entgegengesetzt ist, denn auch dieses tun wir nur, weil wir nach dem Guten verlangen.”
Und doch bleibt der Mensch hier zunächst unerfüllt zurück, gerade auch, weil die Auflösung dieser Dialektik jenseits seines raumzeitlichen Erlebenishorizontes verortet ist und somit der Sinn und der Trost für ihn unvollziehbar entrückt erscheinen.  Das Übel, bzw. dessen erster Grund bleibt dabei auch durchaus philosophisch das eigentliche malum metaphysicum , denn ohne weiteres  ist ja der Gedanke fassbar, daß ein Höchstes  und Gutes völlig außerhalb antrophomorpher Vorstellungen -wie  Läuterung und Lernprozess –  residieren könnte, dies  nach unserer Vorstellung seinem Wesen gar eigentlich viel eher zukäme. Besonders in dem Maß, wie man das Subjektive aus dem Radius der monistischen, selbst verursachenden Desintegration in eine theistische  Mensch-Gott  Beziehung stellen mag, bleibt die Theodizee – wenn man so sagen will – der Huf des Teufels im Beet des Theologen.

 

Monade, Hologramm und Holismus, Kepler, Talbot

Nach C. G. Jung  “bildet Keplers Lehre von der anima telluris den Hintergrund für seine Idee der prästabilierten Harmonie. Der Sitz der astrologischen Synchronizität sei nicht in den Planeten, sondern vielmehr in der Erde, aber nicht in der Materie, sondern eben in der anima telluris. Jede Art von natürlichen oder lebendigen Kräften habe daher eine gewisse Gottähnlichkeit.
Obschon die Monaden nicht gegenseitig aufeinander einwirken können, da sie keine Fenster haben, so sind sie doch so beschaffen, daß sie immer übereinstimmen, ohne voneinander Kunde zu haben. Er faßt jede Monade als ‘kleine Welt’ oder als ‘tätigen unteilbaren Spiegel’ auf. Jede ‘einfache Substanz’ hat Beziehungen, ‘die alle übrigen ausdrücken’ Sie ist daher ein beständiger, lebender Spiegel des Universums. Er nennt die Monaden lebender Körper ‘Seelen’: “Die Seele folgt ihren eigenen Gesetzen und ebenso der Körper den seinen, sie begegnen sich aber vermöge der zwischen allen Substanzen vorherbestimmten Harmonie, da sie sämmtlich Darstellungen des nämlichen Universums sind. (Kepler)”

Michael Talbot über das Hologramm: “..Das Bild ist ein Hologramm, eine dreidimensionale Darstellung, die mit Hilfe eines Lasers entsteht. Die technischen Mittel, die für die Verfertigung solcher Bilder vonnöten sind, sind schon verblüffend genug, noch erstaunlicher aber ist es, daß inzwischen einige Wissenschaftler sogar der Ansicht sind, daß das Universum selbst eine Art Riesenhologramm ist, eine wunderbar detaillierte Illusion… Anders ausgedrückt: Einiges deutet darauf hin, daß es sich bei unserer Welt und allem, was in ihr existiert…, gleichfalls nur um Geisterbilder handelt, um Projektionen einer Realitätsebene, die die unsere so weit übersteigt, daß sie sich buchstäblich außerhalb von Raum und Zeit befindet.”
Als Hinweis auf diese höhere Realitätsebene liest sich ja gerade folgende Holismus-Definition, die von der Nicht-Begreifbarkeit der sichtbaren Ebene in summa ausgeht und eine  Erklärung für ihr Zustandekommen oder Miteinander aus einem Höheren bereitstellt: Der Holismus bietet -wenn man es so ausdrücken möchte -eine Aussage über den für die Holographien zuständigen Projektor:
Holismus, auch Ganzheitslehre, ist die Vorstellung, dass natürliche Systeme und ihre Eigenschaften als Ganzes und nicht als Zusammensetzung ihrer Teile zu betrachten sind. Der Holismus vertritt die Auffassung, dass ein System als Ganzes funktioniert und dies nicht vollständig aus dem Zusammenwirken aller seiner Einzelteile verstanden werden kann. Hauptargument des Holismus gegen den Reduktionismus ist oftmals eine nicht vollständige Erklärbarkeit des Ganzen aus den Eigenschaften seiner Teile.” (Wikipedia)
In diesem Zusammenhang scheint es mir am geeignetsten, in diesem Bild zu bleiben, um die nicht ganz umkomplizierte Monadenlehre einfacher begreifbar darzustellen: Die Monaden sind somit als die Spiegel zu verstehen, die das Licht des (außerraumzeitlichen) Projektors reflektieren, dies in einem Verbund, der das Raumzeitliche vollständig durchwirkt und so die raumzeitliche Beobachtung  also bedingt und ermöglicht (“daß sie immer übereinstimmen, ohne voneinander Kunde zu haben.” )  Da sie alle an ihrer eigenen Position das Licht des Projektors empfangen, müssen sie schließlich keine Kenntnis voneinander besitzen, und doch interagieren sie sinnhaft in ihrer individuellen Bezugnahme auf das Eine, Übergeordnete, wie die Bildzellen eines Fernsehers, die alleine durch die Summe ein Bild ergeben (ohne das Bild selber kreiert zu haben). Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, ist Welt “Bild”, somit ist die Monade als Spiegelfläche die Vorbedingung zu dem, was durch die Sinne als Materie interpretierbar wird. Monaden  sind somit die voratomaren Eintrittspunkte impliziter Energien – und in ihrer Summe evozieren sie den sichtbaren Ausdruck bzw. die Intention des Dahinterliegenden, das-gemäß der Holismusdefinition -also folgerichtig die reine Addition ihrer darstellenden Teile übersteigt.
Diese Bildhaftigkeit als Absetzung vom körperhaft Existenten unterstreicht auch gerade der Ansatz von Leibniz: “Leibniz charakterisiert die Monaden als metaphysische, beseelte Punkte oder metaphysische Atome, die im Unterschied zu den von der Atomistik postulierten physischen Atomen keine Ausdehnung besitzen und somit keine Körper sind.” (Wikipedia)

 

 

Das Kreuz mit der Ambivalenz

Aphorismus:
Das Kreuz meint eine Vertikale aus der Horizontale der Dialektik.

Hiernach wird ersichtlich, in welchem Lichte  das ganze Wirken Jesu zu betrachten ist, und inwiefern von Beginn die Kirche auf die eine oder andere Art -als Institution in der Welt (mit  einem Lehrer und einer Lehre nicht von dieser Welt) – gegen diesen Satz gehandelt hat, man kann sagen-gehandelt haben muß.  Nietzsche sagt zu Recht: ” Aus den christlichen Antrieben…hat nun aber schon von jeher ein christlicher Kampf gegen die wirkliche Christenheit stattgefunden, die da ist in der Macht der Kirche und in dem tatsächlichen Sein und Verhalten der Menschen, die Christen heißen.” (Karl Jaspers über Nietzsche)
Die Problematik liegt  darin, daß die eigentlichen, die jesuanischen christlichen Antriebe in ihrer Bedeutung als Überwindung des weltlichen dialektischen Prinzips  für diese Welt nicht dauerhaft institutionalisierbar sein können. “Todfeindschaft gegen die Realität”: “…Der ganze Begriff des natürlichen Todes ..fehlt, weil er einer …bloß scheinbaren Welt zugehörig (ist). Die Zeit, das physische Leben und seine Krisen sind gar nicht vorhanden für die Lehrer der ‘frohen Botschaft.’  “(Jaspers über Nietzsche)
Andererseits erhebt die Lehre einen missionarischen, auf diese Welt gerichteten Anspruch einer globalen Bewußtseins -Evolution und der Kunde von einem bereits in der Welt zu beginnenden  Erlösungsprozeß mit dem Ziel der  ontologischen Erhöhung nach dem Tode, so daß dieses (eigentlich weltüberwindende ) Programm -mit seinen ethischen Implikationen, die im Ausgang aus dem Weltlichen eine radikale Anfälligkeit, gar eine Aufforderung zur Selbstauslöschung aufweisen – trotzdem in eben jener zu überwindenen Welt als förderungwert verstetigt werden soll . Gäbe die Kirche  diesen im Weltlichen verfestigten Wahrheits- und Stellvertreteranspruch durch eine  wirklich konsequente Nachfolge auf, könnte  sie den jesuanischen Telos nicht verstetigen und würde ihn vom globalen Anspruch höchstens an den Einzelnen delegieren, was exklusive Welftflucht, Klausur, und also persönliche Erlösung Einzelner ohne Wirksamkeit nach Außen bedeutete. Will sie aber ihren globalen Anspruch aufrechterhalten , muß sie hierfür  einen für diese Welt kompatiblen, also in seiner jesuanischen Radikalität abgeschwächten  Weg aufzeigen. So kommt es zur religiösen Praxis, die sich in der Hauptsache durch die Pragmatik in Form eines ethischen Handelns bewähren soll, das aber kaum noch an  die  Ernsthaftigkeit und den Durchsetzungswunsch der Lehre selber gekoppelt ist. Dies führt prinzipiell zu Gemeinschaften und Gemeinwesen, die virilen und unzweideutigeren Kräften nichts ausreichend Selbstbehauptendes entgegensetzen können. So lebt man weder Jesus’ Lehre konsequent nach (und überwindet die Welt und das Leben zum Jenseitigen), noch ist die Bereitschaft vorhanden, nun in der Welt (in einer Abmilderung) für die Richtigkeit der Lehre und ihrer Zielsetzung zu streiten und sozusagen Einschränkungen in der Altruistik (und ihrem Aspekt der Selbstaufgabe) zu vollziehen, um so das  eigene Überleben der Lehre zu sichern. Denn entscheidend wird hier, daß  man  die  altruistischen Maßgaben  sozusagen als einzige Reminiszenz (fast wie einen Ablaß) an den verlorenen umfassenden Glauben (“Folge mir nach” und “Du sollst keinen Gott neben mir haben”) – versteht. So fehlt die Konsequenz, in wirklicher jesuanischer Tradition zu stehen, andererseits aber befördert man die gebliebenen altruistischen Maßgaben mit einer solchen Ambition, daß sie zu einer Schwächung  des Eigenen, und schließlich zu einem Zurückweichen vor den anderen Konzepten  führen müssen. “So machen sie es (vom ersten Beginn an) nicht richtig, aber sie machen es im Falschen auf die Weise  ‘richtig’ genug, daß sie sich selber als Kirche, die sich für diese Welt -missionarisch-zuständig fühlt, die eigene Zukunft nehmen.” In diesen Ambivalenzen liegt die ganze Schwierigkeit der Behauptungsfähigkeit der christlichen Kirche begründet.

 

Das weltgeschichtliche Totalwissen

Karl Jaspers, “Nietzsche und das Christentum”:
“Das weltgeschichtliche Totalwissen
Nietzsches Denkschema liegt ein Denkschema zu Grunde: als ob wir ein Wissen vom Gang der Menschheitsgeschichte im Ganzen haben könnten oder hätten; als ob wir unser Zeitalter kennten und darum zu wissen vermöchten, was der Zeit gemäß und was unzeitgemäß sei, und als ob wir weiter die Zukunft im Ganzen ins Auge fassen, planen und wollen könnten. Dieses Denkschema ist keineswegs selbstverständlich. Große Teile der Menschheit und ganze Zeitalter lebten in einer fraglosen Zugehörigkeit zur regelmäßigen Wiederkehr der Erscheinungen, lebten ungeschichtlich, ganz gegenwärtig wie in der Ewigkeit, als ob es immer so war und sein werde, wie es heute ist. Woher kommt die andere, so erregende Denkweise, die je nach Lage ein unerhörtes Ohnmachtsgefühl oder ein Bewußtsein außerordentlicher Macht über den Gang der Dinge bewirkt?
Sie ist christlicher Herkunft.”
Jaspers stuft hier die Rolle des Christentums ganz falsch ein. Daher ist er gar in der Lage zu sagen, “Herder, Kant, Fichte, Hegel…stünden in der Verwandlung dieses christlichen Wissens zum weltlichen Totalwissen schon in der Deszendenz des christlichen Gedankens.”
Tatsächlich aber ist es ja vielmehr das Christentum, das in der Deszendenz eines antiken -idealistischen- Totalwissens steht, während Hegel und Fichte ja gerade auf dieses  vorchristliche Wissen rekurrieren. Dieses Wissen ist  ja im Kern teleologisch und unterwirft den gesamten Weltenlauf der formulierten Bestimmung. Zudem muß bemerkt werden, daß die Erfüllung der Geschichte auch das Ende ihrer  Explikation bedeutet und somit einen Zustand der Gegenwärtigkeit proklamiert, der in verwandtschaftlicher Nähe  zur archaischen Geschichtslosigkeit gesehen werden sollte.  Dies nimmt -für Europa- seinen (schriftlich überlieferten)  Beginn mit den Formulierungen der “Ideenfreunde” des antiken Griechenland. Es stimmt nicht, wie etwa Nietzsche  meint, daß  mit Sokrates und Plato das Heidentum ausgeläutet würde. Die Welterklärung  als Telos eines  Wiederaufstieges zum Höheren und Höchsten wird im Gegenteil bei jenen alles bestimmend, wobei es sich  letztlich um etwas viel tiefer Liegendes,  Ur-Heidnisches, den urregiliösen Topos schlechthin Beschreibendes handelt,  der in den antiken Mysterien noch unumkleidet von  dogmatischen Attributen  und theologischen Übersetzungen  als ein Fakt der (intersubjektiven) Empirie zu Tage treten konnte.
Prinzipiell ist dies weder  klassisch griechisch,  weder platonisch oder vorsokratisch, sondern als Wissen vom ontologisch “wirklicheren” Transzendenten schlicht archaisch- urreligiös, daher -wenn man so will- schamanisch,  die kulturelle Übersetzung meint aber später Idealismus, Hypostasen-und Explikationslehre. Die abrahamitischen Ansichten  hingegen haben diese Kenntnisse nur noch entfernt umschrieben-und gänzlich mit ihren antrophozentrierten Mythen überlagert. Im Laufe der Kanonisierung der Schriften kommt es zudem zu mannigfaltigen Verstellungen und Mißverständnissen. Sie  stehen somit zwar ebenfalls für den Anspruch um die Kenntnis einer ganzheitlichen Ausgerichtetheit des Weltenlaufes, dabei  allerdings in eklatanter Deszendenz zum alten Wissen hierüber.
Folgerichtig , als wolle er seinen eigenen Fehler geraderücken, sagt dann Jaspers an anderer Stelle über Nietzsche:
Für Nietzsche liegt der Höhepunkt des Menschentums im …Griechentum, die Möglichkeit unserer eigenen Wahrheit und Wirklichkeit ligt in der Wiederannäherung an dieses Griechentum…, die Höhe der Antike ist durch Gifte zerstört, die -alle zusammengefasst, summiert und überboten im Christentum -die Welt in den Ruin brachten, der nach zweitasusend Jahren jetzt seinen tiefsten Punkt erreicht hat und endlich zur Umkehr auffordert.”

 

C.G.Jung -Definitionen für Synchronizität

Ein Extrakt der Definitionen C.G. Jungs zur Synchronizät aus seiner Abhandlung “Synchronizität, Akausalität und Okkultismus”:
“Fälle von sinngemäßen Koinzidenzen -die von bloßen Zufallsgruppen zu unterscheiden sind-scheinen auf archetypischer Grundlage zu beruhen.
Ich habe diesen Terminus (der Synchronizität) gewählt, weil mir die Gleichzeitigkeit zweier sinngemäß, aber akausal verbundener Ereignisse als ein wesentliches Kriterium erschien. Ich gebrauche hier also den allgemeinen Begriff der Synchronizität in dem speziellen Sinne von zeitlicher Koinzidenz zweier oder mehrerer nicht kausal aufeinander bezogener Ereignisse, welche von gleichem oder ähnlichem Sinngehalt sind.
So bedeutet denn Synchronizität zunächst die Gleichzeitigkeit eines gewissen psychischen Zustandes mit einem oder mehreren äußeren Ereignissen, welche als sinngemäße Parallelen zu dem momentanen subjektiven Zustand erscheinen und gegebenenfalls -auch vice-versa.”

“Synchronistische Ereignisse beruhen auf der Gleichzeitigkeit zweier verschiedener psychischer Zustände. Der eine ist der normale, wahrscheinliche (das heißt kausal zureichend erklärbare) und der andere der kausal aus dem ersteren nicht ableitbare Zustand, nämlich das kritische Erlebnis.”
“Die Koinzidenz ist möglich, weil beide Seiten derselbe Sinn eignet. Wo der Sinn prävaliert (vorherrscht) , da ergibt sich Ordnung.”

“Die Synchronizität setzt einen in bezug auf das menschliche Bewußtsein apriorischen Sinn voraus, der außerhalb des Menschen zu sein scheint. ”
(Meine Anmerkung: Den Neuplatoniker mag das nicht wundern, da der Mensch als veräußerter Aspekt einer Geistesteilhabe angesehen wird, und so sein ganzes eigentliches Selbst quasi im Apriorischen liegen mag-insofern man die Warte des desintegrierend betrachtenden raumzeitlichen Ich-Aspektes einnimmt.)

“Außerhalb des noch völlig undurchsichtigen psychophysischen Parallelismus stellt das synchronistische Phänomen keine durchgängige und leicht zu beweisende Regelmäßigkeit dar.”
“…erweist sich die Synchronizität als ein Phänomen, welches hauptsächlich mit psychischen Bedingungen, nämlich mit Vorgängen im Unbewußten zusammenzuhängen scheint. Mit relativer Regelmäßigkeit und Häufigkeit ergeben sich -experimentell- synchronistische Phänomene bei den intuitiven, ‘magischen’ Prozeduren…”
“Rechnen wir die Synchronizität , beziehungsweise die Archetypen, zu dem Kontingenten, so gewinnt letzeres den spezifischen Aspekt eines Modus, der funktionell die Bedeutung eines weltgestaltenden Faktors hat.” (sic, siehe Plotin, die geistige Hypostase und ihre fundamentale Gestaltungskraft!)

“Sinngemäße Koinzidenzen sind als reine Zufälle denkbar. Je mehr sie sich aber häufen und je größer und genauer die Entsprechung ist, desto mehr sinkt ihre Wahrscheinlichkeit, und desto höher steigt ihre Undenkbarkeit,das heißt, sie können nicht mehr als bloße Zufälle gelten, sondern müssen mangels kausaler Erklärbarkeit als Anordnungen aufgefasst werden. ”

Ich möchte hier dieses ergänzen: Meine eigene Erfahrung zeigt, daß jenseits der Koinzidenz aus einer akausalen Verknüpfung  heraus tatsächlich auch offensichtlich höchst kausale  Koinzidenzen zu bestehen scheinen, die man vorschlagsweise als Synchronizitäten der zweiten Stufe bezeichnen könnte. Diese zeichnen sich dadurch aus, daß sie zwar genauso überraschend und vermeintlich zufällig zusammen zu kommen scheinen, gleichzeitig offenbaren sie aber eine ganz sinnvolle,  Antwort gebende Qualität, die eindeutig mit konkreten vorausgegangenen oder aktuellen Gedanken und Überlegungen  des Betroffenen – diese gerade mit fragendem oder suchendem Charakter-zusammenhängen. Ein Beispiel: Der Schreiber schreibt einen Artikel über die “Monade”, versucht sich diesem recht komplexen Konstrukt gedanklich zu nähern und ist hiermit seitTagen latent befasst. Er kauft sich unabhängig (?) davon ein “Lexikon des Okkultismus”, schlägt nur ein einziges und erstes Mal das Buch auf und trifft sofort eine Seite mit dem Begriff bzw. der Begriffsklärung  “Monade”.
Solche im Kontext einer gedanklichen Auseinandersetzung auftretenden Koinzidenzen fügen dem Jung`schen, zumindest im Grunde seiner Definition – in vermeintlicher   Wahllosigkeit und akzidentiellen Formen agierenden Apriorischen etwas wie  von höherer Hand Geleitetes, Geführtes, sich in personalisiertem oder biographischen Zuschnitt Vollziehendes hinzu, das dem  gesamten Phänomen der Synchronizität die Qualität einer  (eine vermeintliche Kontingenz übersteigende) Numinosität, also ein zugewandtes Tätigsein eines übersinnlichen Agens hinzufügt.

 

Diskretes, Pythagoras, Plotin, C.G. Jung

Konvergenzen:
“Die Pythagoreer bezeichnen die Monade (‘Einheit’)  als Anfang (Prinzip) aller Dinge , aus der Monade aber sei die unbegrenzte Dyade (“Zweiheit”) entstanden, die gleichsam als Materie der Monade, welche Ursache ist, untersteht; aus der Monade und der unbegrenzten Dyade aber kämen Zahlen, aus den Zahlen die Punkte, aus diesen die Linien, aus denen die Flächenfiguren entstünden, aus den Flächen aber die festen Gebilde, aus diesen die sinnlich wahrnehmbaren Körper, deren Elemente vier an der Zahl seine: Feuer, Wasser, Erde, Luft.”(C. Riedweg)

Man kann sagen: Die Zahl ist der (erste) Aspekt der Scheidung zum Existenten, und die Mathematik ist somit die Lehre der eigentlichen Bedingungen  des Daseins.

Für den Neuplatonismus : “Dieses Aus-sich-heraus-Gehen ist ein Gang in die Bestimmtheit und den Bestand. Und die Zahlen sind es, die das aus sich Herausgehende vor dem Zerfließen ins Unbestimmte und Bestandlose retten. Deshalb kann Plotin noch einmal erklären, die ursprüngliche und wahrhafte Zahl sei für die Mannigfaltigkeit des Seienden der beherrschende Anfangsgrund und die Quelle seines Zustandekommens.” (Volkmann -Schluck)
So bilden auch die Körper (nach Volkmann Schluck) Zahlen, da sie aus anzahlhaft bestimmten Mischungsverhältnissen ihrer Elemente bestehen, die ihrerseits wieder durch Anzahlen bestimmt sind.
Diese Bestimmungen können allerdings erst durch die unterscheidenede Tätigkeit perzipierender Bewußtseine zu entsprechender “Welt” bzw. Existenz  aufgefaßt werden. In diesem Sinne auch  C.G. Jung: “Raum und Zeit gehen als hypostasierte Begriffe erst aus der diskriminierenden Tätigkeit des Bewußtseins hervor.”

Pythagoras, Ethik

“Und als er zu den Fischern hinkam, deren Zugnetz noch viel Last aus der Meerestiefe mit sich führte, habe er  (Pythagoras) ihnen vorhergesagt, wie viele sie heranzögen, und die Zahl der Fische bestimmt. Und als die Männer versprachen zu tun, was immer er gebiete, falls es so herauskomme, da habe er befohlen, die Fische lebend wieder loszulassen, nachdem sie diese zuvor genau gezählt hätten. Und noch verwunderlicher war, daß kein einziger der Fische, die während der langen Zeit des Zählens außerhalb des Wassers blieben, sein Leben aushauchten, solange er dabeistand.”
(Alexander Polyhistor)

Nach Christoph Riedweg  sieht hierin “Jamblichos zu Recht einen heidnischen Gegenentwurf zu den christlichen  Evangelien.” Deren Fischepisode besagt, daß sich durch Jesus’  Wundertat die  Netze der Jünger  füllten,  die selbstredend fischten, um sich und das Volk  ausreichend zu  ernähren. 500 Jahre vorher sind wir jedoch bereits mit einer höheren Ethik konfrontiert, einer “buddhistisch anmutenden Achtung gegenüber der belebten Kreatur” (Riedweg). Beide Verfasser,  Pythagoras und Buddha,  formulieren ihren Anspruch ungefähr zur gleichen Zeit. Gemeinsam ist ihnen  die panpsychistische monistische Auffassung eines alles (essentiell ungeteilt) durchwaltenden geistigen und letzten Prinzips, welches  folgerichtig eine Ethik des  Nichttötens und Nicht-Verletzens, also auch die Forderung nach  Fleischverzicht hervorbringen muß.   Für den europäischen Kulturraum gelangte  aber durch  die christlich – petrinische Aneignung und Überwölbung dieser antiken und selbst im Urchristentum vorhandenen- Grundkonstante diese Forderung  nie zur Entwicklung, vielmehr kam sie in ihren Ansätzen zum gänzlichen Erliegen – sieht man von verfolgten gnostisch-häretischen Unterströmungen wie den Katharern ab.

 

Pauli und Kepler, Konvergenz von Wissenschaft und Religion

Wolfang Pauli in seinem sogenannten Mainzer Testament:
“Ich glaube, daß es das Schicksal des Abendlandes ist, diese beiden Grundhaltungen – die kritisch rationale, verstehen wollende auf der einen Seite, und die mystisch irrationale, das erlösende Einheitserlebnis suchende auf der anderen Seite immer wieder in Verbindung miteinander zu bringen. In der Seele des Menschen werden immer beide Haltungen wohnen, und die eine wird stets die andere als Keim ihres Gegenteils schon in sich tragen. Dadurch entsteht eine Art dialektischer Prozeß, von dem wir nicht wissen, wohin er führt. Ich glaube, als Abendländer müssen wir uns diesem Prozeß anvertrauen und das Gegensatzpaar als komplementär anerkennen. Indem wir die Spannung der Gegensätze bestehen lassen, müssen wir auch anerkennen, daß wir auf jedem Erkenntnis- oder Erlösungsweg von Faktoren abhängen, die außerhalb unserer Kontrolle sind und die die religiöse Sprache stets als Gnade bezeichnet hat.”
Hier zeigt sich, daß der Gedanke der Konvergenz freilich nicht als Neuerung der 68′ er Bewegung  (bekanntester Protagonist: Fritjof Capra, “Das Tao der Physik”)  angesehen werden kann  – wie von traditionalistischer Seite gerne behauptet -dies mit  doppeltem Ressentiment sowohl gegen die Wissenschaft schlechthin  wie auch gegen die (heidnische) New Age Bewegung. Kritikabel aber bleibt hier der theistische Turn Paulis, da er den Erkenntnisprozeß  von Außen bewirkt  annimmt, was für einen Wissenschaftler der vom positiven Zuwachs menschlicher Erkenntnis weiß, in gewisser Weise verwundern mag. Schließt  man Größen wie ” Inspiration” oder  “Ingenium” hierfür ein, die zu einer Bewußtseinsprogression durchdringen, so mögen diese zwar als Gnadengabe (wie auch das Talent) erscheinen, – ebenso kann der sogenannte “wissenschaftliche Zufall” als Gnadengeschenk interpretiert werden- und doch würde  so zuletzt eine tiefere Evidenz der inneren Begabung des Menschen zum apriorischen Vermögen  außer Acht gelassen, zumindest aber unnötig abgeschwächt.
Kepler hingegen hatte schon lange Zeit vor Pauli in seinen Erklärungen einen wahrlich platonischen Turn vollzogen :
“Erkennen heißt, das äußerlich wahrgenommene mit den inneren Ideen zusammenzubringen und ihre Übereinstimmung zu beurteilen, was man sehr schön ausgedrückt hat mit dem Wort: Erwachen wie aus einem Schlaf (Meine Anmerkung: Wer denkt hier nicht an Gurdijeff?) Wie nämlich das uns außen Begegnete uns Erinnern macht an das was wir vorher wußten, so locken die Sinneserfahrungen, wenn sie erkannt werden, die innen vorhandenen Begebenheiten hervor (siehe hierzu auch Sloterdijks “Einwanderung von Oben”), so daß sie in der Seele aufleuchten, während sie vorher wie verschleiert in potentia dort verborgen waren.”

 

Mensch, evolutionäre Mittelstellung

Der Mensch – verstanden als Glied in der Kette der Evolution eines explizierten Bewußtseins, das stetig zu sich zurückzufinden und die ganze Stufenleiter, von den niedersten und unbewußtesten Urformen hinauf bis hin zu den höchsten spezialisierten Arten  zu erklimmen hat:  Diese Rückführung der Explikation stellt sich dem menschlichen Bewußtsein als raumzeitliche (geschichtliche) Linie des Aufstieges dar. Würde ein -sagen wir -hochentwickeltes Wesen aus einer 2 Mio. Jahre entfernten Zukunft auf uns schauen, befänden wir uns für dieses auf der ähnlichen Bewußtseinsstufe, wie uns selbst momentan das Bewußtsein eines niedersten Lebewesens erscheinen muß.  Keineswegs  ist der Mensch also -wie behauptet wurde- Krone der Schöpfung,  zwar ist er aktuell  ihr exponiertester Bewußtseinsträger,  doch steht er nicht an einem geschichtlichen Schlußpunkt, sondern seine Verfassung stellt lediglich eine Zwischenstufe in einer viel umfassenderen Gesamtbewegung des evolutionären Prozesses dar. Allerdings kommt dem Menschen hier  durchaus eine besondere Stellung zu: Denn tatsächlich bewegt er sich an der Scheide von körperlichem zu geistigem Sein. Dieser Übergang bildet sich nicht zuletzt physiologisch an ihm ab, und zwar durch seine offensichtliche Befähigung zur Geistigkeit und Bewußtheit, seiner Hirnbiologie und mentalen Verarbeitungsfähigkeit einerseits, und anderseits durch die Rudimentarisierung seiner  animalischen Physis. Er ist so in die  Lage versetzt- und so soll es als sein Auftrag bezeichnet werden- die jetztige Raumzeitlichkeit durch  sich immer weiter entwickelnde Wahrnehmung zu verändern und zu überwinden (dies in stetiger, evolutionärer und globaler Weise),-er ist die einzige bekannte Spezies, der die Möglichkeit gegeben ist, diesen Wendepunkt der Rückexplikation des Materiellen zum Feinstofflichen zu vollziehen.
(Im Gesamtrahmen allerdings ist der Mensch -gemäß des einführenden Satzes-nicht eigentlich Agitator, nicht Subjekt in diesem Prozeß,  sondern vielmehr lediglich Repräsentant der Objektivierung des (kosmischen) Bewußtseins in der Zeit.)

 

Erster Satz der Thermodynamik und Schöpfung

“Der erste Satz der Thermodynamik ist ein Satz über die Energieerhaltung. Er sagt aus, daß Energien ineinander umwandelbar sind, aber nicht gebildet, bzw. vernichtet werden können.” (E.P. Fischer)

Dieser Hinweis von E.P. Meyer  führt zu der Erkenntnis, daß Energie schon immer da war, somit mitnichten jemals ein “Nichts” existiert haben kann. Was bedeutet das aber für die christliche  creatio ex nihilo ?Tatsächlich ist so ja lediglich  eine Umwandlung von Energiezuständen möglich, jedoch keine Hervorbringung dieser  aus einer Leerheit, somit bietet der erste Satz der Thermodynamik ein starkes anti-theistisches Argument.  Um aber den Gedanken der Schöpfung nicht ganz fallenzulassen, bleibt dennoch vorstellbar, daß ein “Gott” in einem  energetischen Transformationsprozeß eine grundlegendere Form  der Energie – deren Koordinator er repräsentiert- in eine sichtbare Verdichtung, also  in das, was wir Materie nennen, verwandelt haben könnte (indem nämlich ein intersubjektiver Perzeptions -und Bewußtseins- und somit Abgriffsmechanismus  -der Mensch! -hierfür bereitgestellt wurde). Dies wäre ein Akt der Entäußerung, den man im weiteren Sinne durchaus als Schöpfung, nämlich als  (Neu-)Schöpfung durch Wandlung-(durch und zur Anschaulichkeit)  bezeichnen könnte;  allerdings stellt dieses  Szenario  wegen der Mittelbarkeit der Weltschöpfung einen gnostischen und nicht theistischen Zusammenhang her. Und ebenso  passender hierfür erscheint Platons Demiurgos – der als Schöpfergott nur über didaktische Evidenz verfügend-  tatsächlich aber die Vielheit (als in Tat versetzte Einheit)  in ihrer formgebenden Gestaltungskraft meint. Zur tatsächlichen Form kommt diese tiefere Seins-Struktur  dann erst im Seelischen, also dem Menschlichen zugeordneten Bereich.
“Der Nus enthält Formen, die in der Seele rationale Strukturen (logoi) vorbringen. Schaut die Seele diese logoi, ensteht die sinnliche Welt.” (C. Turnau)
“Alles lebt und webt durch die Weltseele, bzw. durch die Betrachtung  der geistigen Dinge durch die Seele.” (Otto Apelt)
Die Energie per definitionem  aber  ist immer die  implizitere und tiefste “Form” und bleibt jenseits der Betrachtung  ganz unberührt und gleich, nur die Betrachtungsweisen (letztlich meinen Betrachtungsweisen impliziter Energien  “Schöpfungen”) divergieren – in -und zu- konkretisierten  Welten.