Category Archives: Philosophisches

Atomtheorie und natura naturans

Atomtheorie der Materie, aus einer Vorlesung von E.P. Fischer“Die atomare Welt ist gerade dadurch, daß sie erforscht wird, geheimnisvoll; früher war sie rätselhaft, heute ist sie geheimnisvoll. “
“Das Geheimnisvolle ist es, was an der Wiege wahrer Kunst und Wissenschaft steht .” (Albert Einstein) Werner Heisenberg hat etwa 1924 schon ganz klar gesagt, daß es die Bahnen des Elektrons nur dann gibt, wenn wir sie beschreiben, wenn wir sie beobachten, mit anderen Worten: Das Atom, was wir so darstellen, ist nicht das Atom, was es in der Natur gibt, sondern das Atom, das wir der Natur vorschreiben Naturwissenschaft ist der eigentliche Bildungsprozeß: In dem Moment, wo ich die Natur dadurch verstehe, daß ich sie entwerfe, bin ich gewissermaßen in einem großen Bildungsprozeß gefangen, denn natürlich bringt zunächst einmal die Natur mich hervor, und ich dann die Natur. Das heißt, ich bin die Bildung der Natur, die meine Bildung ist. Dieser Grundgedanke ist ganz wichtig. Ich bin hervorgebrachte und hervorbringende Natur, ich bin natura naturata und natura naturans, ich bin in diesem Kreislauf, in diesem Prozeß drin, ich schiebe mich gewissermaßen zwischen die Wissenschaft und die Natur und lasse sie in dem Moment entstehen, und das ist genau, was ich am Anfang gesagt habe: Naturwissenschaft ist der eigentliche Bildungsprozeß, hier ist es die Bildung schlechthin.”
Legt diese Aussage also den  Stand des aktuellen universitären wissenschaftsphilosophischen  Diskurses dar, so entspricht dies genau meinem in diesem Blog mannigfach umschriebenen Credo von den Konvergenzen  hypostasierter, aber ontologisch verbundener Seinsbereiche und -mit der Beschreibung jener befasst- von den Konvergenzen zwischen Spiritualität und Naturwissenschaft.
C.G. Jung schreibt hierzu  passend in seinem Buch “Synchronizität , Aukausalität, Okkultismus”: “Es scheint, als ob Raum und Zeit in einem Zusammenhang mit psychischen Bedingungen stünden oder als ob sie an und für sich gar nicht existierten und nur durch das Bewußtsein ‘gesetzt’ wären. …An sich bestehen Raum und Zeit aus nichts. Sie gehen als hypostasierte Begriffe erst aus der diskriminierenden Tätigkeit des Bewußtseins hervor.”
Plotin hatte einst  das Ouroboros – artige, sich selbst bedingende (und sich selbst verschlingende)  Wechsel-Prinzip –von natura naturata und natura naturans wie folgt ausgedrückt:
Und das ist das wahrhafte Endziel für die Seele. Jenes Licht anzurühren und kraft dieses Lichtes zu erschauen, nicht in einem fremden Licht, sondern in eben dem, durch welches sie überhaupt sieht!”

 

 

Caspar von Schwenckfeld

Der Reformator und Verkünder einer neuen Innerlichkeit und Wahrhaftigkeit des Glaubens, Caspar von Schwenckfeld, besticht vor allem durch einen Lebenslauf der unerschütterlichen Haltung und Stetigkeit, die er  aller Widrigkeiten und Verfolgungen durch seine Gegner zum Trotz bis zum Tode bewahrte.  Sein Dissens mit Luther ist dabei  Signum eines protestantischen Dilemmas: die Gewichtung der Schrift vor dem Ritus als Unmittelbarkeit durch das  Gotteswort und somit die Abhängigkeit von dessen Evidenz , dabei zugleich die Uneinigkeit über die Auslegung, und fundamentaler noch: gar die Uneinigkeit bezüglich der korrekten Übersetzung der Textquellen.
Schwenckfelds  Einfluß reicht auf den Pietismus, die Quäker und Jakob Böhme. Kernpunkte der Lehre sind gar mit denen der Quäker identisch: Die Lehre nämlich vom inneren Licht, Leben und Wort, das Zurücktreten der Vermittlung durch Riten oder Zeremonien, die neue Geburt des Menschen durch den heiligen Geist, die besondere Kritik an Taufe und Abendmal, denen man die Bewirkung der Präsenz Gottes abspricht.
So wichtig all dies auch damals angesichts einer dogmatisch erstarrten Kirche erscheint (Nietzsche z.B.  drückte die fehlende Unmittelbarkeit  viel später wie folgt aus – was indes einen Hinweis  auf das letztendliche  Scheitern der Reformation gibt: “Der Buddhist handelt anders als der Nicht-Buddhist, der Christ handelt wie alle Welt und hat ein Christentum der Cermonien und der Stimmungen.”
-Schwenckfeld setzt ja genau hier an, so diente der Weg seiner  Innerlichkeit der Erneuerung einer erneurungswürdigen Kirche, um dieser neue Glaubenstiefe, neue Kraft zu spenden.  Auch die Zurückweisung politischer Allianzen zwischen Kirche und Staat sowie die Forderung von Religionsfreiheit müssen zu seiner Zeit außerordentlich geklungen haben –   so bleibt  Schwenckfelds “Weg der Mitte ” doch  ein Weg der  unterwürfigen Frömmigkeit, der  Bitte und Demut an den  ganz anderen und geschiedenen Gott. Ein Weg , der die Mauern der Kirche nie verlassen mag.  So fußt alles auf der Bibel (die neue Innerlichkeit ist erfülltes Schriftwort), kein Schritt zur (heidnischen) Antike, kein Schritt über die Bibel hinaus, gar kein Zweifel an ihr wird in Erwägung gezogen, -dafür fruchtloser Streit und theologische Haarspalterei über deren Inhalt -dies ist eine “Innerlichkeit” abseits der Traditionslinie und den Implikationen der mittelalterlichen Mystik nach Meister Eckhart oder  Tauler – deren  (ursächlich stoische) Betonung der wesensgleichen Teilhabe am Göttlichen ist mit der schwenckfeldschen Proklamation eines inneren Lichtes wohl nicht gemeint  -ganz anders als bei seinem  (ihn weit überragenden) Zeitgenossen Thomas Müntzer, der Eckhart über Tauler gerade in dieser Hinsicht tief rezipiert und verinnerlicht hat.
Somit mag anhand eines weiteren Nietzsche-Satzes Schwenckfeld in eine Generalkritik an der Reformation mit eingeschlossen sein:  ” Die Renaissance, diese Wiederauferstehung des eigentlichen Menschen hat das Christentum -durch die Schuld Luthers- zu einem Umsonst werden lassen.
Argumentiert man hingegen von kirchlicher Warte aus, wie etwa Paul Gerhard Eberlein in seinem Werk über Schwenckfeld, kommt jenem  folgender Verdienst zu:
 ” Müssen wir Schwenckfeld nicht zustimmen mit dem Vermächtnis an seine Weggenossen, daß es beim Bauen der Kirche auf den Geist ankommt? Gehört nicht auch heute zur Lebendigkeit einer vom Geist geleiteten Kirche die Gabe der Unterscheidung der Geister im Sinne Schwenckfelds, der den Auschluß `nicht ernsthafter Christen” vom Abendmahl und den geistlichen Ämtern forderte? ”
Hier allerdings ist Schwenckfeld noch unserer Zeit voraus, denn in der Tat stellt das Christsein qua Geburt ja bis heute die eigentliche und grobe Verfälschung und Verwässerung der Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der  Kirche und des Bekenntnisses dar. Tatsächlich nehmen überhaupt nur etwa zehn Prozent der Getauften  regelmäßig am  Gottesdienst teil, was Aufschluß geben mag   über die Authentizität ihrer  wahren Überzeugung.
Völlig treffend  in diesem Sinne auch Arthur  Schopenhauer: “Wenn die Welt erst ehrlich genug geworden sein wird, um Kindern vor dem 15ten Jahr keinen Religionsunterricht zu erteilen: dann wird etwas von ihr zu hoffen sein.”
Vielleicht liegt das eigentliche Vermächtnis Schwenckfelds darin, daß er den Finger in diese Wunde legte und eine Katharsis einklagte, die bis heute als Forderung bestehen mag, weil sie eben bisher nie eingelöst wurde.

 

Richard von St. Viktor, Trinität

“In der heutigen Theologie wird von den Lehren Richard von St. Viktor insbesondere die Trinitätstheologie herangezogen, die er in seinem Werk De Trinitate vorlegt. Sein Konzept der Dreieinigkeit orientiert sich am Modell der interpersonalen Liebe. Anders als Augustinus und die ihm folgende Tradition sieht er die Dreiheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist dabei nicht in Parallele zur Dreiheit von Liebendem, Geliebtem und dem Band der Liebe, das die beiden verbindet, sondern in der Dreiheit von Liebendem, Geliebtem und „Mitgeliebtem” (condilectus). Dabei argumentiert er so, dass in der göttlichen Liebe, um vollkommen zu sein, der Liebende mit dem Geliebten alles teile, mithin auch seine eigene Göttlichkeit, weswegen Gottvater und Gott der Sohn gleichermaßen Gott seien. Zugleich könne die vollkommene Liebe nicht in der Zweisamkeit stehen bleiben, sondern müsse sich vorbehaltlos einem Dritten, dem Heiligen Geist als Mitgeliebten öffnen, um so zur Vollendung zu kommen.” (Wikipedia)
Joseph Schmidt:”Der Geist ist derjenige in der Liebe, auf den hin sich die Liebe öffnet. Liebe will sich weiter mitteilen und schafft so Raum für den dritten. Von Liebe kann nach Richard von St. Viktor erst dann gesprochen werden, ‘wenn die Neigung der Beiden in der Flamme der Liebe zum Dritten ununterschieden zusammenschlägt.’ ”
Auch wenn es sich hier um eine Pneumatologie Richards handelt, verweist Joseph Schmidt darauf, daß diese Liebe das Urbild und Ideal auch der menschlichen Liebe meint. So bedeutet Liebe Hingabe und gleichzeitig  Öffnung, nämlich  “Hingabe an den Anderen und Öffnung zum Dritten.”
Eine Parallele zur Kabbala (Interessanterweise war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der ersten grundlegenden Schrift der Kabbala, der  Sefer ha Bahir, St. Viktor bereits verstorben):
“Die mystische Lehre im Judentum, die Kabbala, …Die Vereinigung von Mann und Frau wird als ein Mittel zum Erreichen von Transzendenz gesehen, die Füllung der Seele durch das Licht des Schöpfers.” (Wikipedia)
Die entscheidende Voraussetzung  für diese “Füllung der Seele”  aber ist die Ausrichtung, die Projektion  der liebenden und sexuellen Energie  Zweier auf  das Göttliche, auf Gott.
Schmidt : “Liebe sprengt die Exklusivität. Sie ist ist zugleich exklusiv und inklusiv und sich öffnend. Das Vorbild dafür ist Gott selbst in seiner Personalität, die zugleich Interpersonalität ist.”
Von St. Viktor geht in “de trinitate” von der Person als ‘Existenz”‘als ‘Substantiell von einem anderen her sein’ aus. Der andere ist Gott. Dies führt zur Interpersonalität, Personen sind Beziehungen, die Tiefe der Personalität ist Einheit von  In-Beziehung.
Spricht Schmidt vom Dritten als Freund oder Kind (einer Verbindung), trifft sich dies mit der Kabbala im  Drang zur Transzendierung des partnerschaftlichen Erlebens- in der tiefen Gewißheit des interpersonalen Aspektes der Liebe-  über die personale Begrenztheit der Zweiheit hinaus.  Das Wesen der Liebe selbst (übrigens äquivalent zu Plotins Konzeption des Einen) ist das Überfließen. In die  menschliche Lebenswelt übersetzt,  ist  zum Überfließen “der Dritte” vonnöten.
Zur Erweiterung des Liebesbegriffes und der  eigentlichen Grundlegung dieses Gedankens gerade auch Plato:
“Nach der platonischen Theorie ist es ein Hauptmerkmal des Eros, dass der Liebende in sich einen schwerwiegenden Mangel verspürt. Daher strebt er intensiv nach etwas, was diesen Mangel ausgleichen könnte und aus diesem Grund zum Objekt seiner Liebe wird. Das Liebesobjekt will er erlangen, er möchte sich mit ihm verbinden oder es sich aneignen. Wenn der Liebende aber Philosoph ist, begnügt er sich nicht mit der einzelnen Person, die zunächst seine erotische Begierde erregt hat, sondern versucht das, worauf es hier eigentlich ankommt, zu erfassen. Er erkennt, dass seine Sehnsucht letztlich nicht dem Individuum als solchem gilt, sondern etwas Allgemeinerem, das in einzelnen geliebten Personen verkörpert ist und deren erotische Attraktivität ausmacht.”(Wikipedia)

 

Platon, der Inder

“Platons Verleumdung des Körpers: ein fremder Tropfen im griechischen Blute. (W. Nestle)

“In der Tat bedeutet das Werk Platons, das einerseits die bisherige griechische Philosophie zusammenfaßt, zugleich einen Schritt über diese hinaus, ja einen Bruch der bisherigen Überlieferung des griechischen Volkes. …Platon gehört zu den seltenen Menschen, die mit dem Ewigkeitsgedanken vollen Ernst machen…Damit muß aber, wie wir schon bei den indischen Upanishaden gesehen haben, eine Abwertung des Sinnlichen notwendig Hand in Hand gehen.” (H.J. Störig)
“Mit der Erweiterung des Zeitbegriffes um unermeßliche Zeiträume vor und nach der irdischen Existenz mußte bei den Buddhisten die naive Einstellung zum Leben einer kritischen Platz machen. Etwas ähnliches läßt sich auch im Abendlande beobachten: für die Griechen der Frühzeit war das Leben ein höchstes Gut, nur wenig beschäftigte man sich mit der unendlichen Zeit… Für …Plato ist hingegen das irdische Leben nur ein kurzer Abschnitt innerhalb des Gesamtdaseins eines Individuums, ihm kommt daher nur ein bedingter Wert zu.” (Glasenapp)
“Die indische Philosophie ist idealistisch. Aber dies läßt sich nur in abendländischer Diagnose so aussagen. Ihr idealistischer Grundzug läßt sich verstehen und entspricht der Rolle der platonischen und neuplatonischen Philosophie im Abendland. Und diese Gemeinsamkeit dürfte zugleich auch das gemeinsame indo-arische Erbe verkörpern und zum Ausdruck bringen. Der indische Idealismus ist zugleich monistisch, indem er alles Verschiedene als Einheit begreift und die Unterscheidung als solche diskriminiert. Dies wird besonders in der Advaita-(nicht-Zweiheit) Philosophie ausgesprochen.Dies entspricht der Position eines Parmenides: Dasselbe Eine ist das Sein und das Denken, das Vielfältige aber ist nichtiger Schein. Man weiß, in welchem Maße Platon dieses parmenidische Programm rezipiert hat.” (Vorlesungen an der HHU Düsseldorf, Lutz Geldsetzer)
“Die platonische Philosophie allein, diese sorgfältigste Sammlung der verborgenen Systeme Alt-Indiens… Dieser größte Philosoph der vorchristlichen Ära spiegelte in seinen Werken getreu den Spiritualismus und die metaphysische Ausdrucksweise der wedischen Philosophen.” (H.P. Blavatsky)

 

Christen, kampflos ergeben, Nietzsche

Betrachtet man die aktuelle politische Lage und die Positionierung der Kirche zu den Herausforderungen, die sich durch konkurrierende und raumfordernde  theistische Konzepte zunehmend aufdrängen, läßt sich hierfür grundlegend die Beschreibung der christlichen Haltung (die letztlich aufhört, Haltung zu sein) durch Nietzsche heranziehen (freilich unter der Ausblendung der Geschichte der politischen kriegerischen Implikation der christlichen Mission).  Eine wahrlich treffende Erklärung zum kirchlichen Appeasement:
(Karl Jaspers über Nietzsche)
“Für das Tun des Seligen ist das Charakteristische : er geht an der Welt vorüber, oder er geht unbetroffen durch die Welt hindurch. Machen wir die Consequenzen dieser Grundhaltung klar, wie Nietzsche sie entwickelt: Es gilt einerseits: nirgends Widerstand leisten. Nichts wird verneint, alles wird bejaht. Solche Haltung nennt Jesus Liebe. Sein ‘Leben in der Liebe ohne Auschluß, ohne Distanz.’ bedeutet, daß ihm alles gleicherweise nah ist: er macht ‘keinen Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden’. Diese Liebe ist wahllos zu jedem Nächsten bloß als zu diesem grade Gegenwärtigen Anwesenden. Sie ‘schätzt niemanden gering’. Doch dieses Nichtwiderstehn der Liebe beschränkt sich nicht auf das Übersehen aller Unterschiede. Der Christ kämpft nicht, auch nicht, wenn sein Dasein bedroht ist. ‘Ein solcher Glaube zürnt nicht, tadelt nicht, wehrt sich nicht:er bringt nicht das Schwert. Der Christ leistet ‘dem, der böse gegen ihn ist, weder im Wort noch im Herzen Widerstand’ “.

 

Mangel des Menschen, Nietzsche

Karl Jaspers: “Nietzsche leidet am Menschen in einem Grade, daß er für Augenblicke in der ‘schwärzesten Melancholie’ versinkt. Der Mensch ist im Gegensatz zu den Tieren, deren jedes in seiner Wohlgeratenheit einem feststehenden Typus gehorcht ‘das noch nicht festgestellte Tier’, darum in der Unbestimmtheit seiner Möglichkeiten, in seiner Unterschiedenheit schon als sein bloßes Dasein wie eine Krankheit der Erde.
Doch dieser Mangel des Menschen ist gerade dann seine Chance. Er ist noch nicht, was er sein kann; er ist mißraten, aber er kann noch alles werden.”
In der Tat muß die Bestimmung des Menschen außerhalb eines offensichtlichen und mit der hiesigen Existenz verkoppelten Zustandes angenommen werden, der lediglich zum Scheitern bestimmt wäre, sonst könnte der Mensch nicht  ein “Darüberhinaus” vermuten und suchen,  nicht dorthin streben,  sich nicht dorthin denken. Dieses -optimistische- “er kann noch alles werden”  Nietzsches erstrebt die übermenschliche, und somit aber konsequenterweise transzendente Perspektive.  Ein “Menschsein  an Sich”, in Anlehnung an das kantische Ding an Sich,  eine  vor bzw. über den Sinnen liegende Außensicht, die mit zunehmender Einlassung aber -je nach Blickwinkel  – neuplatonische  oder quantenphysikalische  Gestalt gewinnt: ein  Bild eines außerhalb des subjektiven, raumzeitlichen und kausalen Für Sich Seins, ein Sein jenseits  der bekannten körperhaften personalen Identität.
Daher ist die Frage nach der eigentlichen Bestimmung eine elementare und gilt für die Biographie in toto, was zugleich die Nicht -Bestimmtheit und Unabgeschlossenheit zum lebenslangen Begleiter werden läßt. Von diesem dauernden Zustand der Unsicherheit und Unklarheit aus soll  der Mensch  zu Überwindung und Konsolidierung  finden, diese liegen aber stets über seiner subjektiven Existenz (somit über der Schwelle des Todes), daher das Erkennen der unklaren Kontur  eine existentielle   Skepsis gegenüber dem eigenen Stand und Verfasstsein ist und notwendigerweise auch zur Skepsis gegenüber jeder von außen  herangebrachten Aussage über raumzeitliche Bestimmung  führen muß.  Die grundlegende Haltung hierzu wird die Negation.  Die Preisgabe der Frage nach der Bestimmung, das Sich Wähnen im Abgeschlossenen (personal, wie evolutionär und global /was z.B. Signum der christlichen Auffassung ist) , die in der Regel   in der Nicht-Reflektion über die Bestimmung fußt, ist nicht zu halten , weil sie auch die Preisgabe der individuellen biographischen Möglichkeit bedeutet, bzw. ein Sich – falsch -Verhalten gegenüber der Anforderung des Seins selbst darstellt.
Existenz, Wahrheitsgewinn  und  überpersonaler  Telos können  nur  über  kritische Hinterfragung der Seinsfaktoren, über autarke Lernprozesse  und “aufsteigende” Integration der  in der Komplementarität der vom bloßen Dasein zum Über-Sein fungierenden Faktoren ihrer eigentlichen Funktion nach erfasst werden. Die Inkarnationen eines Menschen bieten hierzu die Möglichkeit.
Nietzsche hingegen  vollzieht eine solche Synthese ” zum Eigentlichen” an keiner Stelle.
Karl Jaspers: ” Er gewinnt nicht die Ruhe einer Wahrheit .. .wird nihilsitischer Zersetzer, dann wie ein Pathetiker und Prophet- und verwirft doch selbst dieses alles, will es gerade nicht sein, sondern überwinden. Aber wohin überwinden? Das bleibt für immer dunkel. Denn die Spannung nahm gegen Ende nur noch zu und das letzte Wort ist von ihm nie und nirgends gesprochen.”

 

Herkunft des Bösen

Ein  Bericht einer Nahtoderfahrung mag eine elementare Einsicht über das Problem  offenbaren, warum das Böse in der Welt ist.  Die Antwort auf diese quälende wie komplexe  Frage, die im beschriebenen Falle dem Betroffenen (angeblich) von einer spirituellen Entität offenbart wurde, ist dabei entwaffnend einfach und lautet wie folgt:  ‘Das Böse ist in der Welt, weil ihr Menschen es so wollt’. Zugleich mag diese Antwort nicht befriedigen, da doch der eine viel eher  zum Bösen neigen mag wie der nächste und wieder andere sich gar darin versuchen, dem  Bösen vollends zu entsagen, während noch ein Anderer sich durchaus  mit Vorsatz und Vorliebe dem Bösen bedient.  Und doch ist hier der Einwand berechtigt, der besonders gut  mit Plotins Lehre von der (Re-)Inkarnation her formuliert  werden kann, nach der die Seele des ihr gemäßen Entwicklungsstandes ihre entsprechende Verkörperung  (nun expliziert in der Zeit und so in einer Stufe der Emanation in individuellem Verhältnis zur Gottesnähe oder -ferne ) selbst auswählt, um  so ihre Verfasstheit sinnvoll in der Kette der Wiedergeburten weiterzuentwickeln. Aus diesem Satz folgert die nur ungern akzeptierte Erkenntnis, daß der Mensch per se,  bei aller Verschiedenheit,  im Sinne des Wortes global  betrachtet,  in der Tiefe seines Seins  über  wesentlich verbindende Merkmale verfügt, (da er sonst eben nicht mit den Anderen zusammen inkarniert wäre), und daß es sich hier um die Klammer  des Defizitären, des  annähernd unumstößlichen Defektes handelt, der sich besonders in der Weise zeigt, die Alexander Solchenyzin in folgendem Satz sehr treffend  zum Ausdruck gebracht hat:
“Aber der Strich, der  das Gute vom Bösen trennt, durchkreuzt das Herz eines jeden Menschen. Und wer mag von seinem Herzen ein Stück vernichten?”

Christliche Symbolik, Leidenspose und Verhaftung

In seiner Symbolsprache ergeht sich das Christentum endlos in der Leidenspose Jesu – im Antlitz des Schmerzes,  der Agonie, der Niederlage, des gesenkten Hauptes und der  blutenden Kreuzesmale, obwohl der eigentliche, der ganz fundamentale Sinn  der Inkarnation Jesu doch durch den Triumph und die Freude der  Auferstehung bestimmt  ist. Ihre Botschaft:  Der Tod ist lediglich als Übergang in das eigentliche, das wahrhafte Leben zu verstehen, als Vorgang, der angesichts des Sieges  über ihn relativiert wird; er verliert seinen Schrecken, ist gar  ohne Bedeutung, auch im höchsten Leiden ertragbar, soll gar nicht von Interesse sein. Es scheint aber christlicher Wunsch, diese Darstellung bereitwillig der Schmerzens -und Sterbepose unterzuordnen, was eine Diesseitssorientierung (und ein besonderes Interesse am Leiden) verrät, die als Motiv über das Unverständnis der Bedeutung des Todes bereits in vorchristlicher Zeit im sokratischen “Was weinet ihr, ihr Frauen?” zur Erörterung kommt- als der zum Tode verurteilte Sokrates den giftigen Schierlingsbecher ansetzt.  Hierzu ein Zitat von Karl Jaspers über den ganz frühen Nietzsche: “Gegen den  aus der christlichen Anschauungsweise entsprungenen Weltschmerz heißt es: er sei nichts als ein Versagen an eigener Kraft, sei ein Vorwand der Schwäche, die sich nicht mit Entschiedenheit selbst ihr Los zu schaffen vermöge.” Somit legt man ganz das Gewicht auf die Niederlage, das passive Erdulden,  die diesseitsgebundenen Klage.
Das weitere Symbol: Die Frau mit dem Kind. Das Mutter – Kind Verhältnis steht wie kein anderes für die Einsenkung in die Materie, das Kind und die anschließende Menschwerdung als solche für die maximale Verhaftung im Weltlichen. Die Verstetigung dieses anthropozentrierten Gestus kommt in der Heiligendarstellung zu endloser Ausschmückung, dabei ist die Frage nach dem “Wie” der Fleischwerdung Jesu prinzipiell ohne Belang, und die Jahrhunderte währende theologische  Auseinandersetzung  über die tatsächliche Beschaffenheit seines Leibes zeigt die ganze Sinnlosigkeit eines Disputs in der Verkennung  der eigentlichen Intention seiner Inkarnation,  nämlich daß er als Lehrer schlicht nach Mitteilungsfähigkeit, sprich raumzeitlicher Präsenz verlangt, um so in der Lebenswelt des Menschen seine entscheidende Botschaft über bzw. aus  aus einer anderen (höheren) Wirklichkeit  zu übermitteln, die eben -und das ist der ganze Auftrag- zur  erweiterten Erkenntnis über den Telos zu einer Eigentlichkeit des Seins – jenseits  der getrübten Wahrheit der Welt- führen soll. Dies ebenfalls ganz parallel zur  Geschichte von Sokrates: Das eigentliche Leben wird erst jenseits des fleischliches Todes (“was wir Sterben nennen” sichtbar. Platon “Die echten Philosophen üben sich im Sterben. Sterben heißt, initiiert zu werden.”

 

 

Plotin und diskrete Raumzeitlichkeit

Volkmann -Schluck, Plotin als Interpret der Ontologie Platos:
“Plotin verwandelt so den griechischen Nous in den nach einem Selbstentwurf sich in die Fülle seiner selbst entfaltenden “Geist”, welcher die Totalität aller Ideen ist.

Dieses Aus-sich-heraus-Gehen ist ein Gang in die Bestimmtheit und den Bestand. Und die Zahlen sind es, die das aus sich Herausgehende vor dem Zerfließen ins Unbestimmte und Bestandlose retten. Deshalb kann Plotin noch einmal erklären, die ursprüngliche und wahrhafte Zahl sei für die Mannigfaltigkeit des Seienden der beherrschende Anfangsgrund und die Quelle seines Zustandekommens.”
Die Zählung nämlich führt zur diskreten Menge,  durch “Abzählen” wird das Unbestimmte benannt, “fixiert”, Unterscheidung eingeführt. Das Raumzeitliche ist tatsächlich kein Kontinuum, bringt aus sich selbst gar keine Stetigkeit hervor, sondern entfaltet sich dem Wahrnehmenden (und im Wahrnehmenden) viel mehr durch eine “Rasterung”  von Zuständen, die aufgrund der Trägheit der Perzeptionsorgane aber ein Kontinuum vorspielen. Somit ist das Raumzeitliche als Abbild -oder besser als zählbare Umsetzung von etwas ganz Anderem, Tieferliegendem – zu betrachten, keineswegs aber als das Sein selber. Die  Korrelation  zum Konzept der  impliziten und expliziten Ordnung (David Bohm) sowie  zum indischen  Brahman und Atman liegt hier auf der Hand. Die gesamte Körperwelt bezeichnet eine diskrete Menge aus der Entnahme einer die eigentliche Wirklichkeit darstellenden Einheit:
So bilden auch die Körper (nach Volkmann  Schluck) Zahlen, da sie aus anzahlhaft bestimmten Mischungsverhältnissen ihrer Elemente bestehen, die ihrerseits wieder durch Anzahlen bestimmt sind.” Plotin entfaltet hier ein Beschreibungsmodell für die  Explikation einer tieferen Seinsebene, die den Vorzug hat, daß sie mit der modernen Wissenschaft konvergieren kann und so mit Fortschreiten wissenschaftlicher Erkenntnis – eben ganz anders als die  theistischen Offenbarungssysteme-an Evidenz gewinnt. Daß diese grundlegende Annahme  über diskrete Mengen der Raumzeitlichkeit  freilich auch aus dem indischen Kulturraum heraus formuliert wurde, zeigen z.B. Konvergenzen  zwischen der Diskretheit von Zeit  in der modernen Physik und im Jainismus auf.

 

Plotin, Seinsverlust

Volkmann -Schluck, Plotin als Interpret der Ontologie Platos:
“Die Explikation des Einen ist nur durch die Nebeneinanderstellung in Zeit und Raum möglich. Demnach ist Zeitlichkeit und Räumlichkeit der Betrachtung einzelner Aspekte förderlich, hindert aber durch die Manifestation die Betrachtung des Einen. … Solches Hinausgehen in das Außereinander des Hier und Dort scheint nur das umfassendere Leben zu sein. In Wahrheit ist dieses Leben im sich zerstreuenden Sichvergehen an das Außereinander ein fortgesetzter Selbst-und Seinsverlust. “

Im Nous ist die völlige Einsheit als auf sich selbst Bezug nehmende und sich ergänzende Vielheit expliziert. Nähert sich die Seele  -indem sie zu Bewußtsein über sich selbst kommt- dieser Hypostase, fasst sie sich so zunehmend als anteilig am zueinander Bezogenen – auf das Eine verweisende- der Vielheit, und so in der Eigentlichkeit ihres eigenen und einen  Wesens auf. Diese Auffassung muß parallel in der Raumzeit als durch die Perzeption  gebrochen Nebeneinanderliegendes sichtbar werden. Mit zunehmender Einsenkung in den Nous muß demnach die Beziehung aller Ereignisse auch in der  raumzeitlichen Wahrnehmung als Ableitung dieses Zusammenhanges erschließbar werden und ihrerseits Rückschluss auf den Nous bieten.  Da es die Betrachtung selbst ist, die die Einzelaspekte hervorscheinen läßt, liegt es im Ermessen des Betrachtenden, den Seinsverlust durch die Veränderung der Betrachtung aufzuheben, indem die Betrachtung sich auf das Verbindende richtet (Karl Jaspers: “Wahr ist was verbindet”)  und die zeitlichen und räumlichen Aspekte überschaut bzw. indem sie “durch die Dinge hindurch”  ihr wahres Wesen betrachten kann, wodurch  gleichzeitig eine Wahrheitssteigerung evoziert wird. Dies ist zuletzt eine Frage der geistigen, aber insbesondere auch der organischen Anatomie.
Hier schließt sich möglicherweise ein Widerspruch an, nämlich zwischen dem Telos der evolutionären Prozesse, der die Spezies in der Raumzeit  einem allmählichen Wiederaufstieg durch die Emanationen zurückzuführen gewillt ist, (durch fortlaufende Inkarnation) und andererseits einer Verstetigung der Arten durch evolutionäre Diversifikation ( “Das Naturhafte ist von dem Nous, dem Ort der Eide selbst, bereits so weit entfernt, daß es dem Eidos, also sich selbst, immerfort schon entgleitet und sich nur durch unaufhörliche Hervorbringung von wesensgleichen einzelnen in sich selbst halten kann.”) Das Proklamat zur Verhinderung der Verstetigung (der Arten) bzw. der Lösung des Seins vom Spezifischen,  ist letztlich -und dies ist auch der eigentliche Zweck der gesamten globalen Evolution- durch die Erlangung des Bewußtseins, das in die Lage versetzt ist, sich über die Form zu erheben,  zu gewährleisten.