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Ding als Symbol und Fichte

“Der Mittelpunkt des Lebens ist allemal die Liebe. Das wahrhaftige Leben liebet das Eine, Unveränderliche und Ewige; das bloße Scheinleben versucht zu lieben …das Vergängliche in seiner Vergänglichkeit. Jener geliebte Gegenstand des wahrhaftigen Lebens ist dasjenige, was wir mit der Benennung Gott meinen, oder wenigstens meinen sollten; der Gegenstand der Liebe des nur scheinbaren Lebens, das Veränderliche, ist dasjenige was uns als Welt erscheint, und was wir also nennen. Das warhaftige Leben lebet also in Gott, und liebet Gott; das nur scheinbare Leben lebet in der Welt, und versucht es, die Welt zu lieben.Von welcher besonderen Seite nun eben es die Welt erfasse, darauf kommt nichts an; das, was die gemeine Ansicht moralisches Verderben, Sünde und Laster heißt, mag wohl für die menschliche Gesellschaft schädlicher sein und verderblicher, als manches andere, was diese gemeine Ansicht gelten läßt, und wohl sogar löblich findet: vor dem Blicke der Wahrheit aber ist alles Leben, welches seine Liebe auf das Zufällige richtet und in irgendeinem anderen Gegenstand seinen Genuß sucht, außer in dem ewigen und unvergänglichen, lediglich darum, und dadurch, daß es seinen Genuß in einem andern Gegenstande sucht, auf die gleiche Weise nichtig, elend und unselig.”
(Fichte, Die Anweisung zum seligen Leben, S.345)
Die Dinge: Gibt es hier eine andere Sicht, einen Ausweg aus der Nichtigkeit, ja Verwerflichkeit der Anhaftung an dem Weltlichen? Ja, wenn die Dinge als endlicher Hinweis auf ein Geistiges verstanden werden, -gemäß meinem Artikel von der Ästhetisierung des Raumes- so werden die Dinge zu einer ästhetischen Gemahnung an das Ewige, zu seinem Hinweis, ja sie gereichen sogar zur Teilhabe oder Beförderung, zur Hin-und Überleitung nach dem Höheren, denn das Höhere ist das Geistige und die raumzeitliche Abbildung ist seine Verdinglichung und Verdichtung und stellt also in dieser Blickrichtung auf das Geistige, in diesem Sinne verstanden, keinen Bruch zum Geistigen dar, sondern ist im Gegenteil sogar seine sichtbare (wenn auch geminderte) Affirmation (weil schließlich nichts außerhalb zu denken ist und der Geist allem immanent ist); so besteht ein Kontinuum in verschiedenen (graduellen) Ansichten, das mit sich selbst interagiert und so auch das Dingliche von der materiellen auf die geistige Welt wirken läßt. Die Dinglichkeit wird so zu etwas, was nach dem Gemeinsamen und Übergreifenden, in anderen -und höheren – Welten ebenfalls Gültigen sucht. Liest sich dies nicht wie das Hauptanliegen des Symbolismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der ja die Welt und deren Aspekte nur als Symbole einer tieferen Wirklichkeit sieht und entsprechen darstellen will?
Bezogen auf Menschen oder Lebewesen allgemein: Diese, als Repräsentanten des (fragmentierten) Einen, können als Symbol oder Zielpunkt zur Überwindung der Zersplitterung in eine (körperliche) Vielheit und so als “Angelpunkt” zur Rückleitung in die Einheit gedacht werden. Stets aber muß ein Bewußtsein der Endlichkeit und Un-Komplettiertheit(respice finem) in der Zuwendung zur anderen endlichen Entität vorhanden sein. Dies meint das Bewußtsein zur Einordnung dieses Verhältnisses in den höheren Bezugsrahmen und das Bewußtsein der Begrenztheit der Körper durch Raumzeitlichkeit (der auch der Tod angehört.)

Heilslehren, säkular

“Moses Hess konnte mit den Zügen von Karl Marx nicht in Frieden leben, deretwegen Heinrich Heine ihn seinen ‘verstockten Freund” genannt hatte, mit dem rücksichtslosen Amoralismus, der in den Dienst menschlicher Erlösung gestellt war und den Lenin später seiner bolschewistischen Theorie einverleibte. ” (Yirmiyahu Yovel)

Werner Heisenberg sagte während der Weimarer Zeit:  “Ich glaube daher, daß man eine politische Bewegung nie nach den Zielen beurteilen darf, die sie laut verkündet und vielleicht auch wirklich anstrebt, sondern nur nach den Mitteln, die sie zu ihrer Verwirklichung einsetzt. Diese Mittel sind leider bei den Nationalsozialisten und bei den Kommunisten gleich schlecht, sie zeigen, daß auch die Urheber nicht mehr an die Überzeugungskraft ihrer Ideen glauben, daher kann ich mit beiden Bewegungen nichts anfangen, und ich bin zu meinem Kummer überzeugt, daß aus beiden nur Unglück für Deutschland herauskommen kann.”

Worin liegt das Ungangbare und schließlich das Unglück Bringende  der Verwirklichung  säkularer Heilsvorstellungen?   Es existiert eine zwangsläufige  Inkongruenz von Bewußtsein und Befähigung der Menge zur  eingeforderten gesellschaftlichen (und also auch individuellen) Entwicklungsmöglichkeit und -geschwindigkeit , die nur über eine evolutorische Diskontinuität (setzt man überhaupt die Möglichkeit  zu einer globalen  Progression voraus), über einen “verordneten Sprung”  kompensiert werden kann,  es kommt zu Umbrüchen, zur Revolution – das Rücksichtslose, das Gewaltsame liegt dabei  eben in der Übergehung der Notwendigkeit des  Schritthaltens des sich geschichtlich entfaltenden Subjektes mit seiner eigenen Anlage zur Entfaltung, was meint, daß nun Veränderung nicht mehr aus sich heraus vollzogen und erklärbar wird und daher  vielmehr als Resultat  nicht oder nur unvollständig integrierbarer Verordnung denn  evolutorischer,  innerer Notwendigkeit zur Verwirklichung kommt. (Sieht man einmal davon ab, daß  grundlegender noch  das Gewaltsame in den Proklamationen selber liegt, da diese den menschlichen Telos einer willkürlichen Prozedur und  unbewiesenen, verkürzten Zielsetzungen unterwerfen).

Und ein Wort zum inneren Verhältnis von Offenbarungsreligion und säkularer Heilslehre:
Nicht der Krieg, aber der Widerstreit (ist nach Heraklit, dann Hegel) der Vater aller Dinge. Aufgehoben sein kann der Widerstreit nur an einem hypothetischen Endpunkt der Geschichte. Diesen erwarten und erhoffen die Offenbarungsreligionen seit einigen tausend Jahren (vergeblich bisher). Und das säkulare Derivat der Offenbarungsreligionen, der Sozialismus, zeigte sich nun also weniger geduldig und beschloss daher, die Erlösungsung zu forcieren (man hat es ja nun selber in der Hand). Dies erklärt auch, warum er keinen Widerspruch zulassen kann. (Gemeinhin bekannt auch als ‘Der große Sprung’ – Über die Dialektik hinweg .)

Spinoza und Jainismus

Mit folgender Aneinanderreihung des Erlösungsgedankens bei Spinoza sowie in der Philosophie des  Jainismus wird die Nähe der beiden Systeme deutlich. Beide sind als zutiefst gnostisch beschreibbar und proklamieren eine ‘Durchdringung’ als Weg der Überwindung zu einem  Totalsein, das eine Erlösung im Immanenten und dabei eine Erhebung bzw. Überwindung oder Transzendierung des Immanenten meint. Beiden gemein ist ebenso eine Ethik, die aus Erkenntnis erwächst.
Yrmiyahu Yovel über Spinoza: “Dieses Innere zu verstehen ist keine unmittelbare mystische Offenbarung, sondern basiert auf diskursiver, mechanistischer Wissenschaft. Was ich unmittelbar bewußt als mein innerstes Selbst fühle, ist nur eine verzerrte Idee meines Körpers unter dem Einfluß äußerer Ursachen. Daher muß ich, um Selbsterkenntnis zu erlangen, nicht mein unmittelbares Selbstbewußtsein entwickeln, vielmehr muß ich es als eine Form der imaginatio gerade auschalten.Wahre Selbsterkenntnis beginnt mit Überwindung der Illusion reiner Subjektivität und der Objektivierung der cogito, indem man es dem Körper zurechnet und beide in die Kausalordnung der Natur als ganzes einbezieht. Um das zu tun, bedarf es einer mühevollen wissenschaftlichen Erforschung (meines Körpers, meines Bewußtseins, meiner Lage), bei der ich mich ‘von außen’ annähere, und zwar über die mechanistischen Naturgesetze und andere natürliche Entitäten, die mein Sein in der Welt determinieren. ”

Und über den Jainismus Kurt Titze:
‘Jain’ bedeutet Anhänger, der Jinassprituelle, Sieger, Prophet mit Allwissen.Der Jain-Pfad:… ‘drei Juwelen’, rechte Erkenntnis, rechtes Wissen und rechte Lebensweise. Rechte Erkenntnis bedeutet das Verständnis von Jiva (Seele) und Ajiva( Materie, Raum, Zeit) und Prinzipien von Bewegung und Stillstand. Rechtes Wissen bedeutet ausführliches Wissen über die Natur von Jiva, Ajiva, Karma und die Praxis der rechten Lebensweise auf der Basis rechter Erkenntnis.”

 

Anachronismus – reduktionistisch

Der kardinale Irrtum des Linkshegelianismus: die Einheit von Materie und Geist zu proklamieren, das war soweit richtig gedacht. Aber bei ihnen geriet der Geist zum Aspekt, zu einem Resultat des Materiellen, tatsächlich aber bezeichnet Materie umgekehrt den nachgeordneten Zustand, ist stets Resublimation und so (geminderte) Hervorbringung des Geistes.
Dieser Satz mag erst einmal thetisch klingen, in der Tat aber ist ein reduktionistisch-materialistischer Ansatz, wie er dann im Marxismus zu politischer  Relevanz kam, empirisch keineswegs mehr haltbar – die marxistische Theorie muß heute  einen Anachronismus  darstellen, weil sie für die gesellschaftlichen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts formuliert ist (und sich dabei auf der Naturwissenschaft und die Naturphilosophie des 18.Jahrhunderts gründet). Der klassische Materie-Begriff hatte sich  seit den neuartigen Erkenntnissen der Teilchenphysik eben über ihn hinausweisenden philosophischen Herausforderungen zu stellen. Der Physiker R. Millikan 1932 : „…der dogmatische Materialismus in der Physik ist tot.” Dies meint  nicht  die Belassung des Transzendenten in  ‘alten’ oder vorkantischen Mustern, sondern eher die Überwindung der mythischen Vorstellung hin zu einer  vernunftgeleiteten Metaphysik. So muß man von einem positivistischen Standpunkt her heute anerkennen, daß  das Materielle, das Hiesige nicht in dem Sinne erklärbar ist, wie es  als Gegenposition zu Proklamationen geistiger transzendenter Sphären gebraucht werden könnte. Dies heißt aber eben auch gleichzeitig, daß entsprechende frühe  metaphysische Konzepte -die also noch nicht auf wissenschaftliche Evidenz zurückgreifen konnten –  offenbar jeher einen tieferen Sinn hatten, als  die Kritiker ihnen nachsagten, nämlich lediglich anthropozentrierte Hoffnungsäußerungen und wunschgeleitete Schimären zu sein usw.
Möchte also eine  Metaphysik-Kritik einen  Empirismus in Stellung bringen und die alleinige Gültigkeit empirischer Sätze als wissenschaftlich sinnvolle Sätze proklamieren, dann begibt man sich ja gerade evident an die Frage nach der Gültigkeit des klassischen materialistischen Weltbildes.  Nicht ohne Grund  wäre eine Metaphysikkritik lediglich als weiteres Glaubensbekenntnis zu bezeichnen, würde sie dies nicht beachten. Und hier liegt die Crux der imannenten Konzepte, die uns heute   so befassen, und selbst die Kirche agiert wahrnehmbar eigentlich nur auf der Ebene der Immanenz.  Und der oben angeführte Satz von Millkian wurde bisher in keiner Weise  in seiner eigentliche Tragweite in das  Bewußtsein unserer Zeit überführt.

Jenseitige Jugend, Plotin

Oft wird in Nahtoderfahrungen oder sogenannten Jenseitsschilderungen durch spiritistische Medien die Ansicht vertreten, daß der Mensch sich trotz etwaiger Krankheit, trotz seines Alters oder Siechtums nun mit Eintritt in eine jenseitige Sphäre in der Blüte des Lebens und seiner Erscheinung wiederfindet. Hierzu muß man erst einmal sagen, daß der Mensch zweifelsohne eine biologisch beschreibbare Entwicklung gleich einer Lebenskurve durchläuft. Er wächst heran zur maximalen Ausbildung seiner körperlichen Größe, Statur, Vitalität, seiner Leistungsfähigkeit, nicht nur im körperlichen Sinne, sondern auch im Geistigen, im Sinne einer Charakterreife und dergleichen.  Prinzipiell ist also die Zeugung und der ganze Prozeß des Heranwachsens ein auf  einen Lebenshöhepunkt angelegter Vorgang, der dann auf der abfallenden Seite der Kurve wiederum Abbauprozessen unterworfen wird,  die   einen Gegensatz zur Aufwärtsbewegung  beschreiben und schließlich zu Alter und Tod (zu einem Rückbau des Lebenszweckes) führen.
Nun eine neuplatonische Aussage: “Das reine Sehen ist das Sehen der Ideen selbst, befreit von ihrer Darstellung im Sinnlichen: das Leben des Geistes. Der Geist, das Sein der Ideen, gibt demjenigen, der zu ihnen aufblickt, das wahrhafte Sehen dessen, was wahrhaft ist, das Vermögen, das Leben zu steigern und selbst das zu werden, was er sieht: das Leben des Geistes. Dort sieht der Blick nur Leben, da ja auch das, was hier das Sterbliche ist, der Körper, als Idee unsterblich ist.(Volkmann Schluck über Plotin)
Wenn der Körper – der also (s)einer eigenen Teleologie folgt, die durch seine Ausdifferenzierung  definiert wird – und jener  neuplatonisch als Inkorporierung einer  unsterblichen Idee angesehen werden kann, dann muß diese Idee ja prinzipiell die Idee des Körpers in seiner Vollendung der zweckmäßig angelegten Ausbildung darstellen, denn darin besteht der Sinn, jene Idee zu verwirklichen und somit -wenn er also in dieser Art ewig ist – muß er im Jenseitigen eben  diese reine Verkörperung seiner eigentlichen und angestrebten Ausbildung, zu dessen Zweck er inkarniert war, in  seiner geistigen und überzeitlichen  Sichtweise zur Ansicht haben.

Monismus, Dualität

Der Disput (zwischen Spinozisten und Hegelianern), ob nun die Immanenz oder die Transzendenz das beherrschende (Welt-)Prinzip sei, ist ja ganz überflüssig, weil so einfach aufgelöst: ‘Transzendenz’ bezeichnet nämlich nichts anderes als das noch-nicht-entschleierte, daher fremde, weil bisher nicht in die Lebensrealität überführte Immanente. Oder anders ausgedrückt: Soweit ist der Mensch entfernt vom eigentlichen Wesen bzw. der Totalität, der totalen Erfassung der Immanenz, daß ihm deren vorgelagerte  Bereiche als das ganz fremde -oder übersteigende- also das Transzendente erscheinen müssen.
Nun sagt Y. Yovel dem Spinozismus nach, daß ihm dieses Element der Dualität gänzlich abgeht, dieses bei Hegel dann umso  deutlicher  als Dialektik hervortritt. Aber auch Spinozas Monismus weist eine (in sich durchaus widerstrebende) Dualität auf: …Denken bewegt sich je in der Struktur von Substanz und Attribut. Baruch de Spinoza gibt folgende Definition: Substanz heiße, was in sich ist und durch sich begriffen wird; Attribut heiße, was im Verstand als das Wesen einer Substanz erfasst wird. Gäbe es zwei Substanzen, müsste die eine aus der anderen begreifbar sein – im Widerspruch zu dieser Definition. Es könne daher nur eine Substanz geben. Diese nennt Spinoza Gott bzw. Natur. Sowohl Räumliches wie Mentales sind fundamental je nur göttliche Attribute. Damit tilgt Spinoza den Dualismus materieller und geistiger Entitäten des Descartes und reduziert ihn auf einen strikten Monismus.” (Wikipedia)
Hier verbirgt sich  prinzipiell ein konstruktivistischer Ansatz, das Attribut Gottes ist nämlich im Sein geminderte Subjektivierung eines ungenügenden Perzeptionsprozesses. (Bei Meister Eckhart  ist dieses Sein soweit gemindert, daß ihm jedes Sein abgesprochen wird.)
So muß jeher jedem Monismus -so lange er beobachtet bzw.  nur proklamiert wird- gemein sein, daß er ein Subjekt kennt, in dem sich die Beobachtung oder das Erkennen über ihn überhaupt ereignet. Hierin allein  liegt schon  das Duale -oder man kann sagen, ein sich von sich selbst differenzierender oder entfremdender Vollzug.  Was im Subjekt als Subjekt wahrgenommen wird, ist ja im Monismus lediglich ein Akzidens, und ob nun also von Geist und Attribut die Rede ist, von  der natura naturans und der natura naturata,  von einer rückexplizierenden Geschichtlichkeit (Hegel),  einem Aufstieg durch die Hypostasen und so von einer Überwindung einer Seinsminderung (Plotin), auf welche Art also überhaupt irgendeine Explikation von der eigentlichen Daseinsform des Impliziten unterschieden wird,   ist viel eher eine  Frage der Begrifflichkeiten   und ihrer intentionalen Blickrichtung, als der Ausdruck gänzlich verschiedener Grundansichten über das Immanenz-Transzendenz-Verhältnis in monistischen Systemen -dies wegen des stets dualen Sich- als Subjekt zum Ganzen Verhaltenden, – das in der Nicht-Erfasstheit des Ganzen immer ein Zueinander-Verhalten von Immanentem und Transzendentem meinen muß.
 Dualismus ist prinzipiell jedem Monismus inhärent und verweist die subjektive Sicht auf seine Separiertheit und Fragmentiertheit, anders gesagt: Der Mensch ist  (solange er beschreibendes Subjekt ist) nicht in der Einheit  aufgegegangen. Und die Einheit bedeutet nicht Mensch -überhaupt nicht irgendein Objekt- , sondern letztlich einzig den abgeschlossenen Telos der Überwindung. (Überwindung bedeutet Telos.)
Y. Yovel legt in einer Betrachtung über Spinoza sein eigenes reduktionistisches Immanenzverständnis dar, indem er Immanenz durch ‘ein Fehlen eines Transzendenzhorizontes’ kennzeichnet, woraus er folgert: ‘Es gibt keinen `Ort, wohin wir gehen können’.
 Und hier mein Einwand: Man muß auch nirgends hingehen, man ist ja schließlich schon da (daher mein Satz von der Immanenz der Transzendenz).
Jesus sagt im apokryphen Thomasevangelium [Logion 113]:: “Das Königreich wird nicht kommen, wenn man Ausschau nach ihm hält. Man wird nicht sagen; Siehe hier oder siehe dort, sondern das Königreich des Vaters ist ausgebreitet über die Erde, und die Menschen sehen es nicht.”

 

Digitalisierung und Schöpfung

Die Digitalisierung  ‘der Welt’  ist im Prozess einer Befassung mit einer ganz grundlegenden Seinsbestimmung zu betrachten, die durch das gestaltende Moment diskreter Zustände erst zur Entstehung und Entfaltung kommen kann: “Dieses Aus-sich-heraus-Gehen ist ein Gang in die Bestimmtheit und den Bestand. Und die Zahlen sind es, die das aus sich Herausgehende vor dem Zerfließen ins Unbestimmte und Bestandlose retten. Deshalb kann Plotin noch einmal erklären, die ursprüngliche und wahrhafte Zahl sei für die Mannigfaltigkeit des Seienden der beherrschende Anfangsgrund und die Quelle seines Zustandekommens.” (Volkmann-Schluck)  (Dieser Gedanke ist  in noch ursächlicherem Sinne als pythagoreisch benennbar.)
Es liegt nun in der Natur der Bewegung eines  allgemeinen und alles durchwirkenden Fortschrittstrebens, den Zahlen und ihren inneren Verhältnissen auf den Grund zu gehen, also eine Mathematik zu entwickeln, die durch ihre eigene innere Logik  gleichsam einem höheren und gleichzeitig im  Rationalen auffindbaren  Gesetz entspricht.  Die Entwicklung des Rechners und die allgegenwärtige Technisierung und Digitalisierung  stellt nun  keinen  Bruch dar, der etwa ein Artifizielles gegen die vorfindlichen Naturzustände in Stellung bringt, sie birgt also nicht den Charakter der Entfremdung. Dabei meint sie doch gleichzeitig einen Sprung: Denn das neue Paradigmatische besteht in der Automatisierung der Rechenprozesse und dadurch in der Errungenschaft, diskrete Zustände (die nun in ihrer Komplexizität und Menge verwaltbar werden) zur Formung und Kreation  von Umgebungen zu gebrauchen, in dem Sinne, daß diese zum Vollzug einer die Natürlichkeit abbildenden Analogie nutzbar gemacht werden können.  Diese Analogie ist in ihrem  Wesen kein Abbild, sondern eine Nachbildung des Grundwesens der Welt selber(das diskret ist). Mit zunehmender Potenz der berechenbaren Zustände (Quanten) wird  die Nachbildung der Welt zu einer  wahrhaften Weltenbildung. Der Mensch ist so -das kann man also sagen-  dem System der Weltenschöpfung ‘auf die Schliche’ gekommen: Mit der Digitalisierung kommt der Mensch also der Natur selber so nahe wie nie, denn erstmals schafft er so eine Analogie zur wirklichen constitutio des Daseins (die in ihrer Progression schließlich zur Deckung mit ihm kommen muß), Die Bestimmtheit durch Zahlen ist ein nachbildbarer Prozeß und meint letztlich Schöpfung. (Und die Physiker wissen heute – per Empirie- , daß die Welt eine gequantelte ist.)

Offenbarung und Vernunft

Yrmiyahu Yovel über Baruch de Spinoza : “Damit rationale Argumente sich überhaupt gegen eingefleischte religiöse durchsetzen können, muß der Adressat die höhere Autorität der Vernunft gegenüber der Offenbarung bereits anerkennen. ” Hier wird offenbar ein Gegensatz zwischen Offenbarung und Vernunft vorausgesetzt.  Um diesen am besten  aufzulösen, müßte Offenbarung geschichtlich verifizierbar sein,  gerade weil sie ihrem Wesen nach ein Ereignis in der Zeit und für die Zeit darstellt, dies als (‘Selbstmitteilung Gottes’ die „systembildende Funktion innehat’, nach von Stosch). Da Offenbarung dies aber nicht vermag und tatsächlich nie wissenschaftlich untermauert werden kann, bleibt der Widerspruch bestehen  – und so muß es dabei von Seiten der Theologen folgerichtig zu einer  Animosität gegenüber der insistierenden Wissenschaft kommen, was letztlich eine hartnäckige Verstetigung der schwächeren Position bedingen muß . “Das Dasein der Wissenschaft hat erhebliche Folgen für den Inhalt aller Glaubensaussagen .” (Karl Jaspers ) Daher auch die nötige Konsequenz: “…die Unterscheidung einer empirischen Geschichte, die allgemeingültig anerkannt wird, von einer heiligen Geschichte, die selber Glaubensinhalt und nicht allgemeingültig ist.”
Hier besteht aber eine  entscheidende Schräglage:  in der  Nicht-Beachtung dieses Satzes erhebt man die Nicht-Allgemeingültigkeit zur Allgemeingültigkeit und diskreditiert so das tatsächlich Allgemeingültige   als  weniger gültig. Es  handelt  sich  um eine Ermächtigung und Besetzung des legitimeren Anspruches, der somit  in die Defensive gedrängt wird und seinen eigentlich prominenten Wahrheitsanspruch gegen die delegitimierte Position erst  erkämpfen muß (was von ersterer Position wiederum als illegitim oder in irgendeiner Form verwerflich erachtet wird).
Versteht man Offenbarung aber nicht im engeren theologischen Sinne,  sondern “lediglich” als  (übersinnliche) Mitteilung aus einer transzendenten Sphäre, an der auch der Mensch seiner Wesensart nach  teilhat (dies wäre z.B. katharisch), bedeutet diese personelle -aber keineswegs singuläre – Offenbarung Hilfestellung aus dem überweltlichen Raum, die  den Menschen aber in seiner  spirituellen Autarkie beläßt.
 Kant sagt zur theologischen Offenbarung:
“Wäre Offenbarung Realität, so wäre sie das Unheil für die geschaffene Freiheit des Menschen:”
Und Karl Jaspers : Die Transzendenz in der Leibhaftigkeit eines Persönlichseins einfangen zu wollen, würde die Transzendenz verengen.”

 

 

Spinoza, Durchdringung und Entschleierung

Yrmiyahu   Yovel über Spinoza: “Dieses Innere zu verstehen ist keine unmittelbare mystische Offenbarung, sondern basiert auf diskursiver, mechanistischer Wissenschaft. Was ich unmittelbar bewußt als mein innerstes Selbst fühle, ist nur eine verzerrte Idee meines Körpers unter dem Einfluß äußerer Ursachen. Daher muß ich, um Selbsterkenntnis zu erlangen, nicht mein unmittelbares Selbstbewußtsein entwickeln, vielmehr muß ich es als eine Form der imaginatio gerade auschalten.Wahre Selbsterkenntnis beginnt mit Überwindung der Illusion reiner Subjektivität und der Objektivierung der cogito, indem man es dem Körper zurechnet und beide in die Kausalordnung der Natur als ganzes einbezieht. Um das zu tun, bedarf es einer mühevollen wissenschaftlichen Erforschung (meines Körpers, meines Bewußtseins, meiner Lage), bei der ich mich ‘von außen’ annähere, und zwar über die mechanistischen Naturgesetze und andere natürliche Entitäten, die mein Sein in der Welt determinieren. “
Mir kommt hier die Definiton von Religion durch Jiddu Krishnamurti in den Sinn, wonach Religion so viel bedeute, wie etwa die Gewahrwerdung der Totalität des Seins.  Es handelt sich bei der religiösen Anschauung und Ausübung keineswegs um eine Wegwendung vom Irdischen zum Transzendenten (schon gar nicht hin zu einer transzendenten Entität), sondern im Gegenteil um die Hinwendung und Durchmessung  des Immanenten  als einzige und ureigene Konstitution der  Ganzheit und somit also um eine  Teleologie  der Gewahrwerdung der eigentlichen inneren Wesenart des einzigen Seins  und der einzigen Wirklichkeit.  Indem Spinoza hierfür die Wissenschaft als an vorderster Stelle geeignet postuliert, betont er die  Wandlung oder Verwandlung im Rationalen – man könnte dies  in gewisser Weise als alchymisch bezeichnen   – da er die Substanz -die er als letztes und einziges Sein postuliert- in einem Erknenntnisprozeß transmutieren möchte –  nämlich von ihrer subjektiv-verstellten Ansicht hin zur Ansicht ihrer  eigentlichen entschleierten, einzig wahren und vernunft-kongruenten   Wesensart. Diese  Erkenntnis soll  im Gegensatz zu allen Glaubensbekenntnissen und allen Glaubenswahrheiten  stehen –  welche  nach ihm alle konsequenterweise nur als Aberglaube zu bezeichnen sind –   und den Menschen zur  eigentlichen Wirklichkeit seines Daseins  erheben, dies durch die Überwindung  subjektiv-konstruktivistischer Determinanten,  nicht in einem  dialektischen Prozeß der Explikation und Rückexplikation des Einen (wie bei Hegel) sondern in der reinen Erkenntnis und Durchdringung  des immerwährenden Einen, das mangels dieser Dialektik  prinzipiell aller  Transzendenz entbehrt und so vorerst ein absolut Abstraktes bleibt.

Gnosis und Verschwörungstheorie

“Unsere Matrix ist an den Mond gebunden, dieser ist wiederum an den Saturn (Astrotheolog. *Satan*) gebunden. Der Zweck der Matrix ist es, den Menschen in einem bestimmten Frequenzbereich zu halten, welcher uns, um den Energie-Vampirismus zu ermöglichen, in der Illusion gefesselt hält.
Alles, was wir gelernt haben, ist eine Lüge. Unsere ganze Existenz ist ein Videospiel in einem Würfel (Cube), in dem wir immer und immer wieder, durch den Prozess der Wiedergeburt, ins Spiel zurückgeworfen wurden.
Alles was Sie mit Ihren Augen sehen, ist immer nur eine Kopie von etwas, oder mit anderen Worten: Sie sehen immer nur die Folgen von „etwas”! Wenn Sie aus Ihren Augen schauen, schauen Sie in ein dreidimensionales Holodeck . Und in diesem Holodeck ist alles was Sie kennen, als Kopie hineingebaut: Meere, Gebirge, Sonne, Mond, Jahreszeiten, UFOs, Chemtrails, HAARP, Satelliten usw., also alles Logische! „Everything is connected to your vision” – Alles ist mit Ihrem Blick (Vision) verknüpft. Lediglich Ihre Gedanken und die daraus abgeleiteten Vorstellungen simulieren Ihnen eine runde Erde und halten Sie immer von der Wahrheit entfernt”
(denke anders blog)

Hier handelt es sich ganz offenbar um ein Schlaglicht auf eine grundlegende sogenannte Verschwörungsthematik, die z.B. in David Icke einen prominenten Vertreter gefunden hat, der in seinen Darstellungen eine umfassende Kritik der herrschenden -trügerischen bzw. in maligner Absicht implementierten  (Schein-) Verhältnisse anknüpft, die bei ihm dann zuletzt sozialistisch gefärbt ist.  (Da der Sozialismus problemlos als ein  Derivat des Idealismus bezeichnet werden kann -also des Weltbildes, dem die Welt eben Schein ist, schließt Icke  hier nicht grundlos an  den Topos einer verlorenen  Autarkie und ihrer Fremd-  Ermächtigung an, der bis zu   platonischen und parmenidischen Prämissen einer Seinsminderung rückführbar ist  und sich dadurch also prinzipiell dem Vorwurf der Trivialität entheben kann. )
Auf dieses Postulat folgt dann die  alte Frage , die schon Plotin in seiner Schrift “Gegen die Gnostiker” ausführlich behandelte , wie bzw. ob überhaupt eine  vermittelnde reduktive Instanz eines höheren wie auch immer gearteten Wahrheitsbegriffes dargestellt werden kann, nämlich ob man etwa eine Entität, einen Archonten  der 2. Hypostase mit demiurgischer Macht versieht oder ob man alle Verantwortung der Weltenschaffung )  in die eigene Seele legt(wie Plotin dies tut).  In diesem Kontext sind die modernen esoterisch – verschwörerischen  Ansichten -etwa einer wie oben erwähnten Mondmatrix –   tief verwandt mit den alten gnostischen Topoi einer demiurgischen Ermächtigung, oft in Form einer geographisch/astronomischen Abgeriegeltheit der Erde, die selbst bis in mittelalterliche christliche Texte reichen, wie etwa bei Hildegard von Bingen:
“Vor allem hat sich Hildegard von Bingen den Wesenszug des gnostischen Weltbildes erhalten, der es vom christlichen kirchlichen unterscheidet: die Abriegelung der irdischen Welt nach oben durch den dunklen Feuerkreis, das Reich des gefallenen Luzifer, der sich als Gott dieser Welt ausgibt und das Werk der Erlösung dadurch zu vernichten droht, daß er den Menschen den Zugang zur überhimmlischen Welt, zum außerweltlichen Gott und zu seinem Sohne verwehrt.” (Glasenapp) Dieses Bild ist genauso ophitisch(und tibetisch!) “An einer Stelle des Himmels , die in den einzelnen Systemen nicht immer dieselbe bleibt, meist aber die Sphäre des Saturn, des letzten und höchsten Planeten ist, wird die untere Welt gegen die obere gleichsam abgeriegelt. Dadurch entsteht ein Reich der Finsternis und ein Reich des Lichts, Was in der unteren Welt der Finsternis liegt, gilt nicht mehr als Schöpfung des außerweltlichen guten Gottes, sondern als das Werk des bösen, von Gott abgefallenen und von ihm verfluchten Archonten, der sich selbst als Gott und als den Fürsten dieser Welt ausgibt, sie nach oben hin abschließt, so daß aus ihr nichts entfliehen kann, und es verhindert, daß eine Kunde von dem außerweltlichen guten Gott zu den Menschen dringt.”
Die geographischen Schilderungen können ohne weiteres verallgemeinernd aufgefaßt  als Allegorie auf das -von einer äußeren Instanz determinierte -Konstruktivistische der Welt-Wahrnehmung und so ihrer (perzeptionellen) Minderung gelesen und verstanden werden.