Category Archives: Philosophisches

Esoterik-Verlust

Zu wenig wird auf den Verlust esoterischer Traditionen und Entwicklungen seit dem 2. Weltkrieg hingewiesen, der zu gutem Teil darauf basiert, daß jene Ansätze, die noch in den 10′ er und 20’er Jahren des letzten Jahrhunderts zu ihrer Blüte strebten, nun in Mißkredit gerieten – was auch darauf gründet, daß ihr irrationalistisches Moment im Ruch der Mitschuld an den totalitaristischen Bestrebungen jenes Jahrhunderts stehen, sodaß sie – als obsolet oder gar schädlich benannt – sich einer Gegenthese, einem (angeblich fortschrittlicheren) Geltungsanspruch prinzpiell immanent-materialistischer Denkansätze konfrontiert sehen. Jene formulieren in einer ihr selbst verliehenen (und in sich selbst verliebten) Selbstverständlichkeit ihre Paradigmen, denen im öffentlichen Raum zusehends weniger Widerspruch eingeräumt wird, und dieser Widerspruch wird eben mit dem Vorwurf einer als ‘regressiv’ verstandenen Rückbindung an Überholtes, Metaphysisches (oder Irrationales) belegt, die das nunmehr laufende Fortschrittswerk keineswegs mehr in Gefahr zu bringen habe. So kann man hier nicht ohne Grund von einer Art Gegenwartsscholastik sprechen, denn abseits ihrer zusehends meinungshegemonialen Dogmen gibt es keine Bereitschaft zur ernsthaften Besprechung, nicht einmal zur Duldung potentiell antithetischer Positionen. So soll nun alles dem höheren Beweis und dem Zwecke des Progressivismus dienen.(Und die Menschen bewegen sich dazu in -verordneten- (pseudo-)positivistischen Zirkelschlüssen wie die Esel in einem Mühlwerk.) Wie aber konnte es so weit kommen?

Der reale Humanismus [gemeint ist hier die marxistische Lehre] hat in Deutschland keinen gefährlicheren Feind als den Spiritualismus oder den spekulativen Idealismus…” ( Marx/Engels -Kritk der kritischen Kritik)
Adorno und Horkheimer (und andere) übernehmen diese Ansicht, die heute in der kritischen Theorie und in der Resorption der Frankfurter Schule durch die 68′ er Bewegung zu gesellschaftlicher Durchsetzung gekommen ist. Hier wurde gar eine Schnittmenge und Verwandtschaft von Okkultismus und Faschismus hergestellt. Warum aber diese stärkere Abneigung gegen den Okkultismus (oder allgemein: die Esoterik) als gegen hergebrachte Religion?
Thomas Jung : “Gegen die These, daß das esoterische Weltbild die Wiederkehr eines neuen Faschismus sei, belegt unsere Interpretationsanalyse eindeutig, daß das esoterische Weltbild die Wiederkehr eines traditionell häretischen Religionsglaubens ist, der im grunde nur traditionelle Weisheitslehren aus dem Fundus verschiedener nicht anerkannter, weil mystischer Religionsströmungen, wieder beleben will.” Aber diese ‘Apologie’ bildet gerade das Problem ab!
Denn diese gemeinten häretischen Traditionen sind in aller Regel gnostisch-antijahwistisch oder neuplatonisch-antijahwistisch zu nennen. Hier liegt also eine Potenz zum Anfangsverdacht des Antisemitismus, (der nicht zum Antijahwismus differenziert wird, vielmehr schlicht zum ‘Faschismus’ gerinnt, und so gar nicht als Theismuskritik, sondern als Generalkritik am Judentum (und so als als Spielart des Rassismus) aufgefaßt werden kann – eine Konnotation, die Adorno, Horkheimer und anderen nicht entgangen sein mag.

Lebensgrund

Der amerikanische Pädagoge G. Stanley Hall:
“Das Kind von neun bis zwölf Jahren ist an seine Umgebung gut angepasst und entsprechend entwickelt; es stellt vermutlich einen alten und relativ vollkommenen Zustand von Rasse-Reifheit dar. … Mit der hereinbrechenden Adoleszenz wird diese alte Einheit und Harmonie mit der Natur zerbrochen, das Kind wird aus dem Paradies vertrieben und muß sich auf einen langen, beschwerlichen Weg machen, es muß das höhere Königreich des Menschen für sich selbst erobern, muß in eine neue Sphäre eintreten und seiner psycho-physischen Natur einen modernen Kontext geben… Dies ist das kritischste Stadium des Lebens, denn wenn es nicht gelingt, beinahe andauernd aufzusteigen, bedeutet das Rückentwickung, Degeneration und Sturz.”
Hier kann man etwas anfügen, was an mancher (esoterischer) Stelle als die Versöhnung mit dem inneren Kinde benannt wurde. Die ursächliche karmische Anlage, mit der man in die Welt eintritt, ist durch das Beschriebene dem Problem unterworfen, von sich selber und seiner karmischen Intention elementar entfremdet zu werden, und das keineswegs nur in der Adoleszenz, sondern in Folge durch die ganze Lebensentwicklung des Erwachsenen, durch Berufsfindung und Beruf, durch Reproduktion, materielle Konsolidierung , Positionierung und Auseinandersetzungen in sozialen Gefügen und vielem Anderen mehr. So kommt es zu einer starken und dauerhaften Einsenkung “in die Materie”, denn das Genannte bezeichnet seinem Kern nach Bewegungen, die von den geistigen Prinzipien (der Dispositionen des höheren Ichs) wegführen. Hierin besteht also nun die Leistung, als erwachsener Mensch diese Umfassung der alltäglichen Profanität als solche zu erkennen und gemäß einer immanenten Anlage zur Überwindung zur inneren Anbindung an die geistige Welt zurückzukehren; einer Anbindung, welche im kindlichen Alter oftmals als Verzauberung oder Mystifikation festgestellt wird (was nach esoterischer Auffassung daher rührt, daß der spirituelle Teil des Menschen in den ersten Lebensjahren gar nicht fest im Körper konsolidiert ist und vielmehr zu einem gewissen Teil wiederholt in der geistigen Sphäre weilt). Nun aber ist eben jene Anbindung auf einer höheren, weil nun durchgeistigten und autarken Ebene zu integrieren und als eigentliche Lebensbedingung, die überraumzeitlich und überbiographisch Bestand hat, zu erkennen oder wiederaufzunehmen. Der Auftrag besteht darin, diese Kontinuität zum Lebensgrund zu machen und stetig und ständig fortzuentwickeln und zu vertiefen.

Hegel, Pflicht

“Das Gute hat zu dem besonderen Subjecte das Verhältnis das Wesentliche seines Willens zu sein, der hiermit darin schlechthin seine Verpflichtung hat. Indem die Besonderheit von dem Guten unterschieden ist und in den subjectiven Willen fällt, so hat das Gute zunächst nur die Bestimmung der allgemeinen abstracten Wesentlichkeit, – der Pflicht; – um dieser ihrer Bestimmung willen soll die Pflicht um der Pflicht willen getan werden.”
(Hegel – Das Gute und das Gewissen)

Hegel spricht von einer Pflicht zum Guten. Und er sagt, diese Pflicht soll um der Pflicht willen getan werden. Die Pflicht zum Guten liegt dabei in der Bestimmung des Subjektes, in der Geschiedenheit des Besonderen von dem Guten (zu dem es strebt). Dies heißt auch: Ohne das Wahrnehmen dieser Pflicht (perzeptiv und handelnd) ist der Mensch gar nicht ‘individuiert’ zu nennen.

Das heißt also, daß die Ausübung der Pflicht als ein sich in ein Verhältnis zum Gesamten Setzen angesehen werden kann, einem Gesamten, das als Ganzes prinzipiell ja allem zugeordnet und vorangestellt bzw. inhärent ist, nun aber in seiner alltäglichen subjektiven Ermangelung zur Bewußtheit als ein Entferntes zu kommen hat und somit als eine angelegte Wirkmacht spürbar nach der Tat drängt. Die Tat ist die gelebte Pflicht, das Gefühl für die Pflicht indes der innere Drang des Im Bezug Stehenden, zum Ganzen zu kommen, (was ein Zu Sich Selber Kommen ist). Ist das Gefühl der Pflicht verstellt, ist im Menschen große Unklarheit, Verwirrtheit. Der Mensch befindet sich noch im Zustand, in dem er in aller Regel mit der Befassung um seine eigene Person, seiner eigenen praktischen oder mentalen Daseinssicherungen vollauf befaßt ist, er ist also in einer Reduktion der Blickrichtung auf seine Person befangen, somit in großer Bewußt- und Bezuglosigkeit. Der Austritt aus den individuellen Belangen meint so auch die Gewahrwerdung einer dem ureigenen Wesen eigentlich fremden Isolation und des Schmerzes, der diese Erkenntnis begleitet, der sich nun in seinem Wunsch nach Überwindung aber auf das Ganze richtet. Herbert Fritsche sagte im Bewußtsein der Notwendigkeit der Ich-Abgabe: “Wer werden will, verwehe mit den Winden.”

Geschichte und Kausalität

Möchte man geschichtliche Ereignisse nicht als Resultat sich gegenseitig bedingender Wirkverhältnisse postulieren (ihnen also prinzipiell auf Kausalität gründende Erklärbarkeit absprechen), muß man für sie nach einer ganz anderen Herleitung suchen, die ihrer Verursachung nach ebn außerhalb des Kausalen (Raumzeitlich/Deterministischen) stehen muß. Somit betritt man hier das Feld des Metaphysischen, man entfaltet eine “Geschichtsmetaphysik” (in einem echten Wortsinn und ohne polemische Konnotation), die das Empirische bzw. einen (geschichts)wissenschaftlichen Anspruch, der die Gegenwart nicht aus einer Vergangenheit ohne gegenseitig bedingender Faktoren herleiten kann, bewußt übersteigt. Was hierzu selbst von einem sonst rationalistischen Blickwinkel aus verleiten mag, ist eine “Geschichtsdynamik”, die die Normativen der kausalen Verkettungen oder Vorhersagbarkeiten – wie etwa in der Verknüpfung von Bewegung und Gegenbewegung oder Aktion und Reaktion – durch ein Hinzufügen von etwas Irrationalem oder Überschießenden und Unvorhersagbarem überschreiten kann und ohne eigentliche oder verstehbare Verursachung in die Welt zu kommen scheint. Dieser neue oder überraschende Moment zeigt sich gerade in Weltanschauungskonflikten. Will man nun dem Weltenlauf eine Potenz zu Akausalität und Antideterminus zusprechen, muß dies ein Prinzip bezeichnen, das in der gesamten Geschichte und zu allen Zeiten Wirkmacht entfaltet. Eine isolierte Einwirkung einer nicht-raumzeitlichen Instanz, eine derartige Singularität würde denen, die sie proklamieren, die schwierigsten Erklärungen abringen, schließlich ihre exklusive Exponierung als Betrugsversuch entlarven. Was aber ist außerdeterministisch für ein Agens denkbar? Es ist letztlich ein Tätigsein, das seiner Bestimmung nach den Geschichtsraum als bloßes Widerspiel von Kräften, als menschliche Idee (oder schlicht als Zufall) transzendiert. Es ist eine (dialektische) Dynamik oder Energie eines sich Rückeplizierenden, gefasst und geformt im Gruppengeist oder in einzelnen wenigen Personen tätig wirksam. Aber auch diese Geschichte als Abfolge oder als Eintritt überzeitlicher Potenz folgt einer Kausalität, nur ist diese eben von einer recht anderen, vom Menschen in aller Regel nicht direkt erkennbaren Art bestimmt. Eine erkennbare tiefere Notwendigkeit zur geschichtlichen Explikation wird allerdings durchaus auch im normalen Sprachgebrauch deutlich, wenn man z.B. sagt: ‘Die Zeit ist reif’.
Fichte sagt: “Die gegenwärtige Erscheinung treibt nach der folgenden, und diese fordert, diese folgende aber nicht möglich ist ohne Darstellung der ersteren; und drum zuvorderst diese Darstellung gefordert wird. Das Soll ist eigentich die Forderung der ewigen steten Fortentwicklung des göttlichen Bildes…so werden die Gesichte einer übersinnlichen Welt praktisch. “ (Fichte – Die Anweisung zum seligen Leben. Seite 798)

Ding als Symbol und Fichte

“Der Mittelpunkt des Lebens ist allemal die Liebe. Das wahrhaftige Leben liebet das Eine, Unveränderliche und Ewige; das bloße Scheinleben versucht zu lieben …das Vergängliche in seiner Vergänglichkeit. Jener geliebte Gegenstand des wahrhaftigen Lebens ist dasjenige, was wir mit der Benennung Gott meinen, oder wenigstens meinen sollten; der Gegenstand der Liebe des nur scheinbaren Lebens, das Veränderliche, ist dasjenige was uns als Welt erscheint, und was wir also nennen. Das warhaftige Leben lebet also in Gott, und liebet Gott; das nur scheinbare Leben lebet in der Welt, und versucht es, die Welt zu lieben.Von welcher besonderen Seite nun eben es die Welt erfasse, darauf kommt nichts an; das, was die gemeine Ansicht moralisches Verderben, Sünde und Laster heißt, mag wohl für die menschliche Gesellschaft schädlicher sein und verderblicher, als manches andere, was diese gemeine Ansicht gelten läßt, und wohl sogar löblich findet: vor dem Blicke der Wahrheit aber ist alles Leben, welches seine Liebe auf das Zufällige richtet und in irgendeinem anderen Gegenstand seinen Genuß sucht, außer in dem ewigen und unvergänglichen, lediglich darum, und dadurch, daß es seinen Genuß in einem andern Gegenstande sucht, auf die gleiche Weise nichtig, elend und unselig.”
(Fichte, Die Anweisung zum seligen Leben, S.345)
Die Dinge: Gibt es hier eine andere Sicht, einen Ausweg aus der Nichtigkeit, ja Verwerflichkeit der Anhaftung an dem Weltlichen? Ja, wenn die Dinge als endlicher Hinweis auf ein Geistiges verstanden werden, -gemäß meinem Artikel von der Ästhetisierung des Raumes- so werden die Dinge zu einer ästhetischen Gemahnung an das Ewige, zu seinem Hinweis, ja sie gereichen sogar zur Teilhabe oder Beförderung, zur Hin-und Überleitung nach dem Höheren, denn das Höhere ist das Geistige und die raumzeitliche Abbildung ist seine Verdinglichung und Verdichtung und stellt also in dieser Blickrichtung auf das Geistige, in diesem Sinne verstanden, keinen Bruch zum Geistigen dar, sondern ist im Gegenteil sogar seine sichtbare (wenn auch geminderte) Affirmation (weil schließlich nichts außerhalb zu denken ist und der Geist allem immanent ist); so besteht ein Kontinuum in verschiedenen (graduellen) Ansichten, das mit sich selbst interagiert und so auch das Dingliche von der materiellen auf die geistige Welt wirken läßt. Die Dinglichkeit wird so zu etwas, was nach dem Gemeinsamen und Übergreifenden, in anderen -und höheren – Welten ebenfalls Gültigen sucht. Liest sich dies nicht wie das Hauptanliegen des Symbolismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der ja die Welt und deren Aspekte nur als Symbole einer tieferen Wirklichkeit sieht und entsprechen darstellen will?
Bezogen auf Menschen oder Lebewesen allgemein: Diese, als Repräsentanten des (fragmentierten) Einen, können als Symbol oder Zielpunkt zur Überwindung der Zersplitterung in eine (körperliche) Vielheit und so als “Angelpunkt” zur Rückleitung in die Einheit gedacht werden. Stets aber muß ein Bewußtsein der Endlichkeit und Un-Komplettiertheit(respice finem) in der Zuwendung zur anderen endlichen Entität vorhanden sein. Dies meint das Bewußtsein zur Einordnung dieses Verhältnisses in den höheren Bezugsrahmen und das Bewußtsein der Begrenztheit der Körper durch Raumzeitlichkeit (der auch der Tod angehört.)

Heilslehren, säkular

“Moses Hess konnte mit den Zügen von Karl Marx nicht in Frieden leben, deretwegen Heinrich Heine ihn seinen ‘verstockten Freund” genannt hatte, mit dem rücksichtslosen Amoralismus, der in den Dienst menschlicher Erlösung gestellt war und den Lenin später seiner bolschewistischen Theorie einverleibte. ” (Yirmiyahu Yovel)

Werner Heisenberg sagte während der Weimarer Zeit:  “Ich glaube daher, daß man eine politische Bewegung nie nach den Zielen beurteilen darf, die sie laut verkündet und vielleicht auch wirklich anstrebt, sondern nur nach den Mitteln, die sie zu ihrer Verwirklichung einsetzt. Diese Mittel sind leider bei den Nationalsozialisten und bei den Kommunisten gleich schlecht, sie zeigen, daß auch die Urheber nicht mehr an die Überzeugungskraft ihrer Ideen glauben, daher kann ich mit beiden Bewegungen nichts anfangen, und ich bin zu meinem Kummer überzeugt, daß aus beiden nur Unglück für Deutschland herauskommen kann.”

Worin liegt das Ungangbare und schließlich das Unglück Bringende  der Verwirklichung  säkularer Heilsvorstellungen?   Es existiert eine zwangsläufige  Inkongruenz von Bewußtsein und Befähigung der Menge zur  eingeforderten gesellschaftlichen (und also auch individuellen) Entwicklungsmöglichkeit und -geschwindigkeit , die nur über eine evolutorische Diskontinuität (setzt man überhaupt die Möglichkeit  zu einer globalen  Progression voraus), über einen “verordneten Sprung”  kompensiert werden kann,  es kommt zu Umbrüchen, zur Revolution – das Rücksichtslose, das Gewaltsame liegt dabei  eben in der Übergehung der Notwendigkeit des  Schritthaltens des sich geschichtlich entfaltenden Subjektes mit seiner eigenen Anlage zur Entfaltung, was meint, daß nun Veränderung nicht mehr aus sich heraus vollzogen und erklärbar wird und daher  vielmehr als Resultat  nicht oder nur unvollständig integrierbarer Verordnung denn  evolutorischer,  innerer Notwendigkeit zur Verwirklichung kommt. (Sieht man einmal davon ab, daß  grundlegender noch  das Gewaltsame in den Proklamationen selber liegt, da diese den menschlichen Telos einer willkürlichen Prozedur und  unbewiesenen, verkürzten Zielsetzungen unterwerfen).

Und ein Wort zum inneren Verhältnis von Offenbarungsreligion und säkularer Heilslehre:
Nicht der Krieg, aber der Widerstreit (ist nach Heraklit, dann Hegel) der Vater aller Dinge. Aufgehoben sein kann der Widerstreit nur an einem hypothetischen Endpunkt der Geschichte. Diesen erwarten und erhoffen die Offenbarungsreligionen seit einigen tausend Jahren (vergeblich bisher). Und das säkulare Derivat der Offenbarungsreligionen, der Sozialismus, zeigte sich nun also weniger geduldig und beschloss daher, die Erlösungsung zu forcieren (man hat es ja nun selber in der Hand). Dies erklärt auch, warum er keinen Widerspruch zulassen kann. (Gemeinhin bekannt auch als ‘Der große Sprung’ – Über die Dialektik hinweg .)

Spinoza und Jainismus

Mit folgender Aneinanderreihung des Erlösungsgedankens bei Spinoza sowie in der Philosophie des  Jainismus wird die Nähe der beiden Systeme deutlich. Beide sind als zutiefst gnostisch beschreibbar und proklamieren eine ‘Durchdringung’ als Weg der Überwindung zu einem  Totalsein, das eine Erlösung im Immanenten und dabei eine Erhebung bzw. Überwindung oder Transzendierung des Immanenten meint. Beiden gemein ist ebenso eine Ethik, die aus Erkenntnis erwächst.
Yrmiyahu Yovel über Spinoza: “Dieses Innere zu verstehen ist keine unmittelbare mystische Offenbarung, sondern basiert auf diskursiver, mechanistischer Wissenschaft. Was ich unmittelbar bewußt als mein innerstes Selbst fühle, ist nur eine verzerrte Idee meines Körpers unter dem Einfluß äußerer Ursachen. Daher muß ich, um Selbsterkenntnis zu erlangen, nicht mein unmittelbares Selbstbewußtsein entwickeln, vielmehr muß ich es als eine Form der imaginatio gerade auschalten.Wahre Selbsterkenntnis beginnt mit Überwindung der Illusion reiner Subjektivität und der Objektivierung der cogito, indem man es dem Körper zurechnet und beide in die Kausalordnung der Natur als ganzes einbezieht. Um das zu tun, bedarf es einer mühevollen wissenschaftlichen Erforschung (meines Körpers, meines Bewußtseins, meiner Lage), bei der ich mich ‘von außen’ annähere, und zwar über die mechanistischen Naturgesetze und andere natürliche Entitäten, die mein Sein in der Welt determinieren. ”

Und über den Jainismus Kurt Titze:
‘Jain’ bedeutet Anhänger, der Jinassprituelle, Sieger, Prophet mit Allwissen.Der Jain-Pfad:… ‘drei Juwelen’, rechte Erkenntnis, rechtes Wissen und rechte Lebensweise. Rechte Erkenntnis bedeutet das Verständnis von Jiva (Seele) und Ajiva( Materie, Raum, Zeit) und Prinzipien von Bewegung und Stillstand. Rechtes Wissen bedeutet ausführliches Wissen über die Natur von Jiva, Ajiva, Karma und die Praxis der rechten Lebensweise auf der Basis rechter Erkenntnis.”

 

Anachronismus – reduktionistisch

Der kardinale Irrtum des Linkshegelianismus: die Einheit von Materie und Geist zu proklamieren, das war soweit richtig gedacht. Aber bei ihnen geriet der Geist zum Aspekt, zu einem Resultat des Materiellen, tatsächlich aber bezeichnet Materie umgekehrt den nachgeordneten Zustand, ist stets Resublimation und so (geminderte) Hervorbringung des Geistes.
Dieser Satz mag erst einmal thetisch klingen, in der Tat aber ist ein reduktionistisch-materialistischer Ansatz, wie er dann im Marxismus zu politischer  Relevanz kam, empirisch keineswegs mehr haltbar – die marxistische Theorie muß heute  einen Anachronismus  darstellen, weil sie für die gesellschaftlichen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts formuliert ist (und sich dabei auf der Naturwissenschaft und die Naturphilosophie des 18.Jahrhunderts gründet). Der klassische Materie-Begriff hatte sich  seit den neuartigen Erkenntnissen der Teilchenphysik eben über ihn hinausweisenden philosophischen Herausforderungen zu stellen. Der Physiker R. Millikan 1932 : „…der dogmatische Materialismus in der Physik ist tot.” Dies meint  nicht  die Belassung des Transzendenten in  ‘alten’ oder vorkantischen Mustern, sondern eher die Überwindung der mythischen Vorstellung hin zu einer  vernunftgeleiteten Metaphysik. So muß man von einem positivistischen Standpunkt her heute anerkennen, daß  das Materielle, das Hiesige nicht in dem Sinne erklärbar ist, wie es  als Gegenposition zu Proklamationen geistiger transzendenter Sphären gebraucht werden könnte. Dies heißt aber eben auch gleichzeitig, daß entsprechende frühe  metaphysische Konzepte -die also noch nicht auf wissenschaftliche Evidenz zurückgreifen konnten –  offenbar jeher einen tieferen Sinn hatten, als  die Kritiker ihnen nachsagten, nämlich lediglich anthropozentrierte Hoffnungsäußerungen und wunschgeleitete Schimären zu sein usw.
Möchte also eine  Metaphysik-Kritik einen  Empirismus in Stellung bringen und die alleinige Gültigkeit empirischer Sätze als wissenschaftlich sinnvolle Sätze proklamieren, dann begibt man sich ja gerade evident an die Frage nach der Gültigkeit des klassischen materialistischen Weltbildes.  Nicht ohne Grund  wäre eine Metaphysikkritik lediglich als weiteres Glaubensbekenntnis zu bezeichnen, würde sie dies nicht beachten. Und hier liegt die Crux der imannenten Konzepte, die uns heute   so befassen, und selbst die Kirche agiert wahrnehmbar eigentlich nur auf der Ebene der Immanenz.  Und der oben angeführte Satz von Millkian wurde bisher in keiner Weise  in seiner eigentliche Tragweite in das  Bewußtsein unserer Zeit überführt.

Jenseitige Jugend, Plotin

Oft wird in Nahtoderfahrungen oder sogenannten Jenseitsschilderungen durch spiritistische Medien die Ansicht vertreten, daß der Mensch sich trotz etwaiger Krankheit, trotz seines Alters oder Siechtums nun mit Eintritt in eine jenseitige Sphäre in der Blüte des Lebens und seiner Erscheinung wiederfindet. Hierzu muß man erst einmal sagen, daß der Mensch zweifelsohne eine biologisch beschreibbare Entwicklung gleich einer Lebenskurve durchläuft. Er wächst heran zur maximalen Ausbildung seiner körperlichen Größe, Statur, Vitalität, seiner Leistungsfähigkeit, nicht nur im körperlichen Sinne, sondern auch im Geistigen, im Sinne einer Charakterreife und dergleichen.  Prinzipiell ist also die Zeugung und der ganze Prozeß des Heranwachsens ein auf  einen Lebenshöhepunkt angelegter Vorgang, der dann auf der abfallenden Seite der Kurve wiederum Abbauprozessen unterworfen wird,  die   einen Gegensatz zur Aufwärtsbewegung  beschreiben und schließlich zu Alter und Tod (zu einem Rückbau des Lebenszweckes) führen.
Nun eine neuplatonische Aussage: “Das reine Sehen ist das Sehen der Ideen selbst, befreit von ihrer Darstellung im Sinnlichen: das Leben des Geistes. Der Geist, das Sein der Ideen, gibt demjenigen, der zu ihnen aufblickt, das wahrhafte Sehen dessen, was wahrhaft ist, das Vermögen, das Leben zu steigern und selbst das zu werden, was er sieht: das Leben des Geistes. Dort sieht der Blick nur Leben, da ja auch das, was hier das Sterbliche ist, der Körper, als Idee unsterblich ist.(Volkmann Schluck über Plotin)
Wenn der Körper – der also (s)einer eigenen Teleologie folgt, die durch seine Ausdifferenzierung  definiert wird – und jener  neuplatonisch als Inkorporierung einer  unsterblichen Idee angesehen werden kann, dann muß diese Idee ja prinzipiell die Idee des Körpers in seiner Vollendung der zweckmäßig angelegten Ausbildung darstellen, denn darin besteht der Sinn, jene Idee zu verwirklichen und somit -wenn er also in dieser Art ewig ist – muß er im Jenseitigen eben  diese reine Verkörperung seiner eigentlichen und angestrebten Ausbildung, zu dessen Zweck er inkarniert war, in  seiner geistigen und überzeitlichen  Sichtweise zur Ansicht haben.

Monismus, Dualität

Der Disput (zwischen Spinozisten und Hegelianern), ob nun die Immanenz oder die Transzendenz das beherrschende (Welt-)Prinzip sei, ist ja ganz überflüssig, weil so einfach aufgelöst: ‘Transzendenz’ bezeichnet nämlich nichts anderes als das noch-nicht-entschleierte, daher fremde, weil bisher nicht in die Lebensrealität überführte Immanente. Oder anders ausgedrückt: Soweit ist der Mensch entfernt vom eigentlichen Wesen bzw. der Totalität, der totalen Erfassung der Immanenz, daß ihm deren vorgelagerte  Bereiche als das ganz fremde -oder übersteigende- also das Transzendente erscheinen müssen.
Nun sagt Y. Yovel dem Spinozismus nach, daß ihm dieses Element der Dualität gänzlich abgeht, dieses bei Hegel dann umso  deutlicher  als Dialektik hervortritt. Aber auch Spinozas Monismus weist eine (in sich durchaus widerstrebende) Dualität auf: …Denken bewegt sich je in der Struktur von Substanz und Attribut. Baruch de Spinoza gibt folgende Definition: Substanz heiße, was in sich ist und durch sich begriffen wird; Attribut heiße, was im Verstand als das Wesen einer Substanz erfasst wird. Gäbe es zwei Substanzen, müsste die eine aus der anderen begreifbar sein – im Widerspruch zu dieser Definition. Es könne daher nur eine Substanz geben. Diese nennt Spinoza Gott bzw. Natur. Sowohl Räumliches wie Mentales sind fundamental je nur göttliche Attribute. Damit tilgt Spinoza den Dualismus materieller und geistiger Entitäten des Descartes und reduziert ihn auf einen strikten Monismus.” (Wikipedia)
Hier verbirgt sich  prinzipiell ein konstruktivistischer Ansatz, das Attribut Gottes ist nämlich im Sein geminderte Subjektivierung eines ungenügenden Perzeptionsprozesses. (Bei Meister Eckhart  ist dieses Sein soweit gemindert, daß ihm jedes Sein abgesprochen wird.)
So muß jeher jedem Monismus -so lange er beobachtet bzw.  nur proklamiert wird- gemein sein, daß er ein Subjekt kennt, in dem sich die Beobachtung oder das Erkennen über ihn überhaupt ereignet. Hierin allein  liegt schon  das Duale -oder man kann sagen, ein sich von sich selbst differenzierender oder entfremdender Vollzug.  Was im Subjekt als Subjekt wahrgenommen wird, ist ja im Monismus lediglich ein Akzidens, und ob nun also von Geist und Attribut die Rede ist, von  der natura naturans und der natura naturata,  von einer rückexplizierenden Geschichtlichkeit (Hegel),  einem Aufstieg durch die Hypostasen und so von einer Überwindung einer Seinsminderung (Plotin), auf welche Art also überhaupt irgendeine Explikation von der eigentlichen Daseinsform des Impliziten unterschieden wird,   ist viel eher eine  Frage der Begrifflichkeiten   und ihrer intentionalen Blickrichtung, als der Ausdruck gänzlich verschiedener Grundansichten über das Immanenz-Transzendenz-Verhältnis in monistischen Systemen -dies wegen des stets dualen Sich- als Subjekt zum Ganzen Verhaltenden, – das in der Nicht-Erfasstheit des Ganzen immer ein Zueinander-Verhalten von Immanentem und Transzendentem meinen muß.
 Dualismus ist prinzipiell jedem Monismus inhärent und verweist die subjektive Sicht auf seine Separiertheit und Fragmentiertheit, anders gesagt: Der Mensch ist  (solange er beschreibendes Subjekt ist) nicht in der Einheit  aufgegegangen. Und die Einheit bedeutet nicht Mensch -überhaupt nicht irgendein Objekt- , sondern letztlich einzig den abgeschlossenen Telos der Überwindung. (Überwindung bedeutet Telos.)
Y. Yovel legt in einer Betrachtung über Spinoza sein eigenes reduktionistisches Immanenzverständnis dar, indem er Immanenz durch ‘ein Fehlen eines Transzendenzhorizontes’ kennzeichnet, woraus er folgert: ‘Es gibt keinen `Ort, wohin wir gehen können’.
 Und hier mein Einwand: Man muß auch nirgends hingehen, man ist ja schließlich schon da (daher mein Satz von der Immanenz der Transzendenz).
Jesus sagt im apokryphen Thomasevangelium [Logion 113]:: “Das Königreich wird nicht kommen, wenn man Ausschau nach ihm hält. Man wird nicht sagen; Siehe hier oder siehe dort, sondern das Königreich des Vaters ist ausgebreitet über die Erde, und die Menschen sehen es nicht.”