Category Archives: Philosophisches

Tierrecht und Amphibiencharakter der Seele

Magnus Schwantje : “Keine andere Ansicht steht heute der Ausbreitung einer altruistischen Weltanschauung so sehr im Wege wie die, daß das Tier keiner sittlichen Regung fähig sei und in der Natur nur ein rücksichtsloser Kampf aller gegen Aller herrsche. Solange die Menschen in dem Leben in der freien Natur nur einen egoistischen Kampf sehen, werden sie darin auch die Rechtfertigung ihres eigenen Egoismus erblicken. Wie sehr der moderne Mensch auch das Bewußtsein des Zusammenhanges mit der Natur verloren hat, in seinem Inneren bleibt er doch davon überzeugt, daß die Gesetzte, nach denen die gewaltigen Vorgänge in der Natur verlaufen, auch für das Menschenleben und für die Entwicklung des Menschengeschlechts gelten.

Genau hier könnte  der Blick auf die Doppel-Natur des Menschen bei Plotin weiterhelfen. Tatsächlich ist der Mensch zu einem Teil mit seinen animalischen Bedürfnissen ganz in der Körperwelt verhaftet (und diese bedeutet Kampf und Auseinandersetzung), es wäre also zwecklos, eine Absetzung von diesem Naturzustand zu propagieren -um welche  zweite höhere Natur sollte es sich schließlich handeln, wenn man von  materialistischer Warte aus ganz den diesseitigen Bedingungen verhaftet bleibt, und welches nicht-naturalistische Argument sollte verfangen, wenn man schließlich selbst den Geist als Abfolge biochemischer-also natürlicher /materieller Prozesse deutet, woher dann das (moralische)Streben ?
Ganz anders nämlich weist der plotinische Amphibien-Charakter der Seele eben die Möglichkeit und mehr noch die Pflicht, den Menschen abseits seines unteren Aspektes  von seinem geistigen Sein  aus auf seine  eigentliche entsprechende  Herkunft und Verortung zurückzuverweisen, wobei dies nicht dem Gnadenakt einer hypothetischen Meta- Instanz überantwortet ist, sondern ganz dem Auftrag zur täglichen (moralischen) Läuterung  der Seele selbst -als Selbtvergewisserung zum Guten- obliegt, denn das Ziel dieses  Strebens ist zuletzt  das Eine, das zugleich das Gute ist, demnach ja  jedes Verletzen eines anderen Individuums gegen dieses Prinzip verstossen muß. Hierzu sehr passend könnte man das Wort des indischen Titankaras  Mahavira anfügen (dessen Denken eine ähnliche ontische Prämisse zugrunde liegt): “Das ist fürwahr das Hauptstück des Wissenden, daß er nichts, aber auch nichts verletzt.”  Die (vegane) politische Linke hat sich  in der Tradition der Herabtransformation dieses  idealistischen Blickes auf die Selbstexpikation  des Einen mit dem Ziel auf sich selbst in der Vervollkommnung zurückzukommen  (absoluter Geist/ Hegel) alleine auf dessen gesellschaftliche bzw. realpolitische Implikation (Linkshegelianismus/Marx) beschränkt und damit  heillos in der sichtbaren Natur  verstrickt, daher nun fehlt ihr dieses ganz fundamentale  Argument, um eben eine “bessere Natur” des Menschen (und damit  eine höhere Moralität) oberhalb der “natürlichen Natur” zu proklamieren. Dabei brächte dieses Argument keinen Verlust an einer gesellschaftlichen, evolutorischen und emanzipatorischen Stossrichtung (im Gegenteil fundiert sie diese erst befriedigend), da die individuelle  Ablösung vom Animalischen zum überraumzeitlich Geistigen eben auch im Ganzen eine Progression der Gesellschaft und ihrer Bedingungen zum Positiven bewirken muß, da die Vergeistigung -auf die ganze Gesellschaft übernommen- in ihrer Gesamtheit auf das Eine verweist, und somit auf das Gute.

 

Ist Neuplatonismus Pantheismus?

Klaus Kremer: “Da Plotin die Identität des Einen mit dem aus Ihm Hervorgehenden beharrlich ablehnt, kann von Emanationspantheismus keine Rede sein. Es ist, wie Dodds sehr schön formuliert hat, “the principle of undiminished giving…what saves Neoplatonism from turning into phanteism”. “So ist das, was vor dem Geist (Nus) liegt und ihn erzeugt hat, selber nicht Geist noch geistige Welt. Dieser Sachverhalt ist von Leibniz als malum metaphysikum herausgestellt worden. “
Aber W.E. Peuckert :  “Die absolute Transzendenz verwischt sich, sie führt zur Immanenz. Die Untergliederung der Stufen…führt… zu einem logischen Pantheismus, die Dinge der Welt sind somit Theophanien: Die Welt ist der in das Besondere entwickelte, aus sich heraus gestaltete Gott (deus explicitus). Gott und die Welt sind eins.”
Geht  man den Weg der Explikation wieder herauf, so wird der Begriff der Entweltlichung und Entdinglichung von zentraler Bedeutung. Unter Entdinglichung verstehe ich in der weiteren Betrachtung gleichzeitig  Ent-Geistigung , denn Geist ist übergeordnete DInglichkeit, (sprich feine Materie, die als Hervorbringung der Seele,- diese wiederum als niederster Aspekt des Geistes –  in der Selbstbetrachtung manifest dinglich, oder anders gesagt,  zum Wahrgenommenen wird. Jenseits dieses Bildlichen und Geistigen liegt durch eine Scheidung das Höchste, und hier liegt die Schwierigkeit für die Deutung- da diese nicht stoffliche und so nicht mehr seiende  Qualität (trotz Betonung der Differenz) doch die Anlage und vor allem den Willen  zur Stofflichkeit, also so auch zum Geist oder Bild (Bild =Geist=Stoff) in sich birgt. Und dieses In-Sich-Bergen als “agierter Impetus” ist als das Immanente in der Bildlichkeit (so in der gesamten natura naturata) zu erachten, daher kann dieser Verhalt in dem Satz  “Gott und die Welt sind eins” folgerichtig zum Ausdruck gebracht werden,  aber in diesem Sinne: Gott und die Welt sind da eins in ihrem Un-Eins-Sein. Und die Rückführung über den Geist ist nicht als Überwindung einer Geschiedenheit zu verstehen  -wie etwa geographisch oder zeitlich betrachtet  die Strahlung der Sonne als Explikation angesehen werden kann, die sich so im Raum fortsetzt und etwas von ihrer Kraft und ihrem  Potential dabei abgibt- sondern wie die Rückführung eines geänderten Blickwinkels des Einen, der ein Kippen des Gesamten, aber Unexplizierten  in die Existenz, die Bildlichkeit meint, wie eine Brechung, die  immer mit perzeptioneller Selbstvergewisserung einhergeht, da diese die Brechung beschreibt und in der Beschreibung kreiert.  Jene Brechungen aber bedeuten Aspekte durch immer neue “weitere” Brechungen -dies bezeichnet der Begriff der Emanation .  (Immanez kann allerdings auch durchaus ein Attribut der Sonnenstrahlung im geographischen Sinne bedeuten, da diese die Umgebung von ihrer Art abgebend durchpulst und erwärmt, auch dieses wäre eine pantheistische Implikation.) Das Malum liegt prinzipiell nicht in der Brechung selbst, sondern im Impuls des ja eigentlich ruhenden Einen, sich zur Brechung, zum Bildhaften zu bringen.  Dies  weist  die Paradoxität der  Doppelnatur des Einen aus, – gerade Schelling spekulierte wiederholt hierüber- daß sie als erste Verursachung unverursacht anstößt. Da Geist wie oben gesagt als (feinere) Form der Materie zu betrachten  ist, bietet zuletzt nur die Entsinnlichung, auch diese in den feinsten Perzeptionsstufen als Entgeistigung  die Möglichkeit, über die zweite Hypostase hinauszugelangen, die tatsächlich als Ur-Prinzip im Betrachter selbt residiert.
Daher ja sagt Plotin  in der Enneade “Die erkennenden Wesenheiten”: Vielleicht muß sich der Geist…quasi hinter sich zurückziehen und quasi auf sich selbst verzichten zugunsten desjenigen, was sich hinter ihm befindet… er darf dort, wenn er jenes sehen will, nicht ganz Geist sein.” Und vor allem : “Und das ist das wahrhafte Endziel für die Seele. Jenes Licht anzurühren und kraft dieses Lichtes zu erschauen, nicht in einem fremden Licht, sondern in eben dem, durch welches sie überhaupt sieht!”

Lesen, Wissen, Wahrheitssuche

Helen Greaves schreibt in ihrem Text ” Zeugnis des Lichts”, von dem sie behauptet, daß sie ihn medial aus einer  jenseitigen Welt empfangen habe : “Ich brauche nicht länger zu kämpfen und mich anzustrengen wie in meinem Leben auf der Erde. Dort habe ich immer zu viel gearbeitet, regelrecht abgemüht habe ich mich. Ich kämpfte mich vorwärts. Ich bin jedem Kanal, jedem Weg gefolgt, der zu jenem gelingenden Durchbruch führen sollte, den sich meine Seele so tief ersehnte. Ich …studierte und untersuchte alle Theorien, die den Geist erklären konnten..las und bearbeitete… Bücher über ..Suche nach Wahrheit -all dies mit dem großen Ziel , dachte ich, der Erleuchtung. Und jetzt sehe ich, wenn ich auf mein Erdenleben zurückblicke, daß so vieles davon Illusion war. Ich suchte nach dem Geist, der sich mir offenbaren sollte, wo doch einzig allein ein Sich -Öffnen hin zu Gott notwendig gewesen wäre.”

Eine zu der  Erlangung von Wissen versöhnlichere, wenn nicht andersmeinende Position zeigt Hans Thomas Hakel in seinem Artikel über die Fraternitas Saturni auf: “Ganz im pansophischen Sinne von Heinrich Tränker: Der wichtigste Grundsatz auf dem Weg zu den pansophischen Geheimnissen war hierfür: “Wisse und studiere alles!” Daraus folgte die erste Regel für jeden pansophischen Schüler: “Ich will Alles wissen”.
(“Mit seiner Schrift Prodomus pansophia führte Johann Amus Comenius den Begriff der Pansophie in die Philosophie ein. Erstmals verwendete er den Begriff im Jahre 1633 in einer Einleitung zur Philosophie. Er sah es als schädlich und unzweckmäßig an, den Glauben vom Wissen zu trennen. Sein Konzept zur Pansophie gliedert sich verschiedene Schritte, deren grundlegende sind  Universae Eruditionis Breviarium solidium: Gründliches Breviarium der gesamten Gelehrsamkeit und  Intellectus humani Fax lucida: Scheinende Fackel des Verstandes .” Quelle:Wikipedia)
Diese Sichtweise entlastet die Position der geistigen (im Sinne  von kognitiven) Befähigung und Motivation zum Erlernen von dem Anwurf der Eigenermächtigung über die Durchdringung der transzendenten Dinge und der  Vergeblichkeit über dieses Vorhaben, ungeachtet dessen, daß zu einer letzten  und höchsten Erkenntnis über eine subjekt/objekt-transzendierende Totalität tatsächlich eine entsprechend nicht-diskursive  Geistigkeit hinter dem Geist verhelfen müßte. Vielleicht kann man diesen Widerstreit abmildern, indem man Lesen und (kognitives) Lernen eben als eine Form der Wissens-Aneignung betrachtet, die durch ihr Signum der  Durchdringung gerade auch als spiritueller oder religiöser- prozessualer- (im Sinne von gnostisch)  Akt (Weg) gedeutet werden sollte.  Als Basis der Durchdringung dient zuallererst die zeitliche und örtliche Orientierung, im weiteren Sinne die Kartographierung der geographischen Bedingung.  Hierauf folgt die Kartographierung des Gedachten (somit die Beschäftigung mit der Philosophie). Auf der nächsten Stufe ist Lesen dann aber weit mehr als Adaptieren oder auch Inspiration, sondern bedeutet  ein Resonieren mit bereits Gewußtem und Geahntem, kommt einer  Vergewisserung über den tieferen Seelen-Korpus gleich, der sich ja über die eigene Ego-Grenze und dessen Gesichtsfeld ausdehnt und auf dessen  Vergegenwärtigung  man wie zur Bestätigung in den Ausformulierungen Anderer treffen kann. Hier wird Lesen zu einem Akt der Erbauung des Wissenden.   Natürlicherweise ist dieser Akt als ein Faktor zu verstehen, der zur Fundierung eines Zustandes gereicht, wo freilich jegliches Kognitiv-Rationale überwunden ist, in dem Sinne aber, daß es nicht abgeschafft oder verworfen, aber auf einer höheren Ebene  als etwas Zuträgliches, als etwas Erhellendes integriert ist, auf dem Weg dann zur letzten Forderung der Pansophen, Ad Deum ipsum Scala beata: der seligen Treppe zu Gott selbst.

Konstantinische Repression

Zur Ausbreitung des Christentums ab der konstantinischen Wende und der Kanonisierung der Schrift und des Dogmas muß angemerkt werden, daß diese -entgegen einiger anderslautender  Vorurteile- keineswegs auf der Freiwilligkeit zum Christentum oder auf einer damaligen Anziehungskraft der Lehre-zumindest nicht in dem Sinne, wie diese  sich uns heute darstellt- beruhte.
Elaine Pagels:
“Konstantin erließ eine …Verfügung, mit der er klarstellte, ‘daß der Genuß der hinsichtlich der Religionen gewährten Privilegien ausschließlich Personen vorbehalten bleiben muß, welche die katholische Observanz ausüben. Es ist ferner unser Wille, daß Häretiker und Schismatiker nicht nur von diesen Privilegien ausgeschlossen bleiben, sondern überdies durch mancherlei Zwangsabgaben gezügelt und belastet werden. `

Außerdem dekretierte Kosntantin, ‘daß jeder Jude, der einen Übertritt vom Judentum zum Christentum gewaltsam zu verhindern suche, bei lebendigem Leib zu verbrennen sei.’

Von den Bischöfen abgesegnet und von Konstantin selbst gebilligt, wurde das Nicänische Glaubensbekenntnis dann zur offiziellen Lehrnorm,…Ein Jahr, bevor sich die Bischöfe in Nicäa versammelten, hatte Konstantin versucht, allen “häretischen Sekten” -die zusammen schätzungsweise die Hälfte aller Christen im Römischen Reich zu ihren Mitgliedern zählten – auf dem Wege der Gesetzgebung ein Ende zu machen. Der Kaiser verhängte über “Häretiker und Schismatiker” ein Versammlungsverbot, das selbst für Zusammenkünfte in Privathäusern galt, und erteilte ihnen die Auflage, ihre Kirchenbauten und was sie sonst an Immobilien besaßen, der katholischen Kirche zu übereignen.”
Nach deren Ausschluß  war keineswegs eine Einigung über die offizielle Lehre erreicht, sondern man kam  lediglich zu einem Dekretieren, dessen  Sinn gänzlich darin lag, auch wenn man -aus Gründen-  behauptet, die nicänischen  und die darauffolgenden Konziliarsbeschlüsse seien göttlich inspiriert, dem römischen imperialen Hegemonialgedanken zu entsprechen, und so erfolgreich dieser auch war und so sehr auch mit Konstantin  zur Konsolidierung des prekären Reiches  und der Befriedung vor allem der Goten führte, so  offenbar attraktiv er auf Anhänger der Reichsidee aller Epochen gewirkt haben mag, hinterläßt und etabliert er einen religiösen Torso , wegen der Verkürzungen der ursächlichen Lehre,  weil die Hauptaussage der Lehre -nämlich der ontologische Kern, der den gnostischen Schulen ganz selbstverständlich als urreligiöses Motiv bekannt war, nun fehlte, so daß dieser nur noch in Spuren  für den Eingeweihten aus den offiziellen Schriften herauszulesen ist -um sogleich bei richtiger Lesart  die offizielle Lehre zu transzendieren und somit als obsoleten Irrweg zu erklären.

 

Episode und Invarianz

Nach Hegel ist menschliches Erkennen als Leistung des Selbstbewußtseins ein Implikat des substantiellen Geistes, der zum Sichwissen gelangt.
In diesem Kontext sollte man m.E. die bisherige Kirchen-bzw. Religionsgeschichte sehen. Insofern bietet sie (gehöriges) Vermächtnis und entscheidende europäische Identitätsstiftung. Sie ist aber Episode (und die Errungenschaften der Antike vestellendes Hindernis) auf dem Weg zum Sichwissen (gewesen).
Und daher passend zur geistesgeschichtlichen Einordnung: (Demnach ist die Episode als Subtext über den eigentlichen Kontext gerutscht um ihn so zu verdecken. Nicht anders sind selbstredend die anderen, konkurrierenden  Theismen zu bewerten.)
P.Stekeler Weithofer “Metaphysik”,  in Disziplinen der Philosophie, Meiner 2014:
“Die Entwicklung des christlichen Glaubens an die Unsterblichkeit der Seele und an einen kosmologisch allmächtigen, epistemologisch allwissenden und ethisch allguten Gott kann oder sollte durchaus als eine Art Nebenprodukt der großen Idee der Pythagoreer, Eleaten, Platons und dann auch des Aristoteles angesehen werden, ein möglichst verlässliches, in Bezug auf die beschränkte Zeit- und Ortsperspektive der einzelnen Personen invariantes Wissen anzustreben.”

 

 

Erworbenes und Adaptiertes

Arthur Schopenhauer:
“Wenn man auch bisweilen eine Wahrheit, eine Einsicht, die man …durch eigenes Denken und Kombinieren herausgebracht hat, hätte mit Bequemlichkeit in einem Buche ganz fertig vorfinden können: so ist sie doch hundertmal mehr wert, wenn man sie durch eigenes Denken erlangt hat. Denn nur alsdann tritt sie als integrierender Teil, als lebendiges Glied, ein in das System unserer Gedanken und steht mit demselben in vollkommenem und festem Zusammenhange, wird mit allen Gründen und ihren Folgen verstanden, trägt die Farbe, den Farbton, das Gepräge unserer ganzen Denkweise, ist eben zur rechten Zeit, als das Bedürfnis derselben rege war, gekommen, sitzt dabei fest und kann nicht wieder verschwinden.Demnach findet hier Goethes Vers

“Was du ererbt von deinen Vätern hast,
Erwirb es, um es zu besitzen!”

seine vollkommene Anwendung, ja, Erklärung. Der Selbstdenker nämlich lernt die Autoritäten für seine Meinungen erst hinterher kennen, wo sie ihm dann bloß zur Bekräftigung derselben und zu eigener Stärkung diene; während der Bücherphilosoph von ihnen ausgeht, indem er aus fremden zusammengelesenen Meinungen sich ein Ganzes konstruiert, welches alsdann einem aus fremdem Stoff zusammengesetzen Automaten gleicht, jenes andere hingegen einem lebenden erzeugten Menschen. Denn gleich diesem ist es entstanden, indem die Außenwelt den denkenden Geist befruchtete, der danach es austrug und gebahr.
Die bloß erlernte Wahrheit klebt uns nur an, wie ein angesetztes Glied, ein falscher Zahn, eine wächserne Nase, die durch eigenes Denken erworbene aber gleicht dem natürlichen Gliede; sie allein gehört uns wirklich an. Darauf beruht der Unterschied zwischen dem Denker und dem bloßen Gelehrten. Daher sieht der geistige Erwerb des Selbstdenkens aus wie ein schönes Gemälde, das lebendig hervortritt, mit richtigem Licht und Schatten, gehaltenem Ton, vollkommener Harmonie und Farben. Hingegen gleicht der geistige Erwerb des bloßen Gelehrten einer großen Palette, voll bunter Farben, allenfalls systematisch geordnet, aber ohne Harmonie, Zusammenhang und Bedeutung.”

Zusatz: Und nach meiner Erfahrung  existiert gar eine besondere Spezies, die hierzu- eigentlich  unerklärlicherweise-, eventuell aus schlichter Bequemlichkeit, diese gepaart mit einem Hang zur Anmaßung, das Uneigene und Fremdadaptiere, das ohne eigene Durchdringung oder wirkliche Leidenschaft Versehene und nicht einmal Verstandene , trotzdem meint, in Besitz nehmen oder halten zu müssen.
Jesus sagte: “Wehe den Pharisäern! Sie gleichen einem Hunde, der auf der Futterkrippe für Ochsen liegt. Denn weder frißt er noch läßt er die Rinder fressen.”(Thomasevangelium, Logion 102)

 

Dasein: “nichtig” oder “nichts” ?

Meister Eckhart nimmt den geschaffenen Dingen jede reale Substanz. Der Unterschied zwischen “nichtig” (bei Thomas von Aquin) und “nichts” (Eckhart), bezogen auf das Geschaffene, auf das  Dasein, zeigt nicht weniger als eine fundamentale, ontologische  Scheidung, die zumindest seit den Kirchenvätern auf die Anerkennung der Materie gerichtet war. “Nichtig” im Sprachgebrauch von Thomas von Aquin ist dann  als Wertung des Materiellen, nicht aber als Aufhebung des Materiellen/Geschaffenen aufzufassen.
Für Aristoteles ist das Stoffliche die sich als bloße Möglichkeit verwirklichende Form. Wenn Thomas von Aquin davon spricht, daß das Geschaffene “fast nichts” sei, knüpft er wohl an diesen Gedanken an und entwickelt ihn im theistischen Sinne weiter. Vor dem Hintergrund der Eckhart-Diskussion ist auch hier wieder relevant: Thomas von Aquin -mit seinen Gottesbeweisen usw. -vertritt ein Gottesbild von einem handelnden Gott, der eben zur Verwirklichung der Möglichkeiten befähigt ist. Gleichzeitig wird zwar der Vorrang des Geistigen gegenüber dem Stofflichen betont. Bei Eckhart hingegen ist diese Möglichkeit einzig durch die sinnliche Wahrnehmung des Wahrnehmenden selbst konstituiert (wie auch im übrigens im Intellekt das Über-Materielle, ja Gott persönlich konstituiert wird.) Daher ist Wahrnehmung oder Interpretation des Einen über sich selbst als Zertstreutes, Individualisiertes lediglich Unkenntnis über das eigentliche Sein bzw. die eigene Potenz zum Sein (das Eins ist).”Der Fluss ist verflossen in sich selbst.” Erkennt aber die (präexistente) Seele, wo sie einst war und was sie eigentlich ist (Platon) , nimmt sie nicht mehr “stofflich”, in Individuation zersplittert wahr, sondern sie ist im ruhenden letzen Grund ihr selbst und allem Anderen Eins.

 

Hegel zum Christentum

Hegel sagt: “Wir stehen hier im Christentum. Vom Christentum aus hat sich die Philosophie wiederherzustellen. Im Heidentum war die Wurzel des Erkennens die äußere und subjektive Natur: das Selbst, dann dieses als selbstloses Denken.
Die Natur hat positive, affirmative Bedeutung gehabt, ebenso das innere, natürliche Selbst des Menschen, ebenso das Denken; alles dieses war daher gut. Die Wurzel der Wahrheit im Christentum hat ganz anderen Sinn; es war nicht nur Wahrheit gegen die Götter, sondern auch gegen die Philosophie, gegen die Natur, gegen das unmittelbare Bewußtsein des Menschen.
Die Natur ist da nicht mehr gut, nur ein Negatives; das Selbstbewußtsein, Denken des Menschen, sein reines Selbst, alles dieses erhält eine negative Stellung in dem Christentum.
Das Selbst soll aufgehoben werden, es ist unmittelbare Gewißheit; die Natur hat keine Gültigkeit, Interesse. Himmel, Sonne, die Natur ist Leichnam; es soll kein Interesse haben.”

Der hinduistische Stufenweg zum Heil

Der Stufenweg zum Heil (nach H. Glasenapp)

Die Wesen sind physisch, intellektuell und moralisch unvollkommen und der leidvollen Vergänglichkeit unterworfen, weil sie mit Körpern und Organen behaftet sind; ihre Verkörperung ist die notwendige Folge der Taten (karma) ihrer früheren Existenzen; das Karma ist durch die Begierden (kama) und Leidenschaften verursacht, denen sie sich hingaben: daß die Triebe über sie ihre Macht ausüben konnten, hat aber seinen Grund in dem Nichtwissen, das heißt in der mangelnden Einsicht in das Wesen von Welt und Überwelt.
Der Heilsucher muss bestrebt sein, alles Böse zu meiden und alles Gute zu vollbringen, um so im Verlaufe zahlreicher Existenzen die moralischen Qualitäten zu erwerben, die ihn für das Beschreiten des eigentlichen Heilspfades geeignet machen
Als praktische Hilfsmittel zur vollständigen Beherrschung der Triebe wird ein asketischer Lebenswandel bzw. Abkehr von der Welt empfohlen.
Während die meisten Systeme in den Leidenschaften Realitäten sehen, die aufgehoben werden müssen, um den Weg zum Heil frei zu machen, betrachten manche hinduistischen Tantriker sie als unvollkommene Ausdrucksformen der großen, universalen Kräfte, die auch dem Heilsprozeß zugrunde liegen.
Das Nichtwissen ist die angeborene Unkenntnis der Heilswahrheiten, es ist die Ursache davon, daß sich der Mensch seiner wahren Natur und seiner tatsächlichen Stellung innerhalb des Weltgefüges nicht bewußt ist und deshalb vergänglichen Phänomenen nachjagt, statt sein Denken auf das Unvergängliche zu richten.
Eine Selbsterlösung lehren der Jainismus, der Buddhismus, manche Vedanta Schulen sowie die übrigen klassischen Philosophien.
Im Ganzen gesehen sind die Vorstellungen der Inder von dem Zustand des Erlösten von außerordentlicher Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit. Für die einen ist es ein verklärtes irdisches Dasein ohne Leid und böse Triebe, für die anderen eine geistige Existenz, die alles aus sich selbst schöpft, für die einen ein seliges Verschmelzen mit dem Göttlichen, für andere das ewige zur Ruhe kommen, bei dem auch nicht der geringste Rest von dem erhalten bleibt, was einst eine Persönlichkeit bildete.
Sein philosophischer Tiefblick hat den Inder seit langem von der Illusion befreit, daß das wahre Glück von außen an die Menschheit herangebracht werden könnte und ihn davon überzeugt, daß es nur von dem einzelnen im Wege geistiger Verinnerlichung gewonnen werden kann.

 

Fichte und der Maximalismus Ciolkovskys

J.G. Fichte sagt:
“Es ist die Bestimmung unseres Geschlechts, sich zu einem einzigen, in allen seinen Teilen durchgängig mit sich selbst bekannten und allenthalben auf die gleiche Weise ausgebildeten Körper zu vereinigen. Die Natur…des Menschen hat von Anfang an gegen dieses Ziel hingetrieben; es ist schon ein großer Teil dieses Weges zurückgelegt, und es läßt sich sicher darauf rechnen, daß dasselbe, die Bedingung der weiteren gemeinschaftlichen Fortschritte, zu seiner Zeit erreicht sein werde. ” Dies des Menschen “eigentlichem Wesen und nächsten Zwecke nach, nur für die andere (überirdische) Welt.”
Der Bolschewist und Maximalist -sowie der Vater der russischen Raumfahrt- K. Ciolkovsky sagt: “es werde eine Gattung… entstehen, die physisch, intellektuell, moralisch und ästhetisch den heutigen Menschen so weit überlegen sei, wie diese sich von niederen Lebewesen unterscheiden. Im weiteren Verlauf der kosmischen Evolution werde die Menschheit ihre Körperlichkeit verlieren, sich in eine Art Strahlung verwandeln und damit unsterblich in der Zeit und unendlich im Raum werden. Dem Moskauer Wissenschaftler Koickij zufolge existiert Ciolkovskijs ‘Strahlen-Menschheit” bereits in Gestalt des irdischen Magnetfeldes, das eine Art kollektives Hyperhirn sei, in dem alle vom Menschen erzeugte Information gespeichert und abrufbar sei.” (M. Hagemeister).
Nicht nur, daß hier die Korrelation zu Rupert  Sheldrakes morphogenetischen Feldern oder vor allem der Konzeption von der Akasha-Chronik sichtbar wird, die Aussage Ciolkovskys zeigt, daß die profanisierte Auslegung einer ursächlich metaphysisch veranlagten Evolution bzw. Teleologie “der Menschheit”, also letztlich des Körpers wie des Bewußtseins, –  wird sie nur konsequent genug gedacht – wieder zum Proklamat des Hochidealismus vom Über-Materiellen zurückzukehren hat, alleine durch die in der maximalen Erwartung  liegende Konsequenz, die die utopischste, möglichst denkbare Entfernung bzw. Absetzung vom Ist-Zustand anzunehmen hat, ( der nämlich materiell, verfestigt, fragmentiert und raumzeitlich ist).