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Heisenberg , neues Weltbild

Werner Heisenberg:
“Wichtig für das materialistische Weltbild ist nur die Möglichkeit, diese kleinsten Bausteine, die Elementarteilchen, als die letzte objektive Realität zu betrachten. Auf dieser Grundlage also ruhte das festgefügte Weltbild des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, und es hat dank seiner Einfachheit eine Reihe von Jahrzehnten seine volle Überzeugungskraft bewahrt.
Aber eben an dieser Stelle haben sich dann in unserem Jahrhundert tiefgreifende Veränderungen in den Grundlagen der Atomphysik vollzogen, die von der Wirklichkeitsauffassung der antiken Atomphilosophie wegführen. Es hat sich herausgestellt, daß jene erhoffte objektive Realität der Elementarteilchen eine zu grobe Vereinfachung des wirklichen Sachverhaltes darstellt und viel abstrakteren Vorstellungen weichen muß. Wenn wir uns ein Bild von der Art der Existenz der Elementarteilchen machen wollen, können wir nämlich grundsätzlich nicht mehr von den physikalischen Prozessen absehen, durch die wir von ihnen Kunde erlangen. Wenn wir Gegenstände unserer täglichen Erfahrung beobachten, spielt ja der physikalische Prozeß, der die Beobachtung vermittelt, nur eine untergeordnete Rolle. Bei den kleinsten Bausteinen der Materie aber bewirkt jeder Beobachtungsvorgang eine grobe Störung; man kann gar nicht mehr vom Verhalten der Teilchen, losgelöst vom Beobachtungsvorgang sprechen. Dies hat schließlich zur Folge, daß die Naturgesetze, die wir in der Quantentheorie mathematisch formulieren, nicht mehr von den Elementarteilchen an sich handeln, sondern von unserer Kenntnis der Elementarteilchen. Die Frage, ob diese Teilchen ‘an sich’ in Raum und Zeit existieren, kann in dieser Form also nicht mehr gestellt werden, da wir stets nur über die Vorgänge sprechen können, die sich abspielen, wenn durch die Wechselwirkung des Elementarteilchens mit irgendwelchen anderen physikalischen Systemen, z. B. den Meßapparaten, das Verhalten des Teilchens erschlossen werden soll. Die Vorstellung von der objektiven Realität der Elementarteilchen hat sich also in einer merkwürdigen Weise verflüchtigt, nicht in den Nebel irgendeiner neuen, unklaren oder noch unverstandenen Wirklichkeitsvorstellung, sondern in die durchsichtige Klarheit einer Mathematik, die nicht mehr das Verhalten des Elementarteilchens, sondern unsere Kenntnis dieses Verhaltens darstellt. Der Atomphysiker hat sich damit abfinden müssen, daß seine Wissenschaft nur ein Glied ist in der endlosen Kette der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur, daß sie aber nicht einfach von der ‘Natur an sich’ sprechen kann. Die Naturwissenschaft setzt den Menschen immer schon voraus, und wir müssen uns, wie Bohr es ausgedrückt hat, dessen bewußt werden, daß wir nicht nur Zuschauer, sondern stets auch Mitspielende im Schauspiel des Lebens sind.”

Mythos unserer Zeit (und seine Gegner)

Heisenberg: “Da die Quantentheorie im Zusammenhang mit der Atomlehre entstanden ist, so steht sie auch, trotz ihrer erkenntnistheoretischen Struktur, in enger Beziehung zu jenen Philosophien, die die Materie in den Mittelpunkt ihres Systems rücken. Aber die Entwicklung der letzten Jahre vollzieht doch sehr deutlich -wenn man überhaupt Vergleiche mit der antiken Philosophie ziehen will – die Wendung von Demokrit zu Plato.”
Zu dieser Denkart ist ergänzend der Ansatz Wolfang Paulis zu erwähnen, denn der Physik-Nobelpreisträger und Freund C.G. Jungs, sprach gar während der 50’er Jahre von der Einheitsbestrebung einer komplementären Sicht aus Rationalität und Mystik als dem unausgesprochenen Mythos unserer heutigen Zeit. Daß dieser Mythos sich aber bisher so kaum entwickeln konnte, ist auf die ungebrochene Dominanz seiner beiden (verwandten) großen Feinde zurückzuführen: Den Theismus und den Materialismus nach Hegel bzw. den dialektischen Materialismus oder Marxismus (der heute als Neomarxismus wachsende Dominanz beansprucht und ein zunehmend restriktives Meinungsklima herstellt). Der Theismus lebt ganz aus der Akzeptanz des Vorfindlichen als Welt, also aus einem naiven Realismus, er beschreibt dabei einen prinzipiell schroffen Dualismus von materieller und geistiger Natur. Später hat man die Einführung dieses Dualismus Descartes zugeschrieben, de facto aber ist er die Konsequenz aus der Lehre der Kirchenväter nach der Ausscheidung der gnostischen Elemente hin zu dem offiziellen römisch-petrinischen Dogma. Die geistige Welt hat dem Christ dabei nicht von wirklichem Interesse zu sein, sie ist zwar geglaubt, aber sie steht in keinem Seinsbezug zum jetzigen eigenen geistigen Selbst, der Bezug ist ganz reduziert und fokussiert auf das Vaterbild eines deus absconditus (Buch Jesaja: „Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland.“ 45,15), daher auch wird jede vom Menschen versuchte Interaktion mit dem Geistigen als unzulässige Überschreitung seiner Kompetenz erachtet (und geahndet), etwa als verwerfliche magische Praxis; Aspekte der Selbsterlösung -und -erweiterung gelten (obwohl sie das Ich zu überwinden trachten) als ketzerische Anmaßung und Auflehnung gegen Gott. Das Geistige gerät so aber ganz in die Distanz, es wird von der Welt hinweggerückt, und unter der Betrachtung des ganz verschiedenen allmächtigen Gottvaters wird alles Hiesige zum reinen Objekt seines nämlichen Willens. Der Bezug des Christen ist entsprechend submissiv wie passiv, abwartend, ist nicht geistig gestaltend. Dem Christ ist Leben nicht Wachstum. Und wenn er ‘geistig’ meint, dann meint er diskursiv im scholastischen Sinne, also die ‘angewiesene’ Haltung nur zur Rechtfertigung der Offenbarungsinhalte gestaltend, oder – nicht-diskursiv- ergeben in Anbetung und Bewußtheit der Getrenntheit und individuellen Ohnmacht (der eigenen Gefallenheit).
Der Christ ist Demokritianer, ist ganz Atomist, er muß die Realität der Welt in ihrem materiellen, einem dem Menschen apriorischen (eben von Gott geschaffenen) Zustand anerkennen – und gleichzeitig muß er die Welt doch als zum Transzendenten überwindenswert ablehnen- eine Ambivalenz, die seine Haltung von jeher verkompliziert, denn der Christ ist in der Welt, aber doch nicht von der Welt, eigentlich daher auch nicht FÜR die Welt (sondern für die Weltüberwindung), obgleich er ja gleichzeitig zu Einlassung und Barmherzigkeit angehalten ist, um auf seine erwartete und erhoffte individuelle Erlösung hinzuarbeiten.
Der Materialist hingegen hat alles Geistige ganz verworfen und ist so nur noch mit einem halbierten Dualismus konfrontiert. Ihm bleibt alleine die Materie als dessen Torso, und diesen Torso erhebt er so zu Allem. Er proklamiert nun den Menschen als einzige Instanz zur Gestaltung der Natur, kann aber nicht erklären, woher dieser Gestaltungsimpetus seinen Ursprung nimmt und warum ein entsprechender Zweck hierzu überhaupt einst angelegt sein soll. Überhaupt hat er nur eine ganz vergröberte Sicht auf die Natur, die die fundamentalen Fragen der Ontologie im Zuge der Erkenntnisse der neuen Physik ganz negieren muß. Er pflegt ebenso wie der Theist einen naiven Realismus, allerdings mit noch größerer Trotzigkeit als jener, weil ihm nicht einmal der vageste Ausweg aus der grobstofflichen Seinsverortung bleibt, weil er die Erkenntnis über die Seinsgrundlagen als ganz zu Ende gedacht anzusehen hat, die Materie im Apriorischen ihm die letzte und höchste Instanz und Geist nur ein entsprechend physiologisch Hervorgegangenes des Materiellen ist.

Heisenberg, Plotin, das Verbindende

Werner Heisenberg: “Niels Bohr hatte Angst davor, daß die formale mathematische Struktur den physikalischen Kern des Problems verdecken könnte, und war jedenfalls überzeugt davon, daß die vollständige physikalische Aufklärung der mathematischen Formulierung unbedingt vorangehen müsse. Vielleicht war ich um jene Zeit schon in etwas höherem Maße als Bohr bereit, mich von den anschaulichen Bildern zu lösen und den Schritt in die mathematische Abstraktion zu tun. Jedenfalls spürte ich in den Formeln, die ich zusammen mit Kramers ausgearbeitet hatte, eine Mathematik am Werke, die gewissermaßen entfernt von den physikalischen Vorstellungen schon von selbst funktionierte. Von dieser Mathematik ging für mich eine magische Anziehungskraft aus, und ich war fasziniert von der Vorstellung, daß hier vielleicht die ersten Fäden eines riesigen Netzes von tiefliegenden Zusammenhängen sichtbar geworden seien.”

Hierzu dieses Zitat Plotins: “Vielleicht aber darf man überhaupt nicht sagen, das Eine sei Ursache für das andere, sondern muß dieses gleichsam als seine Bestandteile und gleichsam als seine Elemnete auffassen und das Ganze als eine einheitliche Wesenheit, die durch unsere Gedanken zerteilt wird, während es selbst infolge einer wunderbaren Kraft Eines in Allem ist und als Vieles erscheint und zu Vielem wird, wenn es sich gleichsam bewegt, und die Vielheit der Wirklichkeit macht, daß das Eine nicht Eines ist. Wir heben gleichsam Teile von ihm heraus, setzen sie je als besondere Einheit an und nennen sie Gattung, ohne zu wissen, daß wir nicht das Ganze zugleich erblickt haben, sondern nur einen Teil herausheben und die Teile dann wieder verknüpfen, da wir sie nicht lange Zeit festhalten können; denn sie streben zu sich selbst zurück. Deshalb entlassen wir sie wieder in das Ganze und lassen sie Eines werden, vielmehr Eines sein.”
“Die Problementwicklung des Einen und Vielen vollzieht hier den für Plotin eigentümlichen Schritt: Die Vielheit ist die Weise, wie das unterscheidende Denken das ursprünglich Eine und Ganze, das unteilbar Innerliche, begegnen läßt.” (Volkmann Schluck)
Hier läßt sich vorbildlich wiederum mit Heisenberg anknüpfen: “In den letzten Jahrzehnten sind in viel höherem Maße als früher die Verbindungen zwischen den verschiedenen Naturwissenschaften sichtbar geworden.”

Apriorische Wahrnehmung

Energie ist gemeinhin als das Produkt aus Masse und Beschleunigung bekannt. Nun hatte sich irgendwann herausgestellt, daß die kleinsten Elementarteilchen prinzipiell der Masse entbehren und viel eher als die Repräsentanten von Energie-Zuständen zu bezeichnen sind (was die platonische Ansicht von der Nichtigkeit der Materie eindrucksvoll untermauern kann). Wie aber soll -entgegen obiger Gleichung – vor der Masse überhaupt Energie sein?
Es muß von einer apriorischen Größe ausgegangen werden, einer Energie, die zu ihrer Enstehung keiner Massebewegung bedarf, sondern im Gegenteil Masse durch ihre eigene Bewegung erst konstituiert. Bei Heraklit ist dies bildhaft das Feuer. Man kann dies das Geistige -oder das Ingenium nennen. Geist in Bewegung ergibt Masse.
Wie aber gerät Geist in Bewegung? Er tut dies durch ein Sich nicht begnügen in Sich. Indem der Geist dabei das, was ruht, betrachtet, gerät er in zur Explikation drängenden Unruhe. Die Enstehung der Vielheit hieraus schließt den Körper und seinen Perzeptionsapparat als Aspekt der konkret gewordenen Vielheit folgerichtig mit ein. Dies kann ja nichts anderes heißen, als daß die Gestaltung des Körperlichen und die Gestaltung der Wahrnehmung VOR dem Körper und seiner (Körper-) Wahrnehmung liegen muß. Demnach aber muß eine geistige Perzeption existieren, die der körperlichen Perzeption apriorisch ist, dessen körperliche Wahrnehmung nur eine geminderte Referenz zur eigentlichen Wahrnehmung meint. Diese geistige Wahrnehmung ist also die eigentliche konstituierende Kraft, die Körperwahrnehmung hingegen ist eine höchst geminderte und fragmentierte. Und so ist zuletzt aber alles Materielle (oder Gewordene) in der Wahrnehmung und gemindert – und der Form nach schon verortet eben in dieser höheren Sicht.(Daher auch ist dem Theist die Materie so immanent, weil er ja auf jedes Konstruktivistische verzichten muß, um eben die Schöpfung erklären zu können. Denn wenn keine objektive Materie ist, was soll Gott dann erschaffen haben? In dem Falle ja wohl nur eine Befähigung zur Welt-konstituierenden Warnehmung, da diese ja eben nur VOR dem Materiellen (also auch vor dem Körper und den Körpersinnen ) und also geistigen Ursprunges sein kann. Gott aber duldet keine solche Konkurrenz.)
Behandelt man die willentliche Forcierung der Betrachtung und also diesen bewußten Anstoß zur Konstituierung der sichtbaren Natur, spricht man auch von magischer Praxis. Über den Bestrebungen der Magie aber, die meist den eigenen Zielsetzungen folgen sollen, ist ein viel höherer Zweck, der diesen als Gesamtheit, als das Eine beschreibt, dessen constitutio er wiederherstellen will. Das sichtbare Wesen zum überindividuellen Zweck ist dabei in seiner Entfaltung oftmals als das Schöne (und ebenso das Einfache) bezeichnet worden .
So ließe sich hierzu noch anfügen: Das Schöne ist in dieser Anschauung zugleich das Wahre, das im Objekt (also von seinem Wesen her) hindurchscheint und daher als solches erkannt wird und eben als schön befunden wird. Daher der lateinische Leitsatz: ‘pulchritudo splendor veritatis’ (Die Schönheit ist der Glanz der Wahrheit). Der äußere Putz aber ist ohne Belang und Bezug, ist bloß Tand – Staub, der zu Staub zerfällt. Die Ausstrahlung (des Schönen) kann ausschließlich von Innen erfolgen. Je mehr Fassade und Künstliches, desto weniger kann es an den Schönheitssinn appellieren. Eben weil es nicht wahr ist, weil es Lüge ist.

Das EInfache ist das Wahre

Wille und Lassen

Niels Bohr: “Auf ein weit entferntes Objekt zu zielen und es dann zu treffen, das ist natürlich unmöglich. Aber wenn man die Unverschämtheit besitzt, ohne zu zielen, in die Richtung zu werfen, und sich dabei die absurde Möglichkeit vorzustellen, daß man auch treffen könnte, ja dann kann es vielleicht doch geschehen. Die Vorstellung, daß etwas geschehen könnte, mag stärker sein als Übung und Wille.”

Hierzu ein Satz Plotins: “Der Nous muß, um das Eine zu ergreifen, hinter sich selbst zurückgehen, er muß sich in sich zurückbeugen und im Vollzug der Reflexionsbewegung das je schon anwesende Eine ergreifen durch Entrückung aus dem Denken artikulierter Gestalten. Der Geist muß, um das Eine zu erschauen, mit dem Nicht-Geist schauen: Was dem Nicht-Geist da erscheint, das ist eben das ungegenständliche Nicht-sein alles gestaltgebundenen begegnenden Seienden: das umwelthafte In-sich-selbst-sein selbst, in dessen Anwesenheit die Zweiheit getilgt ist. Das Sein zu diesem vollendeten Einen ist die vollendete Seinsganzheit der zu sich selbst gekommenen Seele, das vollkommene Sich-in-sich-hineingesehen-haben.” (Volkmann Schluck)

Zentral dem plotinischen Gedanken ist die Proklamation eines Seinsbereiches, den man in Absenz zur denkenden Bewußtheit (und darüberhinaus zur raumzeitlichen Realität) charakterisieren könnte, einer Hypostase also, die über dem diskursiven, willentlichen Denken liegend, als reine potentia aufgefasst werden kann, die ihre endlose Möglichkeit (als totale Superposition) nicht zur Konkretion führt und in sich selbst alles hat als Eines. Die Wesensähnlichkeit, die Annäherung des als indivieduell und bewußt agierend vorgestellten Geistes im Einzelwesen an diese Unbestimmtheit wird demnach (um auf den Satz von Bohr zu kommen) weniger durch willentliche Denkvorgänge als durch ein ‘Lassen’ – nämlich ein Lassen des Willentlichen und gedanklich konkreten Ergreifens – vollführt. (Fichte: ‘Ich denke allerdings unbestimmte Gegenstände, und mehr als die Hälfte meines Denkens besteht aus dergleichen Gedanken.’) Diesem Diktum folgt auch die Erzeugung der sogenannten Resonanz (im Sinne einer tätigen Erschaffung von Realität), die eben genau dieses geistigen Lassens bedarf, um nach einer willentlichen Anregung zur Ausbildung eines Explikationsantriebes aus der Unbestimmtheit sogleich ein solch beschriebenes Hinter dem Geist Sein herbeizuführen, um der Wirksamkeit in der potentia nicht durch Eigenes (also vom Eins-Sein-Fernes) hemmend im Wege zu sein. Indem das Ich zwar wünscht und so anregt, aber gleich wieder losläßt (und vergißt) wird es dem Individuellen unähnlicher und gleicht sich im Wesen dem Vollzug seiner schöpferischen Totalität an. Diese vor-geistige potentia in ihrer Anregung ist Unendlichkeit und Macht der Möglichkeit im Vollzug zur Endlichkeit, und ihr in gerichtete Bewegung Versetztes wird in ihrer Wirksam-Werdung als raumzeitliche Explikation des Angeregten wahrgenommen. Erfahrungsgemäß finden gerade in diesem Umkreis, im Wechselverhältnis von Gewichten und Lassen auch gehäuft Synchronizitäten statt – hier zu deuten als Dynamik einer prinzipiellen, vom Beobachter zu Individualbewußtsein gekommenen Selbsreferenzialität der interagierenden Hypostasen.

Zum Symbolischen

Sexus, Kunst, Liebe, Religion:
Ein Verbindendes von Sexus und Kunst: Es handelt sich zuletzt um höchst unvollkommene Versuche zur Beschreibung der Kräfte, die auch den universalen Heilsprozessen zugrunde liegen. Dies ist die tantrische Lesart. Eben solches gilt für das, was die Menschen ‘Liebe’ nennen, eben solches gilt gar für die Religion, jedenfalls in ihrer theistischen Ausprägung. Zu subsumieren ist all dies unter einer einzigen Begrifflichkeit des Symbols.
Wie ist hier weiter anzuknüpfen? Erwähntes rekurriert auf einen angelegten Wunsch nach Übersteigung, und dieser ist in seinem Vollzug etwas, was eine Beziehung herstellt, etwas Verbindendes, da das Übersteigende die Eigenschaft besitzt, zur Einheit zu streben, es möchte dabei gleichsam eine Addition vollführen, die ihre Summe übertreffen muß. Auch das exkludierende Verharren auf einer Position ist als ein Symbolisches verstehbar, nämlich wenn es als (separiertes) ‘Trägertum’ für den Gedanken des auf das Eigentliche (Eine) Rückbezogene fungiert. Im Entwicklungsprozeß der divergierenden Meinungen kann es dabei zu “wilden” oder uneffektiven Verknüpfungen oder Synkretismen kommen, und zwar wenn ein Spektrum an Gedanken durch seine ungerichtete, fragmentierte und unzureichend reflektierte Sicht nicht zur aufsteigenden Bewegung deutet und so den aktualen Erkenntnisrahmen noch nicht zu transzendieren befähigt ist. Daher auch das Wesen der Geheimlehre, sie ist ein Destillat höchster Erkenntnis -sie birgt diesen Prozeß bereits als Abgeschlossenes in sich, sie ist ganz Resultat- und ihrem Wesen der Einsicht nach ist sie elitär und solange den Vielen vorbehalten, bis der breite Bewußtseinsstrom in die Lage versetzt ist, ihr zu folgen. Einige mögen hier anzweifeln, daß eine globale (Bewußtseins-)Hebung dieserart überhaupt je erreichbar ist, andere (zuletzt alle, die sich Idealist nennen können) erkennen hierin nicht weniger als die innere Notwendigkeit allen Daseins selber und schauen auf jenen universalen Telos, der immer in eine Erkenntnis-Bejahung mündet, zur Rückexplikation des Ursprungs drängt. In diesem Kontext erscheint die breitenwirksame Religion bekanntermaßen als eine Übersetzung für die Vielen. (Wohlwollend besehen: Um schlimmeren Irrtum zu verhindern, um den Menschen in seinem transzendent angelegten Grundwesen zu bestätigen und zu stärken, kritisch betrachtet fungiert diese Übersetzung aber schlicht als Hemmung aller bewußtseinsevolutorischen Bewegung.)
Erkenntnisgeleitetes Sein strebt zuletzt nach Durchdringung, begnügt sich nicht (mit einem Bild) und betrachtet immer die Möglichkeit zur Übersteigung aller Lebensbereiche und meint so die Konkretion eines immanent Transzendenten zur Lebenswirklichkeit (außerhalb deren Vollzug kein Anderes ist). Bleibt man aber(bewußt) im Symbolischen, muß man jenes in seiner Rolle als Platzhalter verstanden wissen und den geistigen Blick durch dieses hindurch offenlassen (um das Symbol) zur Konkretion bereitzuhalten), sonst nimmt das Symbol in einer Bezuglosigkeit (oder Bezugsferne) musealen Charakter an und wird ganz erstorben. Betrachtet man den Umgang der Menschen mit dem Symbolischen in der Zeit, gewinnt man den Eindruck, daß dessen Bedeutungsinhalte (und nicht weniger der von Namen) gleichsam beliebig varianten Charakter annehmen und der Mensch im Großteil jenen eine äußerliche Ehrfurcht entgegenbringen mag, und dies selbst dann noch, wenn der Gehalt gleich einer Travestie verkehrt worden ist. Oder anders gesagt: Symbole und Namen sind nicht viel mehr als Projektions-und Protektionsräume für die variante Begehrlichkeit der Menge (geworden). So hat man sich zuletzt Archonten geschaffen, die weit bessere Auskunft über die Menschen (und ihre Verfehlungen) geben als über ursächliche Intentionen.

Schopenhauer, Indoktrination

Schopenhauer sagt: “Obschon dem Intellekt die Form seines Erkennens angeboren ist, so ist es doch nicht der Stoff oder die Materie derselben: dies aber war es, was die Lehre von den angeborenen Ideen, die Cartesius und Leibniz behaupteten und Locke bestritt, eigentlich besagte. Er ist also in Hinsicht auf diese doch eine tabula rasa, ein Blatt weißes Papier: auf dieses gedenkt die Natur erstlich Bilder zu zeichnen, dann Begriffe zu schreiben, und diese mit immer schärfern und stärkern Umrissen: Sie sollen der Leitstern seines Handelns sein. –
Nun aber kommt man (unredlicher und schändlicher Weise) im 6ten Jahre des Kindes, und zeichnet mit dicken und unauslöschlichen Zügen die Begriffe der positiven Religion auf jene tabula rasa und verdirbt der Natur für immer ihr schönes weißes Blatt: man richtet den jungen Intellekt ab, gegen seine Natur und Organisation, den monströsen Begriff einer individuellen und persönlichen Weltursache zu denken, ferner absoluten Weltanfang u.dgl. m. Dadurch verbaut man auf immer den freien Horizont seines Geistes, versperrt die ihm gegebene Aussicht in die Unendlichkeit der Wesenwelt, verdeckt das Feld der freien Forschung, und verkrüppelt seine Natur, damit sie zur Assimiliation des Falschen tauglich werde.”

Warum ist dieser Satz so aktuell? An die Stelle der Religion ist die sich als neue Scholastik gerierende, hochrepressive amerikanische Sozialwissenschaft
getreten. Ein Unterschied zu Schopenhauer besteht aber doch: Man beginnt heute mit der Indoktrination bereits vor dem 6.ten Lebensjahr, sprich im
Kindergarten.

Schopenhauer und Christentum

Nun hat man Schopenhauer nicht zuletzt wegen unten aufgeführter (und ähnlicher) Aussagen ein apodiktisches Ressentiment gegen das Christentum vorgeworfen. Genau betrachtet kann hiervon allerdings keine echte Rede sein, denn Schopenhauer steht in einer eigenen und dieser Art positiven Resonanz zum Christentum, indem er nämlich in der jesuanischen Lehre Konvergenzen zu den östlichen Weisheitslehren (und so also zu seiner eigenen) entdeckt, die er dem Abrahmitischen gegenüberstellt und scharf kontrastiert. In der Äußerung, er selber, Meister Eckhart und Buddha würden das selbe lehren, vollzieht sich der genauer bezeichnete Interpretationsradius und noch mehr die Grundverortung eines von Schopenhauer identifizierten jesuanischen Kerns.(Der in gnostischen Texten viel klarer vor uns liegt, von Schopenhauer aber meines Wissens nicht gekannt werden konnte, was seine Klarsichtigkeit bezüglich der eigentlichen jesuanischen Intention umso bemerkenswerter macht.)

“Gott ist in der neuen Philosophie, was die letzten fränkischen Könige unter den Majores Domus, ein leerer Name den man beibehält, um bequemer und unangefochtener sein Wesen treiben zu können.”

“Die rohen Gemüter zu bändigen und von Unrecht und Grausamkeit abzuhalten, taugt nicht die Wahrheit: denn sie können sie nicht fassen: also der Irrtum, ein Märchen, eine Parabel. Daher Nothwendigkeit der positiven Glaubenslehren.”

“Wenn ein Gott diese Welt gemacht hat, so möchte ich nicht Gott sein: ihr Jammer würde mir das Herz zerreißen.”

“Pseudophilosophen nenne ich die, welche unter dem Vorgeben, nach der Wahrheit zu forschen, an der Perpoetuierung alter occidentalischer Irrtümer geflissentlich arbeiten.”

“Zum Glauben ist man kein Philosoph.”

“Seitdem die ultima ratio theologorum, der Scheiterhaufen, nicht mehr ins Spile kommt, wäre eine Memme, wer noch viel Umstände mit Lug und Trug machte.”

In folgenden Worten erkennt man sodann das eingangs festgestellte:

“Bei keiner Sache hat man so sehr Kern und Schaale zu unterscheiden, wie beim Christenthum. Eben weil ich den Kern liebe, zerbreche ich bisweilen die Schaale.”

“Parsen, Juden und Muhamedaner beten einen Weltschöpfer an, Hindu, Buddhaisten und Jainas hingegen Weltüberwinder und in gewissem Sinne Weltvernichter.Offenbar gehört das eigentliche oder neutestamentarische Christenthum dieser zweiten Klasse an, ist aber auf historischem Wege mit einer aus der ersten Klasse gewaltsam verbunden.”

Schopenhauer sieht in der Entwicklung der zweiten Kategorie eine Bewegung, die eben dem philosophischen Denkansatz nicht widerspricht: Das vornicänische, von gnostischem Denken durchsetzte Christentum ließe sich hier in seine Denkintentionen indes bestens integrieren.

Profanes Interregnum, Heisenberg

Zu Beginn zwei Sentenzen:

Skeptizismus und Transzendenz
Die Abkehr vom Numinosen liegt in der Natur der Auflehnung des erwachenden Geistes, der skeptisch sein muß bis zum Nihilsmus. Führt dies aber dauerhaft zur Verfestigung in Konzepten, die die Wirklichkeit höchst unzureichend erklären, schneidet sich der Mensch von eben der Wirklichkeit ab, indem er nämlich aufgehört hat, sie zu hinterfragen. Daher auch muß der wirkliche Skeptizismus früher oder später in das Transzendente münden.

Das profane Interregnum
Nach dem Austritt des Menschen aus seinem magischen Bezugrahmen (der aber sein Stammland war) folgt das profane Interregnum. Interregnum deshalb, weil die Physiker und Wissenschaftstheoretiker heute das Magische als Grundverursachung der Natur (wieder)entdeckt haben und hier die Zukunft der Klärung der allgemeinen Seinsbedingungen aufzusuchen (und zu finden) ist. Und in diesem Aufzug ist der Mensch natura naturata UND natura naturans zugleich.

In dem Kontext auch ein relevantes Zitat über Heisenberg von Ernst Peter Fischer: “Dabei ging es Heisenberg vor allem darum, den Zusammenhang mit dem antiken (Platon) und dem klassischen Denken (Goethe) aufzuzeigen. Sein wissenschaftliches Hauptziel lag darin, eine grundlegende Theorie der Elementarteilchen zu schaffen, die nichtlineare Spinortheorie, die als moderne Verwirklichung von Platons Vorstellungen der Struktur der Materie auf der Grundlage einfacher geometrischer Formen gelten konnte. Er suchte nach einer hochsymmetrischen Feldgleichung, der ‘Weltformel’, die den idealen Formen Platons entsprechen sollte.”
Und zum Bruch mit der klassischen (newtonschen) Weltsicht: “Kant hat die Anschauungsformen Raum und Zeit und die Kategorie ‘Kausalität’ als ‘a priori’ zur Erfahrung bezeichnet, so begibt er sich damit in die Gefahr, sie gleichzeitig absolut zu setzen und zu behaupten, daß sie auch inhaltlich in beliebigen physikalischen Theorien der Erscheinungen in gleicher Form auftreten müßten. Dies ist aber nicht der Fall, wie durch Relativitäststheorie und Quantentheorie erwiesen wird.” (Carl Friedrich von Weisäcker, nach Heisenberg)
Und ganz platonisch: “Der lateinische Satz ‘Die Schönheit ist der Glanz der Wahrheit’ kann auch so gedeutet werden, daß der Forscher die Wahrheit zuerst an diesem Glanz, an ihrem Hervorleuchten erkennt. Noch zweimal in der Geschichte der exakten Naturwissenschaft ist dieses Aufleuchten des großen Zusammenhangs das entscheidende Signal für den bedeutenden Fortschritt geworden. Ich denke hier an zwei Ereignisse in der Physik unseres Jahrhunderts, die Enstehung der Relativitätstheorie und der Quantentheorie.”
Und nach diesen neuen und nicht hintergehbaren Setzungen das Kardinalvergehen unserer Zeit: Die Bereitschaft, “die methodische Logik der Physik der so liebgewonnenen Einheit von Welt und Denken zu opfern” (Jürgen Busche) – Eine Einheit, die im besseren Falle auf Aristoteles zurückgeht, und im schlechtesten Falle aber auf Feuerbach und Marx.

Gnostischer Jesus, Wahrheitsauftrag

Thomasevangelium (Logion 10): Es sagte Jesus: “Ich habe Feuer auf die Welt geworfen und siehe, ich hüte es, bis es lodert.”
Thomasevangelium (Logion 16): Jesus sagte:”Vielleicht denken die Menschen, daß ich gekommen bin, um Frieden auf die Welt zu werfen, und sie wissen nicht, daß ich gekommen bin, um Spaltungen auf die Erde zu werfen, Feuer, Schwert, Krieg. Es werden nämlich fünf in einem Hause sein. Drei werden gegen zwei und zwei gegen drei sein, der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater. Und sie werden als Einzelne dastehen.”

Wie sind diese auf den ersten Blick unerwarteten Äußerungen Jesu aus den Texten von Nag Hammadi zu verstehen? Sie sind eben im Sinne des Wortes ganz gnostisch, auf das Erkennen gerichtet, und sie zeigen dabei eine daran geknüpfte Priorität, nämlich einen Heilsauftrag, der eng an das Wissen gebunden ist.
Hierzu läßt sich ein passender neuplatonischer Satz bemühen, (wie überhaupt das Neuplatonische dem Gnostisch-Christlichen näher steht als das Latinisiert-Christliche dem Gnostisch-Christlichen): “Das Seiende ist nur im Modus des gleichbleibenden Eidos, das allein dem Auge der Seele erblickbar ist, vor Verbiegungen zu schützen und die noetische Dimension als die der eigentlichen Wahrheit festzuhalten.” (Volkmann-Schluck) Dies aber spiegelt die eigentliche Art des jesuanischen Auftrages, das Wort Gottes soll in diesem Sinne in die Welt getragen sein. (Johannes 18: 36 Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden kämpfen, daß ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von dannen. Johannes 18:37 Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme.) Hier geht es -wie man sieht, auch im kanonisierten Bibeltext- um die Proklamation der ganzen Sinnhaftigkeit des Kreuzestodes durch den Kernsatz “Mein Reich ist nicht von dieser Welt.” Jesus überwindet den Tod, indem er ihn schließlich sucht (was in der Bestimmung seiner Inkarnation angelegt ist), um ihn aber so für ungültig zu erklären, indem er durch das Geschehen die Relation von Leben und Tod neu darzustellen vermag (um die Bedeutung von Leben und Tod gar umzukehren, was ebenso sokratisch ist) und damit den Unwissenden den Tod als subjektiv menschliche Bedrohung zu entkräften und ihn als Beendigung des weniger wahren Daseins zu einem eigentlichen höheren Dasein zu beschreiben.
Es ist dies -um die Diktion der Eingangszitate aufzunehmen- ein Feldzug gegen die Unkenntnis, die den Menschen in der Knechtschaft von Sterblichkeit und Furcht und Unterwürfigkeit hält, und so ein Kampf für die Wahrheit. Und der gnostische Jesus spricht dem Menschen diesbezüglich eine fundamentale Befähigung zu, indem er sagt: “Es ist ein Licht in jedem Lichtmenschen”. Der Auftrag zur Verkündung wird hier überaus zentral: Gefordert ist zur Erlösung und Befreiung die Erkenntnis über das Wesen der Welt in ihrem wahren Sinne. Zuvorderst ist dies eine ontologische Frage, also eine Frage, die die Erklärung des Seins betrifft. Und diese Frage nach den Seinsbedingungen ist -was viele nicht ahnen- von stupender Konkretheit, die Anmerkungen Jesu meinen gar kein Entrücktes, sondern sie bieten physikalische und geographische Bestimmung – sie bieten Klärung der Verhältnisse und der Rätselhaftigkeit der Existenz im und für den Standpunkt der Immanenz!
Auch das Ethische resultiert zuletzt aus dieser Bestimmung. Gerade auch für das Ethische ist aber die Erhellung und die Befreiung aus der Wirrnis -die folgerichtig auch für allen Irrtum und alle Lüge und das Böse selbst verantwortlich ist, von Vorrang, die Welt soll aus dem Dunkel zur Erhellung, zur universalen Wissen-schaft – eben zur Wahrheit – geführt werden. Die Kirche hingegen verlagert allen Aufstieg in die Vollmacht und Verantwortlichkeit eines personal gedachten Gottes -Jesus’ Geschichte wird zum reinen Symbol für eine prinzipielle Entrückung des Noetischen, und die Erlösung kann nur innerhalb einer Konstellation vollzogen werden, die einem Kind-Vater Verhältnis gleichkommt und -wenn überhaupt- ausschließlich durch ethisches Handeln positiv beeinflusst werden kann. Die Lehre Jesu aber gibt folgende Klarheit: Die Ethik liegt in der Wahrheit, nicht aber liegt die Wahrheit in der Ethik! Das Resultat jedoch der kirchlichen Anschauung bedeutet ein Verharren, eine Verstetigung in der Unwissenheit zur Bestätigung der Gefallenheit und Affirmation des Todes. Hier ist Leben nicht Entwicklung, nicht Vitalität. Daher auch die Priorität der düsteren jesuanischen Leidens- und Todespose vor der hellen transformatorischen Pose der Auferstehung.