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Stanislaf Grof, Einheit

Stanislav Grof -als einer der führenden Protagonisten der “psychedelic revolution” und der ihr assoziierten transpersonalen Psychologie äußerte in einem Interview die für den Geist dieser Ära wohlbekannten Sätze von umfassender Liebe und Verstehen und von einer prinzipiellen Einheit der Menschen, die ihrer Erfüllung harrt. Grof trifft hierzu etwa folgende Aussagen, die eine All-Einheit in einem panpsychistischen Sinne unterstreichen:
“Das sorgfältige Studium perinataler und transpersonaler Erfahrungen zeigt, daß die Grenzen zwischen der individuellen menschlichen Psyche und dem übrigen Kosmos letzlich willkürlich und überwindbar sind.”
“Es kann passieren, daß wir uns vollbewußt mit anderen Menschen, Menschengruppen, Tieren, Pflanzen und sogar anorganischen Dingen und Vorgängen identifizieren. Während solcher Erlebnisse können wir völlig neue, exakte Informationen über verschiedene Aspekte des Universums erhalten, auch solche, die wir unmöglich in unserem jetzigen Leben über die normalen Kanäle hätten bekommen können.”
“Ich konnte angesichts einer solchen Gewalt das Gefühl der eigenständigen Existenz nicht aufrecht erhalten. Meine gewöhnliche Identität wurde zerschlagen und vernichtet. Ich wurde eins mit dem Ursprung. Die Zeit verlor jede Bedeutung.”
“Die Erkenntnis unserer eigenen Göttlichkeit, unserer Identität mit dem kosmischen Ursprung, ist die wichtigste Entdeckung, die wir während der tiefen Selbsterforschung machen können.”

Dies sind nur einige Beispiele Grofs immanent-panpsychistischer Ansichten auf Basis seiner Erfahrungen mit der elementaren Identifikation einer Realitätsebene des All-Verbundenseins, wie sie ganz ähnlich etwa auch aus dem Hinduismus heraus formuliert werden.
Aber so ‘holistisch’ diese Proklamationen auch sind, so sollten sie doch gleichzeitig nicht -im heute gerne gebrauchten, profan-immanenten Sinne für die Rechtfertigung eines simplen relativistischen Universalimus verstanden werden, denn Stanislav Grof weiß auch folgendes zu sagen:

“Der Grad der Freiheit, den wir haben, verändert sich drastisch je nach dem Aspekt der Schöpfung und der Ebene des Schöpfungsprozesses, womit wir uns identifizieren.”

Freiheit wird hier also Vorausetzung, wird primäres Signum einer innerer Autonomie zur Geistigkeit. Innerhalb der individuellen Inkarnation wird hierfür der Begriff der “Identifikation” von zentraler Bedeutung, denn in der Identifikation trifft das Bewußtsein auf jene Inhalte und Formen seines Eigenen in seiner Option zur Entwicklung, die es in der Außenwelt repräsentiert vorfindet. Identifikation meint Zuordnung von jenem, was sich innerhalb seiner Explikationsstufe mit sich selbst ähnlich ist und so erkennt, eingefaßt in Verwandtschafts- und Gruppenverhältnisse und in (Geistes-)Familien als Notwendigkeit resonanzbedingter Zusammenkunft. Identifikation hat im Allgemeinen geschichtliche (zeitliche), geographische und ethnische Aspekte und bezeichnet dabei die Zuordnung metaphysisch autonomer und identitätsbildender Prozesse in Abhängigkeit von differierenden Freiheits- und Bewußtheitsgraden. Die gewaltsame Störung oder gar Zerstörung von Identifikation (und so Identität) – und hiermit sehen wir uns heute in gesteigertem Maße konfrontiert – evoziert nun maximales Zerwürfnis, da hiermit gegen das höhere Regelwerk der Schöpfungsprozesse mit ihren differenzierten, hierarchich-sinnhaft gegeliederten Bewußtseins-Explikationen und -möglichkeiten verstoßen wird. Hierbei ist im Hinterkopf zu behalten, daß der letzte Telos dieser sinnhaften Gliederungen ‘Das Gute” meint. Daher auch kann Terence McKenna, ebenfalls ein Haupt-Protagonist der “psychedelic revolution”, sagen: “Das große Böse unserer Zeit ist der Relativismus.” Die Grof`sche Zusammenfindung zur Einheit bezeichnet zwar den zwingenden und abschließenden Zweck der holistischen Weltsicht, dies aber als Resultat eines evolutionären Zusammenfindens des (transzendierten bzw. transzendierenden!) Wesens (des Menschen wie der gesamten transzendierenden Natur), womit der Zweck also seiner eigenen inneren Notwendigkeit (eben zur Transzendenz, nicht zur Immanenz-Zusammenkunft!) folgt. Diese Einheit erfolgt aus der wachsenden Übereinstimmung der Identifikationen, nicht im Synthetischen durch forcierte Auflösung der Verschiedenheiten, sondern weil die freie Zusammenkunft bei angleichender Identifikation schließlich jeden Widerstreit in ein sich selbst eigenes Verbundensein überführen muß. Die Oktroyierung dieses Prozesses hingegen gereicht zu Gegenwehr, gereicht den einen zum Rückfall, den anderen zur Überforderung. Beides produziert dialektische Rückschläge und Blockierungen der sich sinnhaft rückexplizierenden Schöpfungsprozesse.

Stanislav Grof, Synchronizität

Stanislav Grof über das Phänomen der Synchronizität:
“Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einen anderen wichtigen Aspekt holotroper Zustände behandeln, der weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis von Zeit und Raum hat. Transpersonale Erfahrungen sind oft von seltsamen sinngemäßen Koinzidenzen begleitet, die sich mit linearer Kausalität nicht erklären lassen. In einem Universum, wie es von der materialistischen Wissenschaft beschrieben wird, sollten alle Ereignisse dem Gesetz von Ursache und Wirkung gehorchen. Koinzidenzen, die sich der kausalen Erklärung widersetzen, werden dann dem Umstand zugeschrieben, daß die fraglichen Phänomene zu komplex und wir nicht über alle daran beteiligten Faktoren im Bilde seien. Wegen all dieser unbekannten ‘verborgenen’ Variablen lasse sich das Endergebnis nur statistisch vorhersagen, nicht in den genauen Einzelheiten, mitunter jedoch ist die statistische Unwahrscheinlichkeit bestimmter Koinzidenzen in unserem Alltagsleben so haushoch, daß wir die Tauglichkeit einer solchen Interpretation in Zweifel ziehen müssen. …

Das Vorkommen so ungewöhnlicher Koinzidenzen läßt sich schwer mit der Auffassung vom Universum vereinbaren, die von der materialistischen Wissenschaft entwickelt wurde. Es ist eher vorstellbar, daß diese Vorfälle einen tieferen Sinn haben und daß sie das spielerische Werk kosmischer Intelligenz sind. Diese Erklärung ist besonders naheliegend, wenn sie, wie so oft der Fall, ein humoristisches Element enthalten.

Derartige Situationen (C.G. Jung, Skarabäus) zeigen, daß unsere Psyche in eine spielerische Interaktion mit der rein materiell erscheinenden Welt treten kann. Die Tatsache, daß so etwas geschehen kann, verwischt die Grenzen zwischen subjektiver und objektiver Wirklichkeit.
Synchronistische Ereignisse sind besonders häufig im Leben von Menschen, die in der Meditation, in psychedelischen Sitzungen, in der Erfahrungspsychotherapie oder in spontanen seelisch-geistigen Krisen in holotrope Bewußtseinsszustände geraten.

Viele Leute haben auch die Erfahrung gemacht, daß bemerkenswerte Synchronizitäten auftreten und ihre Arbeit überraschend leicht machen, wenn sie ein aus den transpersonalen Bereichen der Psyche inspiriertes Verhalten verfolgen. … Wenn wir uns auf einer systematischen inneren Suche befinden, die eine Arbeit mit holotropen Zuständen einschließt, können wir mit ziemlicher Sicherhheit damit rechnen, daß wir es früher oder später mit Synchronizitäten zu tun bekommen. Manchmal werden wir nur gelegentliche einzelne Koinzidenzen bemerken, dann wieder können uns ganze Ketten davon passieren. Je nach ihrem Inhalt können sie sehr erhebend oder bedrückend und beängstigend sein. So oder so können sie uns ernste Probleme im Alltag bereiten, wenn sie überzeugend sind und gehäuft auftreten. Die traditionelle Psychatrie unterscheidet nicht zwischen richtiggehenden Synchronizitäten und einer psychotischen falschen Wahrnehmung der Welt. Da das materialistische Weltbild strikt deterministisch ist und die Möglichkeit sinngemäßer Koinzidenzen nicht akzeptiert, wird jede Andeutung ungewöhnlicher Synchronizitäten in der Darstellung des Klienten automatisch als Beziehungswahn gedeutet, ein Symptom besorgniserregender Geistesgestörtheit. Es steht jedoch außer Frage, daß es echte Synchronizitäten gibt, bei denen jeder, dem die Tatsachen vorliegen, zugeben muß, daß die aufgetretenen Koinzidenzen jenseits jeder denkbaren statistischen Wahrscheinlichkeit sind.”

Psychedelic Revolution und Yippie!

“In der ursprünglichen Ausgestaltung der Theorie waren es nicht der Kapitalismus, ‘Amerika’ oder die protestantische Ethik, die als Behinderung der Selbstbefreiung angesehen wurden, sondern die Beschaffenheit des Menschen, der als Materie, Illusion oder gnostischer Demiurg definiert wurde. Mit der Ausbreitung sowohl der Hippies als auch des Hippie-Mythos von Haight-Asbury wurden solche Vorstellungen zum wesentlichen Bestandteil der àlternativen Gesellschaft’, und der Impuls durch Yippie! und andere Aktivistengruppen führte dazu, daß die Ethik der Befreiuung eine neomarxistische Sozialkritik befeuerte.” (James Webb “Zeitalter des Irrationalen”)
Führende Köpfe von Yppie! waren z. B. Abbie und Anita Hoffman. Jerry Rubin, Ed Rosenthal, Allen Ginsberg, Bob Fass, Tuli Kupferberg. Auch wenn Yippie! heute als Episode betrachtet werden kann, ist deren neomarxistischer Ansatz in Amerika zum wirkmächtigen Impetus des politischen Aktivismus geworden und heute gesellschaftlich und institutionell tief verankert. Ganz anders die ursächlicheren Ansätze der psychedelic revolution, die schnell (kommerziell) vereinnahmt wurden oder sich selbst in profanisierten Konzepten auflösten. Für die heutige Situation läßt sich gar gebündelt sagen: Die progressivistischen Sätze (gerade innerhalb der Sozialwissenschaften – ihre Aussagen sind dabei allesamt thetisch,-) sind Ideologie, sind unbewiesen, aber dabei höchst apodiktisch. Sie sind durch die Universitäten im Mainstream verankert und werden sogar institutionell exekutiert. Mit anderen Worten: Man erlebt die Renaissance der Scholastik, nur diese ist ohne Gott.

Philosophisch betrachtet geht es hier wiederum um die ganz grundlegende Positionierung zweier verschiedener oder sich ausschließender Weltsichten, die entweder zugunsten der Immanenz oder zugunsten der Transzendenz ausfällt.
Der transzendente Weg (der Hippie-Ära) verfügte in seiner prinzipiellen Weltabkehr schon aus sich selbst heraus, aus seinem esoterischen Charakter über keine echte Anlage zur Breitenwirksamkeit. Dazu noch wurde er weitgehend diskreditiert, dies von den Neomarxisten und den offiziellen Kirchen gleichermaßen. Ohne Abwägungen über das bessere Argument gewinnt der neomarxistisch-materialistsche Weg durch seine an der Welt (und nicht an der Weltüberwindung) ausgerichteten Agenda seine ureigene Dominanz. Naturgemäß geht es ihm – mehr als dem transzendenten (und so prinzipiell offengehaltenen) Weltbild – um die gefestigte Weltanschauung (diese versucht er durch Ideologieproduktion zu affimieren) es handelt sich schließlich um eine Lehre in chiliastischer, daher jeden Widerspruch ausschließender Tradition, nur daß die Formulierung des universellen Heilsbegehrs in diesem Falle säkular ausfallen muß. Die absolute Anschauung bedient sich dabei wie gewohnt einem totalitären Gebaren, um überhaupt ihr Überleben zu sichern.
Ein Wort zur Kunst aus materialistischer Perspektive.
Zwar läßt man in der Kunst “der Welt der Metaphysik” einen Platz, aber sie ist nur Teil eines Immanenz-Aufzuges, bekommt nur den Status einer eskapistischen Trugwelt als Facette der als unanfechtbar erachteten (ontischen) Wirklichkeit und der realen Begebenheiten zugesprochen. Nicht aber wird sie als Symbol für eine noch realere Eigentlichkeit gesehen, denn diese wird ja als transzendente oder numinose Größe geleugnet. Die psychedelische oder schamanische Erfahrung (gerade zu Beginn der Hippiebewegung stand auch der Gebrauch des initiatisch-schamanischen Peyote im Mittelpunkt) wird dabei adäquat zum Trug des Geistes oder Gehirns erklärt, welches wie die gesamte Körperwelt rein mechanistischen und reduktionistischen Vorgaben folgt. Die schamanische Initiation (durch Meskalin) oder die sogenannte LSD Mystik der frühen Hippies verlieren so jede Aussagekraft über ein tieferes Verständnis der Seinsbedingungen.

Kunst – Sieferle, Schelling

R.P.Sieferle: ‘Kunst ist Macht. In der systemischen Welt horizontaler Beliebigkeiten gilt jede Dezision (die nichts anderes als aus einem persönlichen Charisma fließende Machtausübung ist) nur mehr als sie selbt; gewinnt sie Gewicht nur insofern, als sie sich durchsetzen kann.’
So erschütternd diese Einsicht auch klingen mag, so zutreffend ist sie (gerade für den heutigen Kunstbetrieb). Und mein Zusatz: Der allseits gehegte, insgeheime Wunsch nach Erlösung aus jener systemischen Welt (der auf den Künstler projezierte Dezisionswunsch) führt also zur Minderung der eigenen Möglichkeit, weil der Erlösungsweg nicht selber beschritten wird, sondern weil man den Wunsch nach Erlösung dem ‘Charismatiker’ (bzw. dem, der sich dafür ausgibt) in die Hände zu legen bereit ist (was freilich im Ergebnis kläglich scheitern muss). Der Künstler akkumuliert seine -geborgte- Macht in der Art und Weise, wie der Einzelne und so die Menge die eigene Unterlegenheit oder Unbedeutendheit deklariert.

Freilich handelt es sich hier um eine Betrachtung einer prinzipiellen Travestie des gesamten Kunstbegriffes und also seiner Herabtransformation, ausgehend von einem Idealbegriff, wie er sich zur Veranschaulichung und Gegenüberstellung treffend beispielsweise bei Friedrich Wilhelm Schelling ausborgen läßt:
“Gleichzeitig mit der Vollendung des Produkts ist alle Freiheit hinweggenommen; sie wird sich durch eine Vereinigung selbst überrascht und beglückt fühlen, d. h. sie gleichsam als freiwillige Gunst einer höheren Natur ansehen, die das Unmögliche durch sie möglich gemacht hat.
Dieses Unbekannte aber, was hier die objektive und die bewußte Thätigkeit in unerwartete Harmonie setzt, ist nichts anderes als jenes Absolute, welches den allgemeinen Grund der prästabilierten Harmonie zwischen dem Bewußten und dem Bewußtlosen enthält. Wird also jenes Absolute reflektiert aus dem Produkt, so wird es der Intelligenz erscheinen als etwas, das über ihr ist, und was selbst entgegen der Freiheit zu dem, was mit Bewußtseyn und Absicht begonnen war, das Absichtslose hinzubringt.
Dieses unveränderlich Identische, was zu keinem Bewußtseyn gelangen kann und nur aus dem Produkt wiederstrahlt, ist für das Producierende eben das, was für das Handelnde das Schicksal ist, d.h. eine dunkle unbekannte Gewalt, die zu dem Stückwerk der Freiheit das Vollendete oder das Objektive hinzubringt; und wie jene Macht, welche durch unser freies Handeln ohne unser Wissen, und selbst wider unsern Willen, nicht vorgestellte Zwecke realisiert, Schicksal genannt wird, so wird das Unbegreifliche, was ohne Zuthun der Freiheit und gewissermaßen der Freieheit entgegen, in welcher ewig sich flieht, was in jener Produktion vereinigt ist, zu dem Bewußtsein das Objektive hinzubringt, mit dem dunkeln Begriff des Genies bezeichnet.”

Von diesem Ideal aus läßt sich nun wieder eine Sentenz entwerfen, die den Bogen zu Sieferle schlägt, denn der heutige Kunstbetrieb ist unleugbar -in Zeiten medialer Multiplikation und umfassender Kommerzialisierung – in unerhörtem Maße auf (anti-idealistische) Abwege geraten.

Kunstobjekt
Nach Schellings Philosophie ist es Ziel in der Kunst, das unbekannte Transzendente im Zusammenkommen von bewußtem und unbewußtem Prozeß im Anschaulichen – zum Produkt der Kunst – zu objektivieren. Hierzu ist das Ingenium des Künstlers vonnöten. Mein Zusatz: Der Künstler fungiert hier als der Transmitter für diesen Prozeß. Eine andere Rolle kommt ihm nicht zu. Tritt der Künstler hinter diesem Prozeß hervor, tritt die Kunst augenblicklich zurück. Der Künstler darf daher prinzipiell gar nicht sichtbar werden, ihm gehört keine Aufmerksamkeit.

Individualität, Individuation

Grundlegend zur menschlichen Individuation hatte einst Georges I. Gurdieff folgend geäußert: “Ältester meiner Enkel, höre und erinnere dich immer an mein strenges Vermächtnis: tu nie im Leben, was die anderen tun … Entweder tu nichts – geh nur in die Schule, oder tue etwas, was sonst niemand tut.”

Gurdieff stellt nun bekanntermaßen eine Pädagogik der Individuation auf, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll. Ganz allgemein gesagt, stellt er mit ihr folgende Aufgabe: “Verwirklichung der Dreidimensionalität – um höher zu steigen”. Dies ist prinzipiell der Weg der Gnosis, der Alchemie, der (tantrische) Weg der Durchwirkung des Seins zur Geistigkeit. Ich nutze ein Bild: Das ausgefüllte Sein, das sich bin in die letzten Winkel bekannt ist, tritt bzw. fließt über, verläßt die Grenze des Körpers und des Gehirns (und so die Profanität), es ist zu groß und voll geworden, als das es keine Teilhabe hätte an der Wirklichkeit neben, in und über ihm. Was aber ist hierfür die besonders wichtige Vorraussetzung? Es ist gerade die Besinnung auf das Ich und dessen Kenntnisnahme und Durchleuchtung zum Wesenskern (welche also zuletzt eine Ich – Überwindung bewirken muß), daher auch sagt Gurdieff: “Solange Menschen andere nachahmen, können sie nicht frei sein.” Freiheit ist das Fluidum, in dem der Geist sich zu sich selbst aufschwingen kann. Hier ist vor allem also die innere Freiheit oder Befreiung zum eigenen Geistigen angesprochen, allerdings muß man sehen, daß der Mensch in der alltäglichen Verhaftung kaum hierzu durchzudringen in die Lage versetzt ist, -auch wenn dies selbst im Alltäglichen durchaus möglich ist, was aber einiges an Disziplin und innerer Entwicklung und eine spezifische geistige Grundhaltung erfordert.
Daß die latente Profanität und Minderung der Umgebung -und ebenso deren Sublimationsmechanismen – wenig dazu angetan sind, diesen innerlichen und also bewußten Weg zu befördern, zeigt auch dieses folgende Zitat von Gurdieff: “Die zeitgenössische Kultur verlangt Automaten.”
R.P. Sieferle hat in eindrücklicher Weise diesen Zustand des anti-individualisierten Menschen in der Gesellschaft wie folgt umschrieben:
“Der postanthropomorphe Raum ist aus der Perspektive des Menschen fragmentiert und zugleich standardisiert. Individualität ist in ihm eher die Ausnahme – häufig wird sie auch mit der Kontingenz individueller Existenz verwechselt. Niemand nimmt mehr einen besonderen Raum ein, sondern jeder bewegt sich in Umgebungen, in denen immer die gleichen Artefakte in unterschiedlicher Konstellation vorkommen. So bildet auch er selbst in der Regel ein Mosaik vorgefertigter Stücke, deren Elemnte durchweg allgemein bekannt sind. Seine “Erfahrungen” sind so beliebig und in Massen produziert wie die Waren, mit denen er sich umgibt. Er hängt in einem umfassenden Netz, dessen Zuckungen er weiterleitet.”

Schopenhauer, Higgs-Feld

Wodurch erhält ein masseloses Teilchen Masse? Durch die Anregung des sogenannten Higgs-Feldes. Wer regt aber diese Massebildung im Higgs-Feld an? Es ist dies gerichtete, fokussierte Bewußtheit = WILLE. Massereiche Teilchen bilden nun sinnlich vorfindbare Strukturen. Diese sinnliche Vorfindbarkeit ist aber lediglich in (bzw. nach) der Wahrnehmung, ist also subjektive VORSTELLUNG. Die Absprache über diese Vorstellung kennt man indes unter dem Namen WELT.

„’Die Welt ist meine Vorstellung’ ist der erste Hauptsatz Schopenhauers Philosophie. Was uns als Welt erscheint, ist nur für uns, nicht an sich. Es gibt für Schopenhauer nichts Beobachtetes ohne Beobachter, kein Objekt ohne ein Subjekt. Die Welt, als Vorstellung betrachtet, zerfällt in Subjekte und Objekte, die sowohl untrennbar als auch radikal voneinander verschieden, jedoch letzten Endes beide nur Erscheinungen des Willens sind. Dieser ist nach Schopenhauer das Wesen der Welt, das sich, in Subjekt und Objekt erscheinend, gleichsam selbst betrachtet.”

“Der Wille ist das Wesen der Welt: Aber nicht nur der Mensch sei seinem Wesen nach Wille. Alle uns in Raum und Zeit umgebenden Erscheinungen seien Objektivationen eines blinden Weltwillens.” (Wikipedia)

“Bisher subsumirte man den Begriff W i l l e unter den Begriff K r a f t : dagegen mache ich es gerade umgekehrt und will jede Kraft in der Natur als Wille gedacht wissen. Man glaube ja nicht, daß dies Wortstreit oder gleichgültig sei: vielmehr ist es von der allerhöchsten Bedeutung und Wichtigkeit.” (Schopenhauer)
“Kraft, so betonte Schopenhauer, sei eine Erscheinungsform des Willens, des ‘Dinges an sich’. Daher beruhe der Wille nicht auf einer Kraft, sondern die Kraft auf dem Willen! Der Wille, der als Kraft, Trieb oder Wille im gewöhnlichen Sinne ‘erscheint’, wurde so von Schopenhauer begrifflich in den Bereich des Metaphysischen erweitert. Da dieser Wille, das ‘Ding an sich’, für Schopenhauer das innere Wesen der Welt und aller ihrer Erscheinungen ist, enthält seine Philosophie in ihrem Kern einen metaphysischen Voluntarismus. (Anmerkung von mir: Dieser Wille bezeichnet die tiefste Schicht des Seins, bzw die ‘überweltliche’ Disposition zum räumlichen, wahrnehmbaren Vor-Sein!)
Die Philosophie Schopenhauers erreichte (oder überschritt!) so die Grenze zur Metaphysik. Sie nahm dadurch, wie sich später bei einigen Verehrern Schopenhauers deutlich zeigte, gleichsam religiöse Züge an und kam mit der von ihr postulierten Möglichkeit der Willensverneinung den Aussagen abendländischer Mystiker und östlicher Weisheitslehren nahe.” (Arthur Schopenhauer Studienkreis.de)

Nahtoderfahrung, Schamanismus, Ayahuasca (DMT)

Ich habe mich insgesamt mit wohl einigen hundert Nahtoderfahrungen befaßt, Berichte in verschiedenen Zusammenhängen und Perspektiven studiert. Folgende zentrale Merkmale, die immer wieder geschildert werden, möchte ich hier besonders hervorheben und (knapp) in Beziehung setzen.

Bei Situationen des Ausfalls lebenswichtiger organischer Funktionen oder bei traumatischen Erlebnissen mit akuter Lebensbedrohung kommt es zu folgenden Phänomenen:

-Spontaner Austritt aus dem Körper (in personaler [Bewußtseins-]Identität)
Typischerweise erfolgt eine Beobachtung des Szenarios von erhöhter, schwebender Position. Es tritt umgehend ein starkes Desinteresse oder Entfremdungsgefühl vom eigenen Körper und der Körperwelt allgemein ein. Die räumliche Position der Beobachtung kann variieren, und man ist in der Lage, durch physikalische Hindernisse wie Wände oder Decken hindurchzugehen oder hindurchzuschweben.
(Im Schamanismus kommt es ebenfalls zum vergleichbaren Körperaustritt, beispielsweise bei Carlos Castaneda wird geschildert, wie der Proband einer Meskalin – Initiation in seinem Bewußtsein in persona durch Zimmerwände hindurchgeht.)
-Tunnel, Transit-Erlebenis
Es wird von einem Übergehen in eine andere, unbekannte Örtlichkeit berichtet. Zumeist wird dieser Übergang als Tunnel erlebt, als ein dunkler Durchgang, ein Transit zu einer anderen Erlebnissphäre oder einer anderen, als fremd und doch vertraut und dabei “höher” empfundenen Dimension. Dies kann von signifikanten Geräuschen oder optischen Eindrücken begleitet sein, ebenso von einem Gefühl “energetischer Hebung”.
(Eine vergleichbare Form der Entrückung wird gerade auch von den Zeugen von UFO-Entführungen geschildert. Typischwerweise kommt es auch hier zu einem Transit, begleitet von einem Hindurchschweben durch Hindernisse wie Mauern oder Zimmerdecken, ganz verwandt dem weiter oben Angeführten.)
-Lebensrückschau
Oftmals erfolgt eine Lebensrückschau, hierbei wird jeder Aspekt der Biographie gesehen, durchlebt und auch durchfühlt, das gesamte Leben wird so noch einmal in plastischster Art im Betroffenen entfaltet. Er durchlebt die Zustände alle auch in ihrer Emotionalität, nicht nur die eigenen, sondern auch die derjenigen, in denen er Emotion hervorgerufen hat, positiv wie negativ.
(Typisch für den Schamanismus: Der Schamane hat Anteil an der Emotion anderer und fühlt deren Zustände, hört deren Rede und Gedanken.)
-Gesteigertes Realitätsgefühl
Typisch auch ist ein gesteigertes Realitätsgefühl, d. h. das Erlebte wird als eine “wirklichere Wirklichkeit” wahrgenommen und auch nach der Rückkehr in das Normalbewußtsein als solche eingeordnet, die Rückkehr in den Körper (in die Körperwelt) hingegen wird als Minderung des Seins, als unangenehm und nicht (mehr) erwünscht empfunden.
(Dies ist ein ganz verbreiteter Topos, der nicht zuletzt tiefere philosophische Implikationen aufweist, so findet hier etwa die Ontologie Platons von der eigentlichen Wirklichkeit jenseits unseres raumzeitlichen Daseins (siehe sein Höhlengleichnis) eine Entsprechung. Aber auch der schamanische Proband, der am Ayhahuasca-Ritual teilnimmt, erlebt den Zustand der Entrückung eben gerade nicht als halluzinogen, sondern als gesteigerte, wahrhaftere Realität, die die uns bekannte raumzeitliche Realität als geminderte, reduzierte Form des Daseins erscheinen läßt.)
-Verändertes bzw. aufgehobenes Zeitgefühl
Das Zeitgefühl wird tranzendiert. Auch wenn sich beispielsweise im Angesicht einer tödlichen Gefahr das NDE nur während eines Bruchteils einer Sekunde abspielt, kann eine Erlebnissfülle auftreten, die nach Wiedereintritt in das Normalbewußtsein subjektiv in viel längeren Spannen, bis hin zu Jahren bemessen werden kann. (Auch genau dies kann im schamanischen Ritual ähnlich erlebt werden. Ein Schamane gab nach einem Versuch mit DMT, der etwa 10 Minuten dauerte, an, er hätte diese Zeit als Spanne von gefühlt eintausend Jahren erlebt.)
-Jenseitsschilderungen
Es werden Szenarien beschrieben, die unserem bekannten Bild von Landschaften ähneln können – dies aber in einer energetisch und visuell als gesteigert empfundenen Form. Oftmals werden phantastisch oder besonders komplex, aber gleichzeitig luzid anmutende Bauten, Städte, oder auch (seltener) unerklärliche Konstruktionen hoher Komplexizität beschrieben. Diese Schilderungen scheinen mir oftmals eine gewisse Repräsentation spezifischer, individueller Bewußtseinsinhalte des Betreffenden zu enthalten, aber dies ist wiederum nicht zwingend. (Solche Schilderungen sind auch von schamanischen Ritualen bekannt, sie lassen sich auch mit der zweiten Hypostase Plotins (Geist, Vielheit) in Beziehung setzen, oder naturwissenschaftlich mit Hyperräumen, Konfigurationsräumen, Parallelwelten usw.)
-Die Licht-Erfahrung
Absolut zentral aber und mehr oder weniger allen NDEs gemein ist eine substanzielle Licht-Erfahrung. Dieses als in seiner Intensität unbeschreibar helle und einnehmende, aber in der Regel nie blendende und äußerst angenehm erlebte Licht evoziert gleichzeitig eine totale Umfassung des Betroffenen und bewirkt in ihm das Gefühl bedingungsloser Liebe und absoluter Angenommenheit, das Erleben hierüber wird durchgehend als jenseits aller Beschreibungsmöglichkeiten geschildert. Ein oftmals berichteter und besonders relevanter Aspekt ist hierbei eine seinshafte Teilhabe des Ich an eben jener Umfassung. (Im Schamanismus die Äußerung: “I am an atom in the Gods cube” – oder ein anderer (DMT-)Proband: “I WAS the light”. Weiterhin ist hier also ohne weiteres an die neuplatonische Teilhabe des Individuums am hypostasierten Einen zu denken. Das Licht korreliert mit dem Einen, denn das Licht repräsentiert stets die höchste Instanz des Seinshaften.)

Nun, für eine Evidenz: Nach meiner Beobachtung wäre es wohl möglich, gerade die Schilderungen der Erlebnisse, die während der Zeit außerhalb des Körpers stattfinden und auf Beobachtungen des räumlich bzw. vom Körper befreiten Bewußtseins basieren, nach empirisch einwandfreien Kriterien auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Hier wurde bereits von vielen Beteiligten potentiell Beweiskräftiges erlebt, beobachtet und beschrieben, man hat dies aber bisher nie ausreichend auf eine wissenschaftliche Basis gestellt. Schildert ein im Koma liegender Proband etwa Gespräche, die zu gleicher Zeit im Nachbarraum stattfanden, oder schildert jemand, der operiert wird, was während der Narkose (von der Decke des Zimmers betrachtet) im Raum detailliert vor sich ging, so ist dies unbedingt ein Hinweis auf die Evidenz nichtlokaler Bewußtheit.
Es läßt sich hier also (angesichts der Potenz dieser Information) der begründete Verdacht nahelegen, daß die genauere Untersuchung hierüber (immer noch) mit allerhand hemmenden Kräften konfrontiert ist. Es bedarf keiner besonderen Phantasie, daß verschiedene Interessenlagen, die an nach wie vor mächtige Paradigmen gekoppelt sind (Materialismus, Theismus…), eben um den Einsturz jener fürchten und so bestrebt sind, erst gar kein größeres, nachhaltig in die Allgemeinheit diffundierendes Wissen um die Signifikanz solcher Berichte aufkommen zu lassen.

Fichte , eigentümliches, geistiges Sein

“Und so ist es denn der allerste Akt der höheren Moralität, welcher auch unausbleiblich, wenn nur der eigene Wille aufgegeben ist, sich findet, daß der Mensch seine, ihm eigentümliche, Bestimmung ergreife, und durchaus nichts anderes sein wolle, als dasjenige, was er, und nur Er, sein kann, was Er, und nur Er, zufolge seiner höheren Natur, d.i. des Göttlichen in ihm, sein soll: kurz, daß er eben gar nichts wolle, als das, was er recht im Grunde, wirklich will. Wie könnte denn ein solcher jemals mit Unlust etwas tun, da er nimmermehr etwas anderes tut, als dasjenige, woran er die höchste Lust hat. Die von der vollendeten Freiheit erzeugte Tugend ist die höchste Genialität; sie ist unmittelbar das Walten des Genius, d.h. derjenigen Gestalt, welche das göttliche Wesen in unserer Individualität angenommen. Dagegen ist das Streben, etwas anderes sein zu wollen, als das, wozu man bestimmt ist, so erhaben und groß auch dieses andere erscheinen möge, die höchste Unmoralität, und aller der Zwang, den man sich dabei antut, und alle die Unlust, die man darüber erduldet, sind selbst Empörungen gegen die uns warnende göttliche Ordnung, und Auflehnungen unseres Willens gegen den seinigen. Was ist es denn, das diesen, durch unsere Natur uns nicht aufgegebenen Zweck, gesetzt hat, außer der eigne Wille, die eigne Wahl die eigne, sich selbst die Ehre gebende Weisheit? Wir sind also weit davon entfernt, den eignen Willen aufgegeben zu haben. Auch ist dieses Bestreben notwendig die Quelle des höchsten Unglücks. Wir müssen uns in dieser Lage immerfort zwingen, nötigen, treiben, uns selbst verleugnen; denn wir können gar nicht tun, dasjenige, dem unsere Natur sich versagt. Dies ist die Werkheiligkeit, aus eigner Wahl, vor der z.B. das Christentum warnt. Es könnte einer Berge versetzen, und seinen Leib brennen lassen, ohne daß es ihm mindestens hülfe, wenn dies nicht seine Liebe wäre, d.h. wenn es nicht sein eigentümliches, geistiges Sein wäre, das notwendig seinen Affekt bei sich führt. -Wolle sein, – es versteht sich im Übersinnlichen, denn im Sinnlichen gibt es überhaupt kein Glück – wolle sein, was du sein sollst, was du sein kannst, und was du eben darum sein willst, – ist das Grundgesetz der höheren Moralität sowohl, als des seligen Leben.”
(Fichte, Anweisung zum seligen Leben, Seite 472)
Und hierzu gleich das passende Rezept der praktischen Lebensführung (der Lebensführung zum eigenen Sein und so zum Sein selbst) als Mystagogie Plotins, die sich von ihm in einem einzigen Satz ausdrücken läßt:’Tu alles fort.’ (Ich: Nur wer alles forttut, findet sein Sein.)

Wahrheitsauftrag und Antichrist

Die Lektüre von Viktor Solowjews ‘Kurze Geschichte vom Antichrist’ lehrt einmal mehr, daß der Antichrist in der Regel nicht als ein äußerer Gegner des Christentums zu denken ist, sondern daß er als ihr Usurpator von Innen auftritt, und weiterhin, “daß Christus die Vertiefung des Gewissens und so die moralische Scheidung der Geister brachte, der Antichrist hingegen diese Scheidung aufhebt um alle zu beglücken”.(Ludolf Müller)
Läßt sich hier aber nicht mühelos ein Bezug zum gegenwärtigen und allerorts – man kann ja sagen- zwangsverordneten Philanthropismus herstellen?

Ein Text über Thomas Müntzer zeigt uns auf, wie sich in dieser Sachlage die Autoritäten einordnen lassen. So besteht gerade in einer “Kreaturenfurcht die Umkehrung der christlichen Intention, da sie mit ihren Hierarchien nicht die göttliche Ordnung widerspiegelt, sondern jene im Gegenteil negiert und verkehrt hat.” (H.J. Goertz) Typischerweise ist diese Umkehrung Signum des Antichristen (gerade b ei Müntzer) und gleichzeitig Erfüllung der christlichen apokalyptischen Weltsicht und so also Hinweis auf die Endzeit.
Darüberhinaus aber faßt man das Wirken des Antichrist auch als allgemeineres, nicht zwingend zeitgebundenes Prinzip auf, das als teuflische Macht in der Welt und über alle Epochen latente Manifestation erfährt.
“Das letzte Reich ist, das durch ein Gemisch aus Eisen und Ton symbolisiert wurde, die zertrennte Welt: Ein Reich, in dem Pfaffen und Regenten sich die Herrschaft teilten, sich wie Aale und Schlangen auf einem Haufen verunkeuschen und nicht in der Lage waren, ihre Interessen und Pflichten auf ein Ziel, das Reich Gottes auszurichten. Die bestehende Gesellschaftsordnung sieht Müntzer als eine Verkehrung der göttlichen Ordnung. In der gegenwärtigen Gesellschaft wird Angst und Schrecken verbreitet, Furcht vor Menschen und Kreaturen, nicht aber vor Gott. Die Ordnung der Kreaturenfurcht muß von einer Ordnung der Gottesfurcht abgelöst werden.” (H.J. Goertz)

Nun ist ein Christ -diesen Worten folgend- primär an einen (geoffenbarten) göttlichen Wahrheitsauftrag gebunden, er muß das göttliche WISSEN in seiner Unmittelbarkeit und Unvermitteltheit wahren, behüten und fördern, denn der gnostische Jesus sagt: “Die Unwissenheit ist die Mutter von allem Bösen. Unwissenheit dient dem Tode, denn die aus der Unwissenheit stammen, waren weder, noch sind sie, noch werden sie sein.” (Philippus)
Und sogar: “Ich habe Feuer auf die Welt geworfen und siehe, ich hüte es, bis es lodert.” Und: “Vielleicht denken die Menschen, daß ich gekommen bin, um Frieden auf die Welt zu werfen, und sie wissen nicht, daß ich gekommen bin, um Spaltungen auf die Erde zu werfen, Feuer, Schwert, Krieg.”
Diese Zeilen des Thomasevangeliums implizieren in höchster Dichte den Auftrag zur Mehrung eines von Jesus als Mittler dargebotenen “Wahrhheitsfunkens”.
Es ist keineswegs damit genug getan, die ethische Implikation des Jesuanischen in ihrer Selbstgenügsamkeit zu beachten, denn ihr Grund ist die wahre Lehre, die elementare Aussage über die Seinsbedingung des Menschen zur Weltüberwindung und so zur Transzendenz, ohne Mehrung dieser Lehre auch keine Mehrung der derivativen ethischen Handlungsprämisse – im Gegenteil ihr anstehender Niedergang.
Folgender Passus liest sich wie eine Parabel auf eine gegenwärtige Situation, in der die Gesellschaft in einem exponentiellem Maße einer (antitranszendenten) geistigen Knebelung ausgesetzt ist, das höhere Bewußtsein dabei vor dem Niederen gebeugt wird, und so zusehends Recht zu Unrecht mutiert:
Jesus sagte: ‘Es ist unmöglich, daß jemand in das Haus des Starken hineingeht und es gewaltsam in Besitz nimmt, es sei denn, er binde zuvor seine Hände. Dann wird er sein Haus umdrehen.’ Thomas-Apokryphon, Logion 35 (Wer Ohren hat der höre.)

Plotin, Selbstevidenz

“Sein Wissen darf ihm (dem Geist) nicht durch Vermuten zukommen, es darf nicht zweifelhaft sein, und er darf es nicht von einem anderen haben, von dem er es quasi nur gehört hätte. Also darf er es auch nicht durch einen Beweisgang erworben haben. Selbst dann nämlich, wenn man sich dafür ausspräche, daß er einiges durch Beweis erwirbt, müßte es immer noch einiges geben, was ihm von sich aus evident wäre. (Unsere rationale Überlegung sagt freilich: alles; denn was für eine Möglichkeit gibt es, abzugrenzen, was selbstevident ist – woher stammt ihrer Meinung nach die Evidenz des Betreffenden für den Geist, wieso hat er sie bei sich? Und wodurch vermittelt es ihm die Überzeugung, daß es sich genauso verhält? )
Sogar bei dem, was auf der sinnlichen Wahrnehmung fußt, von dem man ja allgemein annimmt, daß es Überzeugungskraft von höchster Evidenz hat, besteht schließlich der Zweifel, ob nicht vielleicht die Existenz, die es zu haben scheint, nicht in den zugrunde liegenden Gegenständen, sondern nur in den Zuständen liegt, in die sie uns versetzen, und man ist auf den Geist bzw. das Denkvermögen angewiesen, um darüber zu urteilen. Denn auch wenn man einräumt, daß sie in den zugrundeliegenden sinnlich wahrnehmbaren Gegenständen liegt, deren Erfassung das sinnliche Wahrnehmungsvermögen leisten soll, ist das, was mit Hilfe des sinnlichen Wahrnehmungsvermögens erkannt wird, trotzdem nur ein Abbild der Sache, das sinnliche Wahrnehmungsvermögen nimmt nicht die Sache selbst auf, die ja immer außerhalb von ihm bleibt.

Somit ergibt sich: Man darf die geistig erkennbaren Gegenstände nicht außerhalb suchen, man darf nicht die Behauptung aufstellen, daß im Geist nur Abdrücke sind von dem, was ist, und man darf ihm nicht die Wahrheit wegnehmen, weil man dadurch seine Unkenntnis der geistg erkennbaren Gegenstände, ja sogar deren Nichtexistenz bewirken und letztlich den Geist selber aufheben würde.

In diesem Sinne würde es zutreffen, daß der Geist Wissen, d.h. wahres Wissen, besitzt, daß er nie vergißt und daß er nicht suchend umherläuft: dann wäre die Wahrheit in ihm und er wäre der feste Standort für alles, was ist, und dieses würde lebendig und geistig erkennend sein. Und natürlich muß bei einer absolut glückseligen Natur alles das gegeben sein: Wo wäre sonst das Wertvolle, das Erhabene an ihr? Und es trifft auf diese Weise ja auch zu, daß kein Beweis oder plausibles Argument dafür nötig ist daß es sich so verhält -es is ja der Geist selber, der sich so verhält und er ist sich sebst evident.”
(Plotin, “Die geistig erkennbaren Gegenstände”)

Aus diesem Geiste heraus übrigens kann J.G. Fichte einst folgendes äußern: “Ich werde mich auf Disputieren nicht einlassen, indem ich vorraussehe, daß damit nichts gewonnen werden kann. Ich werde mich durch dasselbe nicht irre machen lassen, weil die Quelle meiner Überzeugung höher liegt als aller Disput.”