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Possibilismus und Aktualismus

Meinard Kuhlmann in seinem Artikel “Ontologie”, Meiner 2014:
“Die heutige Debatte um mögliche Welten dreht sich primär um die Frage, in welchem Sinne mögliche Welten existieren, während es früher in erster Linie um das Ob ging (ein prominenter Gegner möglicher Welten war Quine). Die beiden heute wichtigsten Positionen zum ontologischen Status möglicher Welten sind erstens der Aktualismus (A. Platinga) und zweitens der Possibilismus (D.Lewis). Aktualisten bestehen auf der relativ moderaten Position, daß nur Objekte in der tatsächlichen (actual) Welt als gewöhnliche konkrete Objekte existieren und nichtaktuale Welten zwar existieren, jedoch nur als abstrakte Entitäten. Unsere Welt ist also vor anderen möglichen Welten als tatsächlich (aktual) ausgezeichnet. Die Possibilisten dagegen behaupten, daß alle möglichen (possible) Welten im gleichen Sinne existieren. Keine Welt ist als tatsächlich (aktual) ausgezeichnet. Aktualität zeichne eine Welt genauso wenig aus wie auch andere indexikalische Ausdrücke wie ‘hier’ und ‘jetzt’ keine Stellen in Raum und Zeit auszeichnen, sondern nur etwas über die Position des Sprechers aussagen.”
Die Quantenphysik:
Nick Herbert:“The world exists when we don´t look at it in some strange state that is indescribable, at that moment we look at it it becomes absolutely ordinary.”
Brian Clegg
: “Der bloße Akt der Beobachtung eines Systems reduziert scheinbar alle Möglichkeiten auf ein einzelnes Ergebnis.”
“Wegen der Schrödingergleichung über die Wellenfunktion der Teilchen: Manche denken, der Kollaps der Wellenfunktion sei eine Illsuion, weil sich alle Ergebnisse in verschiedenen Welten verwirklichen.”

Meine Position:
Eine Welt zeichnet sich meines Erachtens dann als aktual aus, wenn sie (intersubjektiv) wahrgenommen wird. In diesem Sinne kommt ihr aber lediglich intersubjektive “Wirklichkeit” zu. Hier würde ich lieber von Existenz sprechen. Wirklichkeit besteht nur jenseits des Aktualen (oder Berkeley: als Fähigkeit zum Aktualen). Jede Existenz -aller möglicher Welten – ist nicht wirklich, sondern als Subjektivität bezeichnete Konsequenz perzeptioneller Reduktion. In diesem Sinne bin ich (gerne) Possibilist.

Bestand Sommer 15

Draussen jener
blau gefiedert
ich probierte davon
und spuckte
mit dem Wind
eine Verwechslung
am Zaun
und die Dornen ein
Bekenntnis zum Kontinent –
arbeite immer gegen die Schicht
die graue
und den Staub
und er fängt Mäuse.
keiner mag mehr
frei sein heute
fällt mir auf
sie griff nicht
die Revolte und
und ich am Tisch
male in Rot die Köpfe derer
die niemand sah neben mir –
seit man die Atome
für gültig erklärte
und ich widersprach wiederholt
mein Hund sich entfernte
von All zu All-
war ich befugt
dazu.

Nacht und Ausblick

Im Nachtgarten
spielen jetzt Wölfe
nebenan muß Stille sein am Heu –
und am Glas
an den Hecken
wo hinten der Reiter
am zweiten Stern
der Deichsel und Lyra
zum Nussgebet riefen
das Wetter
nur eine Frucht gebahr
für diesen Sommer
da sah ich der elektrischen Ernte
am Horizont zu
und Vergangenes verblasste
wie gemischt nun
aus Gas und Licht
vom Mond-
so hatte ich Zeit
und dachte nach
über Tiere
und dies Haus

Quanten, Abgriff, Penrose

Brian Clegg: “In den Neunzigerjahren deuteten der Physiker Roger Penrose und der Mediziner Stuart Hameroff an, daß Quanteneffekte vermutlich eine Rolle in der Biologie spielen. Das menschliche Bewußtsein entstünde aus Superpositionen der Quantenzustände von Proteinfasern in Neuronen. Ein Kollaps der Wellenfunktion in diesen Zuständen würde im Gehirn eine Art Quantenberechnung ermöglichen, die Antworten auf Fragen offenbart, die mit den Regeln der formalen Logik nicht nachvollziehbar sind. ”
Eine nahezu äquivalente Aussage hierzu findet sich offensichtlich in den “Lehren des Don Juan”, nachdem “Welt” durch Wahrnehmung gemäß eines Abgriffes  im Gehirn konstitiuert ist. Der Schamane bezeichnet die genaue Stelle der Determinierung des “Kollapses der Wellenfunktion” als “Montagepunkt” – der Punkt eben, wo die Wahrnehmung stattfindet. Der gesamte Energiefluß (“des Meeres des Bewußtseins…” -in der Sprache der Quantenphysik also der Superposition-) “…wird an diesem Punkt in Sinnesdaten verwandelt und diese Daten werden dann als die uns umgebende Welt interpretiert” ( C.Castaneda). Die Superposition als solche repräsentiert in ihrer Nicht- Reduktion die eigentliche bzw. höhere Ebene der Wirklichkeit, nur durch den gehirnlichen Abgriff kann sie in (subjektive) existente “Welt” zusammenfallen und in Reduktion auf  der Sinnesebene zur Gewahrwerdung kommen. Die Position des Abgriffes ist dabei prinzipiell verschiebbar, je nach Abgriff wird  eine – intersubjektive- Möglichkeit von Welt begehbar, die in der Summe mit Platons (demiurgischer) Vielheit oder Plotins zweiter Hypostase zusammenfassbar wäre, hier handelt es sich um das  perzeptionelle Beziehen anderer, parallel existierender Welten aus der “Form – Anlage”  der  Superposition (und hier auch  liegt die ursprüngliche, die Physis und so den Abgriff verändernde Intention von Kontemplation, Yoga, Mantrik usw.). Dieser von der institutionalisierten Religion in Vergessenheit gedrängte Sachverhalt, der gleichzeitig aber ihre eigene Genese bedeutet, wird hingegen von Theosophen wie Jakob Böhme explizit und vergleichbar des Saitenmodell-Abgriffes aus der Stringtheorie beschrieben : “Also ist auch die Bezeichnung der Natur in ihrer Gestaltnis ein stumm Wesen. Sie ist wie ein zugericht Lautenspiel, auf welchem der Willen-Geist schlüget. Welche Saiten er trifft, die klinget nach ihrer Eigenschaft.”
Das Äqivalent des Abgriffes der Superposition in die vierdimensionale Ordnung ist die Schaffung des (Kunst-)Objektes. Der Künstler erschafft durch seine  Tätigkeit-diese ist  Erzwingung des Kollapses der unendlichen Option (“Option” als erste Explikation der unentschiedenen höheren Ordnung) – die Visualisierung eines unerkannt “Existenten”, so er Zugriff auf die Meta-Position gefunden hat.

Platons Mythos

Alfred North Whitehead:
“Alle spätere Philosophie ist doch nur eine Fußnote zu Platon”

 Edouard Schure:
“Es gibt unbedingt eine Mutterlehre und Synthese aller Religionen und Philosophien.”
“Die hellenistische Zivilisation hat den Krieg zwischen den Priestern und Philosophen nicht gekannt, der eine so große Rolle spielt in der unseren seit der Zerstörung des christlichen Esoterismus im zweiten Jahrhundert unserer Ära.”
“Nichts ist leichter, als die verschiedenen Teile der esoterischen Lehre in Plato wiederzufinden und zu gleicher Zeit die Quellen zu entdecken, aus denen er geschöpft hat.”
“Heute noch, nachdem so viele übereinandergelagerte philosophische Systeme im Staub zerfallen sind, heute, wo die Wissenschaft die Materie bis in ihre letzten Umwandlungen hinein durchstöbert hat und in das Antlitz des Unerklärbaren und Unsichtbaren schaut, heute noch kehrt Plato uns wieder.”
Edouard Schure bezieht sich auf die Tatsache, daß es sich bei Platons Betrachtungen über die verschiedene Qualität von Geist und Materie -wie etwa im Staat / Höhlengleichnis entfaltet-, nicht um eine gedankliche theoretische Findung aus einerseits beobachtbaren und erfahrbaren und andererseits darüberhinaus gedachten (überraumzeitlichen) Kategorien handelt und wie man einen solcherlei gearteten  Dualismus gedanklich überwinden könnte-sondern vielmehr handelt es sich hier um nicht weniger als die Tradierung einer urreligiösen Erfahrung , wie sie schon bei Pindar, den Pythagoreern und Orphikern nachweisbar ist -diese wiederum sich beziehend auf die Mysterien von Eleusis , die ihrerseits ihren Ursprung in Ägypten hatten, “denn in die stille Bucht von Eleusis hatte eine griechische Kolonie aus Ägypten den Kultus der großen Isis gebracht” (Schure), -nebenbei: so erlangt Mircea Eliades “alexandrinisches Schema” , das eine  platonisch inspirierte Absetzung des ägyptischen Frühchristentums vom (petrinischen) Rom nahelegt, zusätzliche Evidenz. Die Begrifflichkeit einer geistigen Ebene, eines  “Ideenhimmels”  als erlebbare  Realitäts-und Seinssteigerung in “metamaterieller” Überdimensionalität – die ursächlich erfahrungsinduziert und wegen fehlender Mittel als Mythos kolportiert wurde – schlägt sich ebenfalls in der iranischen als auch in der indischen Religion dieser Zeit nieder. Platon übersetzt die zugehörigen  Begrifflichkeiten erstmals in eine rationalisierende, um Überzeugung bemühte, die Gesetzmäßigkeit der Geometrie zu hilfenehmende philosophische Sprache.

 

Sommergeschichte

Der Schuh auf dem Stumpf der Wald hat rechts diesen Stapel – auf dem Rückweg verwechselt man das zu leicht dabei liegt links irgendwann dieser Hof mit dem Riesen ich mied das die Jahreimmer noch fremd selbst der Alte begegnete mir hier hätte nicht geglaubt daß er nochmal dem Tod so einfach –  sieht fast besser aus als vorher wegen meinen Beeten grüßt er nun- bald wird es früher dunkel im Fenchel schläft  jetzt  jemand vermutlich ein Tier der Nachbarschaft.

 

Zerwürfnis und Religion

Was  gerne verwechselt wird: Religion ist nicht Bastion gegen eine geistige Desorientierung sondern vielmehr Ausdruck dieser. Infolgedessen, und bezogen auf die konkrete Umsetzung des religiösen Anspruches, gipfelt ihr Auschließlichkeitsdenken und ihre an Unwissenheit und Ichzentriertheit gekoppelte Überhebung  in Herablassung, Spaltung, Zerwürfnis und Krieg. Die öffentliche Wahrnehmung ist aktuell derart besetzt von der Problematik des Aufeinanderpralls der sich auschließenden und “offenbarten” Weltansichten, daß kaum Ressourcen zu bleiben scheinen, um die (weitaus edlere) Aufgabe eines Aufstieges, einer Verbesserung, einer Aszendenz des ganzen Geschlechts zu besprechen, die seit der verschiedenen überwundenen Ismen der Jahrhunderte eigentlich erstmals möglich werden könnte.
Karl Jaspers sagte 1963 über die Offenbarungsreligion: “Die Wandlung ihrer Erscheinung wird tiefer sein als irgendeine der früheren, oder sie sterben ab.” und “Die Religionen haben durch diese Beziehung auf die Gottheit und die Auschließlichkeit ihres Wahrheitsanspruches etwas in die Welt gebracht, was uns heute, wie mir scheint-so unerträglich ist, daß ich zu sagen wage: in die biblische Religion ist von Anfang an…für uns etwas mit hineingenommen, was als Auschließlichkeit wie der Teufel ist, den wir loswerden müssen.”
Heute, ein halbes Jahrhundert später- sieht man von der christlichen Religion ab, die -zumal aufgrund ihres eigenen jesuanischen Ideals -jeder Kampf-und Abwehrkraft entbehrt, hat sich gezeigt, daß die Religionen nicht nur nicht bereit zu irgendeiner Form der Änderung sind, sondern im Gegenteil die Knechtung der Verhältnisse immer weiter treiben, die verbliebenen -weltlich agierenden- abrahamitischen Theismen immer regressiver auftreten und immer offener eine  ihnen inhärente Gewalt und Brutalität entfalten, vorbei an den moralischen Normativen, die längst weltweit proklamiert wurden, vorbei somit auch an entsprechenden völkerrechtlich bindenden Gesetzen. Und das eigentlich tragische an diesem Sachverhalt: der sich selbst als aufgeklärt bezeichnende Part der Welt trägt das allermeiste hiervon unwidersprochen mit.

 

Tolstoi und noussphärisches Christentum

“Die ganze äußere Welt, wie wir sie sehen, ist nur für uns so.
Zu sagen, die Welt sei wirklich so, wie wir sie sehen, ist ganz so,
als würde man sagen, es könne keine Wesen mit anderen Sinnesorganen geben.” (Tolstoi)
Befasst man sich mit der privaten Zitatensammlung Tolstois, die unter dem Titel “Für alle Tage” in Buchform  erschienen ist, wird ersichtlich, daß jener prinzipiell auf christlichem Fundament steht, die Anthropozentrik aber des christlichen Glaubens stets zu relativieren sucht. Daraus resultiert seine hohe Emphatie für alles Belebte und gerade auch für die Tierwelt. Der Fokus wird auf einen Bewußtseinsbegriff gelenkt, der von einer potentiellen Ungeschiedenheit des essentiell Göttlichen künden will, das lediglich in verschiedener Bewußtseinsstufe zu Form gelangt ist.
Hier zeigt sich  deutlich eine christlich noussphärische Ausrichtung Tolstois. Anders als im Westen hatte sich durch die Nähe Rußlands zum griechisch antiken Kulturraum, tradiert  auch über das Erbe vom nahen Byzanz, jenes eine idealistische platonische Linie bewahren können, die in Facetten vor der Aneignung der christlichen Lehre durch das petrinisch- römische Christentum in der christlichen Gnosis -vor allem in Ägypten-lebendig war.
Das Gemahnen der Verkennung einer  tieferliegenden christlichen und nicht-dogmatischen Implikation taucht so in Tolstois Einlassungen immer wieder auf: “Dank der Verkehrung des Christentums ist unser Leben schlimmer geworden als ein heidnisches Leben!”, ebenso die ontologische Prämisse der vorchristlichen Griechen: “Ob sie es wissen oder nicht, alle Wesen sind untrennbar miteinander verbunden.”

Viele Welten

Eine mögliche Deutung der Viele – Welten Konzeption:
Nicht nur die Vorstellung, verschiedene Welten fänden nebeneinander und gleichzeitig ohne jemalige Berührung statt, sondern denkbar ist auch, daß unser zeitliches Erleben bereits das Ergebnis, das Extrakt ständiger Selektion aus Parallelzuständen ist, die sich zu einem subjektiv zusammenhängenden und kausalen Bewußtseinsstrang zusammengefügt haben, der uns einen stringenten Welt –  Ablauf simuliert. Ob all diese potentiellen Welten tatsächlich “wirklich”sind, in dem sie aktual erkennbar erscheinen , so auch unsere vom Normalbewußtsein wahrgenommene Welt, ist in der Ontologie umstritten. Empirisch bestätigen aber läßt sich, daß eine Beobachterinstanz vonnöten ist, unsere  Welt erst durch Beobachtung überhaupt aktual und beschreibbar werden zu lassen. Da Schau auch antizipatorischen Charakter aufweist, begünstigt sie die Möglichkeit und Wirksamkeit jener Stati, mit der sie gedanklich befasst ist -geistiges Schauen ist materieabhängiges Schauen, nur eben viel feinstofflicher wirksam,  In der Aneinanderverfügung zur -tatsächlich diskreten- Abfolge (Zeit selbst ist diskret, siehe das Chronon) solcher Zustände erkennt man einen Strang, der aber tatsächlich lediglich den als kausal bzw. zeitlich wahrgenommenen Pfadt der Konkretisierung (also der Subjektivierung durch Desintegration aller Option bzw. Superposition) durch unendliche gleichzeitige paralelle Welten hindurch meint.

 

Juniabend II

Am Teerdach
fehlen die Stufen
und es scheint
als bekümmere dies
nicht das Leuchten
des Wetters
im Westen
wo deine Struktur verzagt war
und von Rückzug sprach
entgegen den Nachtschatten
die vom Fleisch erzählten
und der Süße
und frühe Vögel
die am Boden laufen
Gefahr
und die Speise die alte
die wir verloren
und an der Junikrume
(wegen dem Wind)
mit Kannen
voller Regen
finden wollten
war wie das Eisen
der Vorjahre
weg –
oder zumindest
ganz verborgen
wie die Puppen
und ihr Falterschlaf
an der Salweide