All posts by michael-schaffer

David Bohm und Tantra

David Bohm: “Die mystische Erfahrung reicht noch tiefer in die implizite Ordnung hinein, in die Ganzheit der Menschheit, sowohl die immanente als auch die transzendente. Könnten die Menschen die Natur gewöhnlicher Erfahrung besser verstehen, dann würden sie sehen, daß mystische Erfahrung tatsächlich eine Erhöhung, Intensivierung und Vertiefung von etwas ist, an dem sie schon immer teilhaben. Die implizite Ordnung schafft eine Gemeinsamkeit tief innerhalb von Materie, Energie, Leben und Bewußtsein. Die explizite Ordnung der sogenannten gewöhnlichen Erfahrungswelt entfaltet das Implizite und macht es sichtbar.”
Auffällig die Nähe hier zur hinduistischen Brahman/ Atman Konzeption (tantrischer Lesart): Die physische Realität (die ihrer Natur nach eigentlich Geist ist) ist unvollkommene, unentwickelte Ausdrucksform derselben großen, universalen Kräfte, die auch den Heilsprozessen zugrunde liegen. Oder passend hierzu der indische Sufist Hazrat Inayat Khan: “Der Geist ist in seiner Beschränktheit das, was wir Materie nennen, die Materie in ihrer Feinheit ist das, was Geist genannt werden kann.”

 

 

Bestand September (14) 1

Wurzel halbiert
Nachbarschutz
und zähe Paste
mit Warten auf den Zaun-
mein Vater die Tiere sterben
Pflanzen Fische und Frauen
schöne Russin komm
in meine Nacht
gestern
mischt sich Nanoweber
Abrieb
an den Dachzimmerstimmen
regenmorsch der Boden
dort wie mit
Besenstiel
geflicktes Holzflugzeug
für den Weltkrieg
zehn Jahre am Eis oder Rost-
dann lieber hier
mit Sommer hinter Glas
die Anderen
gemeinschaftlich vergangen
unbegründet (froh)
mit Reduktion auf Gefühltes
reckt zweite Weiberblüte
zur Sonne
verbrennt ungenutzt die Körper bis September
und immer immer Geburt Geburt
rufen die phallischen Priester
und wir? Leben so neutral-
daß er einen Nachtfreund in mir fand ist wahr
schließlich hatte er dafür alle Schützengräben überlebt
für unser Dasein hier
an der
Geldmaschine,
an der Kontrollmaschine
an der Ruhe

Vielheit in der Anschauung

H.v. Glasenapp:” Während die meisten abendländischen Metaphysiker…ihre Anschauungen für der Weisheit letzten Schluß ansahen, haben manche Inder schon seit der vedischen Zeit die Meinung vertreten, daß es eine für alle Menschen und alle Zeiten gültige religiöse oder philosophische Erklärung nicht geben könne, sondern daß nur eine Vielheit von Anschauungsweisen von verschiedenen Standpunkten aus je einen Teilausschnitt der für das Fassungsvermögen der Sterblichen unerkennbaren höchsten Wahrheit zu vermitteln vermag….
Diese ´dynamische´ Einstellung zum Wahrheitsbegriff hat den indischen Philosophen schon frühzeitig die Erkenntnis ermöglicht, daß alle Versuche, die Welt zu deuten, stets nur provisorischen und symbolischen Wert haben können.”
Und diese Haltung korreliert gut zu den Grundintentionen des gnostischen Christentums: “Die epinoia [der erste passive Aeon]gewähre lediglich Winke und Andeutungen, Bilder und Geschichten, die in unvollkommener Weise über sich hinausweisen auf Dinge, die wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vollständig begreifen können.” (Elaine Pagels)
Eine Erkenntnis, die in den orthodoxen abrahamitischen Religionen bis heute nicht durchgestossen ist und die ab der Konstantinischen Wende dem kirchlichen Anspruch und gegenteiligen Ansatz auf Offenbarungs-und somit Ausschließlichkeitscharakter weichen mußte.
Irenäus in seiner Bemächtigung auf das transzendente Erbe (das eigentliche europäische Skandalon: Die Bemächtigung und restriktive Monopolisierung -und dabei Verkümmerung-des Transzendenten durch die Institution Kirche in Verklammerung mit den Herrschenden) brachte sein Unverständnis auf die polemische Formel: “Häretiker wechseln ihre Lehren ungeniert mit der gleichen Häufigkeit, wie eine Hure ihren Aufputz wechselt.” Diesem Anwurf begegneten die Gnostiker seiner Zeit indes mit Schweigen, weil man Irenäus eine niedrige Erkenntnisebene bescheinigte, die eine Auseinandersetzung unmöglich gemacht hätte.
Mit Irenäus´Kanon -auf irrigem Transzendenzverständnis sowie auf staatspolitischer Räson beruhend- reiht sich das Christentum in die Tradition der anderen zwei abrahamitischen Monotheismen. Die Folgen offenbarungslegitimierter Absolutheitansprüche befassen uns seither auf einer ganz profanen Ebene auf das Negativste und sind bis heute (und gerade heute) (Welt-)agendabestimmend. Der Blutzoll war und ist unermeßlich.

G.I. Gurdjieff

Es macht einen großen Unterschied, ob ein Mensch nur das Wissen über eine Sache besitzt oder auch tieferes Verstehen aufgrund seiner Seinsentwicklung erworben hat.” Bruno Martin in “In einem Raumschiff mit Gurdjieff”
“Das Ziel selbst bestimmt die Richtung des Pfades, und es bringt die Wanderer auf die Pfade des Wissens von der Einheit, das dort seine Tiefe erreicht, wo das Wissen eine Wirklichkeit wird; aber es kann niemand anderem mitgeteilt werden, der nicht die selbe Entwicklungsstufe genommen hat.” G.I.Gurdjieff
Diese beide Zitate sind mehr als treffend gesprochen und sie lassen sich zudem passend auf den von Schopenhauer so gerne geschmähten Katheterphilosophen anwenden, der auch heute noch sein Unwesen treibt -zeitgemäß und vorzugsweise in Internetforen; eine Spezies mit Sachverwaltermentalität ohne echten Bezug (aber mit umso mehr Ansprüchen). Ebenso sind die Zitate in der Auseinandersetzung mit Kirchenchristen, die zumeist um die Schale, nicht aber um den Kern selbst bemüht sind, aber ebenso auch auf den unreflektierten Skeptiker hilfreich (und gesprächsausleitend) anwendbar. Alle genannten nämlich subsumieren unter dem Begriff der Uninvolviertheit.
Darüberhinaus auch bieten die Worte Herleitung und “Legitimation” für (erhabenes) Alleinsein.

Sommerbestand/Abendgedicht

Am Dach
wollte ich eine Schräge
kompensieren lassen –
wir alle kippen
wenigstens war mir so
gestern Nacht
trotz der neunzig Grad
und an den Bauten der Mäuse
das Warten-
Die Benommenheit am Asphalt
gegönnt dem Tier
nur bis morgen
es wird heiß werden-
stimmenhelles Nebenan
schneidet den Berg am Abend
und neue Freunde
an Fäden gleiten hierher
geht seit Jahren so
nur die Frage wegen der Qualität-
Ameisenstange und Hirnhaut
gegessen
gibt schlimmen Virus
wir aber
wie lichte Schatten im Land
an nördlicher Breite
auch
Reflektion mit Parabol
ohne mich –
flüchtige Stoffe
schwarz abgegrenzt die Vielheit
im Wald
oder weiß sein
ein Schein sein wie Kinder
und Alabaster
am Stamm
leises Schnattern
kalibriert
die Sommer
Traumata
wenn der bald vorbei
ist
dann Reue
und wieder
die Herbstpflicht

Jahr des Fallens

In dem Dorf das man abscheulich nannte war an den bemalten Wänden innen ein Feuer entstanden unbemerkt zuerst aber sollte man den Verursacher verdammen immerhin war er es der sich der Katze erbarmte deren Kadaver man einfach in einer Plastiktüte liegen ließ neben dem Heizkessel wo sie am liebsten gesessen hatte, später kamen andere – nach dem schwarzen Hund noch ein Freund mit dieser geheimen Verbindung zu Scherben ein blutiges Intervall ich meistens alleine Wochenkatharsis und nur da zum Beweis meines Willens eine jahrealte Zeitung unter dem Holzstaub der grauen Küche hervorgezogen und ganz gelesen, ich hatte die falsche Flußseite erwischt und wußte nicht wie nach Hause zu kommen wovon man heute sporadisch noch träumt in der Stadt war das anders da beschwor man zu der Zeit Geister gab sich dabei am liebsten gesellig eines nachts geriet ich fast in einen Hinterhalt um danach in jenem Dämonenhaus wie eine Erscheinung empfangen zu werden unter Flüchen sogar wegen der Enttäuschung an der Landstrasse aber war ich noch dem Hund verpflichtet  und das war auch richtig ihm fielen einst Planken von seinem Verschlag auf den Rücken als er sich befreien wollte und die Nachbarn wütend klopften fast morgens und sein Herr wie eine Leiche lag den Kopf überstreckt im Delir mit schwerem Atem wie erlöst in diesem Jahr des Fallens.

Tiergedicht

Sieben Söhne des Himmels hatten
sich nach der Nässe gereckt
man kennt die dunklen Tage ohne Regen-
die Amsel hörte ich nur
im Aufzug auf der Hochfahrt
wie ein mühselig zwitscherndes
Rädchen der Hydraulik
und zum roten Lager wuchsen unbemerkt Blüten
es lebt sich im Kleber
der Milben wie alles
durch Raum und Zeit
mit Organen –
“aber das wollte ich nicht, Herr Schmetterling”
so leise sprach er das
daß er es selber fast nicht hören konnte
wollte am liebsten vom letzten nur künden
aber
da war der Nabelbruch
im Osten
mit Eisen gekeult an der Baracke
die Leiber –
Totenschaufel Nässe Rost mit
Fett und Schrott
unter Nieselregen Outlet –
so oder so
ein Opfer
zum Trakt zum Vergang
zum Katarakt der Sorge-
nicht verdaut war
wegen gefälschtem Gebet
und Großwettergrau
dort wie hier
die Menschenschuld

Generationssache

Die Lieder Lysis
nachts im Traum mit Phase Zwei
wenn man eins wird mit allen Insekten
erkauft nicht ohne Müdigkeit
durch späten Tag und Gedanken
am Hochsitz wo die Bache stand
geschwängert für den Jäger
und dessen Frau
die ins Leere schaut
über das Porzellan
aus dem Riesengebirge
von wo die Rufe noch hallten
nach der Gerechtigkeit
und
ihren Töchtern
eine Kur vielleicht mit
zwei Teelöffeln vom Nussbaum
und Mazerat vom Carpinus
die Priester und Gebein
gar ein Schnakenvater im Achat-
willkommen so in Haus Neun
zur Genesung
zum Lebensaggregat
mit Akkumulator
in Stellung
gebracht fürs
ascendere
Generationssache eben

Bewußtseinsstrom und Bewußtseinsbild

John E. Mack “Shaman Malidoma Some described he attended that there were spirits of animals from other dimensions he could identify, but others without his capabiliy saw them as humans.”
Auch dies ist als Hinweis zu verstehen, daß alles Sein nur als Entäußerung eines vor-bildlichen Bewußtseinsstromes zu verstehen ist. Die sinnliche Erscheinung ist Repräsentanz eines Abgriffes aus diesem, also nicht etwa bedeutungsgleich mit einer Sichtbarwerdung des Stromes an sich, da der ja eben endlose Möglichkeit und Vielheit verkörpert, etwa im Sinne Plotins zweiter Hypostase-, sondern Visualisierung als Weltschöpfung einer verschwindenden Möglichkeit unter anderen (nach Castanedas Schamanen Don Juan Matus findet diese Vielheit durch einen gehirnlichen Abgriffspunkt statt). Der Herr der Form, das demiurgische Prinzip wäre demnach schlicht eine Kraft, in deren Macht es steht, einen solchen Abgriff “zu setzen”. Nach Plotin ist dies die Seele selbst,die alles schuf -auch die Götter- (Götter im hinduistischen Sinne der Devas und demiurgischen -ebenfalls sterblichen- Entitäten). Das eigentliche Sein ist das (unbenannte)Sein selbst. Das Dasein aber ist Abbildung, Darstellung, Bild-Werdung, im Falle des Menschen vergemeinschaftet zur Stiftung einer spezies-abhängigen Welt- bzw. Daseins – Identität.

Vergegenwärtigung

Vergegenwärtigung in der wörtlichen Bedeutung meint Bewußtwerdung und Integration im Sinne von Vereinheitlichung des Biographischen unter Überwindung des zeitlich Skalierten und zeitlich Geprägten zu einer Gesamtheit und Ganzheit des Seienden wie des Gewesenen durch Überbrückung und Verdeutlichung des Gewesenen zum Hier. Das Vergangene wird so dabei als Nahheit bewußt und unmittelbar der Gegenwart (die zwar immanent erachtet wird, der aber kein echter Bestand zukommt -worauf schon Augustinus hinwies), dem aktualen Sein selber zugeordnet,  indem sie von der perzeptionellen und mentalen Skala befreit bzw. transzendiert wird. Vegegenwärtigung ist letztlich ein Synonym für Erkenntnis, also Aufhebung der personellen Desintegrität und darüber so auch Komplettierung (Heiligung)  des Daseins, dies wegen der zunehmenden Ausfüllung und Durchdringung des Seinsbegriffes durch die Bewußtwerdung der überraumzeilichen Aspekte des Eigenen zum Selbst- und Ganzsein.