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Quanten und Monismus

“Wir hatten die alte Vorstellung, daß es ‚draußen‘ das Universum gibt und ‚hier‘ den Menschen, den Beobachter […] Aber heute wird uns klar, daß das Universum ein Universum des wechselseitigen Teilnehmens ist, und so müssen wir das herkömmliche Wort ‚Beobachter‘ aus den Büchern schlicht und einfach streichen und es mit dem neuen Wort ‚Teilnehmer‘ ersetzen.”
John Wheeler, amerikanischer Pionier der Quantenphysik

Jedes Elementarpartikel muß wiederum als Produkt noch kleinerer oder subtilerer Strukturen aufgefaßt werden, und es sieht so aus, daß alle Grenzen, die der Mensch findet, nicht in der Materie selbst liegen, sondern in der Erschöpfung der menschlichen Reichweite. Irgendwo muß man an ein Ende kommen, und dort, wo man aufhört, zieht man den Schlußstrich. Aber diese Unterteilung hat nichts mit der wahren Natur der Materie zu tun.

Der Mensch greift mit seinem Experiment einen ganz bestimmten Ausschnitt aus der Gesamtheit der Quantenwelt heraus. Das Experiment „zwingt” die Materie, eine ganz bestimmte Form und Verhaltensweise anzunehmen, die sie sonst nicht angenommen hätte. Der Mensch bestimmt, was er sieht. Er sieht nur das, was er sehen will oder sehen kann. Sein Wunsch, etwas zu beobachten, schafft die beobachtete Realität.
Denn die Materie birgt in ihrer Struktur unbegrenzt viele potentielle Realitäten, und der „Beobachter” kann immer nur eine herausgreifen.

Diese Erkenntnis, daß der Materialismus eine Sackgasse ist, gehört zu den wichtigsten philosophischen Konsequenzen der Quantenphysik.

Nach David Bohm — ‚letztlich‘ ist die Ganzheit des Ganzen und der Teile der entscheidende oder vorherrschende Faktor, während ihre Aufgeteiltheit einen untergeordneten Faktor darstellt.


Die Konsequenzen dieser neuesten Einsichten sind für jedes materialistische Weltbild im wahrsten Sinn des Wortes umwerfend: Alle Aspekte des Universums sind unsichtbar miteinander verbunden.

John Bell: „Die Arbeiten über die Quantenmechanik, die Bohm im Jahre 1952 veröffentlichte, waren für mich wie eine Offenbarung. Sehr beeindruckend war die Überwindung des Indeterminismus. Aber noch wichtiger, so denke ich, war, daß er es in keiner Weise für notwendig hielt, die Welt vage in ‚System‘ einerseits und ‚Apparat‘ oder ‚Beobachter‘ andererseits zu unterteilen.”

John Bells indirekte Beweisführung ist heute als das „Bellsche Theorem” bekannt. Bell konnte nachweisen, daß es physikalische Phänomene gibt, die mathematisch nicht erklärt werden können, wenn man nicht die Nicht-Lokalität akzeptiert.

Hier hat sich der Kirchenchrist auszuklinken, denn wenn a) Materie als solche nicht (oder relativ) existent ist und b) erst durch den Beobachter zur Entfaltung kommt, was soll dann Gott in der Genesis geschaffen haben? Der Platoniker, der Brahmane, der Buddhist haben kein Problem. Sie sehen vielmehr Lehren bestätigt.

J.G.Fichte zum Einen : “Die gegenseitige Wechselwirkung freier Wesen ist nach Natur-und Denkgesetzen völlig unbegreiflich und läßt sich erklären lediglich durch das Eine, in dem sie zusammenhängen:”
“Es ist die Bestimmung unseres Geschlechts, sich zu einem einzigen, in allen seinen Teilen durchgängig mit sich selbst bekannten und allenthalben auf die gleiche Weise ausgebildeten Köper zu vereinigen.
Und über Materie: ” Der Mensch ist nicht Erzeugnis der Sinneswelt. …Er muß es so wollen: Wo sein Sein einheimisch ist ist, da ist es notwendig auch sein Gedanke; und die wahrhaft menschlichste, ihm allein anständige Ansicht, die,…wodurch …alles Sinnliche sich ihm rein in Nichts verwandelt, in einen bloßen Widerschein des allein bestehenden Unsinnlichen in sterblichen Augen.”

Mäusepater Markion

Mäusepater Markion
ruft im Staub
die Seinen
Haoma ist die Stadt aus Licht
und in deinen Händen Hauch
der stirbt
und Vogelsamen
deine Nahrung –
Klausurgrau
im Lungenflur
wo man spricht
vom Schlaf
wirft ein Kartäusermond noch Licht-
die Astronomie der Toten
Pollux ist groß
wartet nicht
scheint und steigt
zum neuen Abend

An der Tür schwaches Licht

An der Tür
schwaches Licht
Kräuteropfer vom Winter
und Gelächter am Nachbarbeton
gebrochen in der Strasse nun Motoren
die giftig fliehen zum Hügel
ein Sucher
schaut auf die Raben
Acker schweigt noch
Wurzel steigt
verspricht die Auferstehung
im Rad

wahrhaft ist das Leben nicht
denn vom Weib gegeben sind die Hummeln
die suchen und gründen
ein Königreich im Boden
und an den Kanten schleicht ein Tier
reibt sein Fell am Stein
der alten Leute
auf das er endlich entschwinde
der März

Ausblick

Fieber und Namen
vergessen im Flur hier
ist jetzt niemand mehr
der hustet
oder gefangen scheint
in Stein und Zeit
einst wird dies ein Magazin sein
für das Wetter
oder die Geister
die ihre Wagen ziehen
aus Stahl und Draht
und die fluchen über die Gelenke-
und sie sagte noch sie habe Besuch
aber da war niemand zu sehen
nur sprach der Wind davon
daß mir jemand gefolgt war
und wir erschraken daher
und sie schlief bald darauf
und ich fragte dann noch
nach dem Weg
(zu mir selbst)

Sie

Dort wo man lebte an den Bergkämmen am Schlafmohn sagte sie hinter dem Haus waren Stimmen eines anderen Planeten und ich glaubte jedes Wort und dort im Osten wo man schoß konnte sie sehen wie die Alten sterben mußten im Granatfeuer warum man uns dies vorenthielt fragte sie und schon damals saßen auf den Hügeln Männer die den ganzen Tag nichts taten als dort zu harren manchmal hatte sie Freude wegen der Nacht im Flur dann sang sie neben mir und ich fragte warum sie nicht müde sei und fragte lediglich an gegen die Kraft die Vehemenz des Ganzen und freute mich an ihren Augen denn jene sprach durch sie.

Dionysius Areopagita

Dionysius Areopagita: “Noch hat uns jetzt, in Anpassung an unsere schwachen Kräfte, die Menschenfreundlichkeit der Heiligen Schrift und Überlieferung wie mit ehrfürchtigem Schleier das Geistige verhüllt mit Sinnlichem, das Überseiende mit Seiendem; sie hat das Gestalt-und Bildlose umkleidet mit Gestalt und Bild; sie hat das Überwesenhafte, Ungestaltige umgeben mit einer Fülle bunter Teilsymbole.”
In diesen Zeilen schwingt noch ganz das neuplatonische Erbe des frühen Christentums. Der Fehler des Katholizismus war, daß er meinte, die spirituellen Komponenten einer eigenen  (Pseudo-) Rationalität opfern zu müssen, auch um im Diskurs überhaupt gegen die antiken Schulen zu bestehen. Daß dieser Hybrid aus Religiösem und vermeintlich “positiv Theologischem” aber nur im Zuge einer römischen Staatsräson kolportierbar war, zeigte der weitere Verlauf der Kirchengeschichte. Jene Geschichte also, die Goethe einen “Mischmasch von Irrtum und Gewalt” nannte. Die (patristische/scholastische) Gewalt gegen die Vernunft indes fand ihre Auflösung durch die Spätscholastik selbst, und vor allem die Renaissance beendete den Spuk der “strohernen doctorculorum” (Thomas Müntzer). Geblieben ist ein Glaube ohne Spiritualität und ohne Vernunftmoment. Geblieben ist also genaugenommen- nichts.

Urchristentum, Menschenbild

Die Urchristenheit bietet überhaupt kein homogenes Glaubensverständnis, in vielen geistigen Zentren überwiegt das gnostische Element. Statt Erkenntnis oder Aufstieg (bei Paulus sieht man Spuren hiervon) setzt man aber aus machtpolitischen Gründen auf das Patriachrat in Rom, auf Vereinheitlichung hin zu einer Lehre, die Devotion und Glaube einfordert und sich von den vorchristlichen Weisheitsquellen abschottet. Das vorchristliche Element, die (idealistisch inspirierten) Geistes-Errungenschaften, die im Hellenismus weit ausgreifen, werden eliminiert.
Was die Katholiken dabei bis heute nicht verstanden haben: Argumentiert man gegen das System der Devotion und möchte stattdessen das vorchristliche, griechische (oder auch globale) Erkenntnisstreben “reinstallieren”, wird man mit dem Vorwurf der Selbstvergottung und -ermächtigung konfrontiert. Dem Selbst kommt aber gemäß jener Erkenntnislehren ein ganz anderer Rang zu, als die raumzeitliche Reduktion vorzutäuschen vermag. Gnosis bedeutet auch das Erkennen der eigenen, transpersonalen Stellung – noch über den demiurgischen Prinzipien. Die Aufwärtsbewegung ist also Befreiung von der unsinnigen Unterwerfung (unter vermeintliche Götter). Die Wahrnehmung des eigentlichen Seins bietet die Transzendenz des Personalen zu seiner höheren und eigentlichen Natur.

 

Das Weibliche, Werden und Vergehen

Nag Hammadi, Kodex II,VI.Schrift: “Diejenigen, die der Schöpfung Gottes wegen der berüchtigten Enthaltsamkeit feindlich sind, zitieren auch die an Salome gerichteten Worte, die wir früher erwähnt haben. Sie sind aber, wie ich glaube, im Ägypterevangelium überliefert. Sie sagen nämlich:Der Erlöser selbst sprach; Ìch bin gekommen, die Werke des Weiblichen aufzulösen, des weiblichen nämlich der Begierde, die Werke aber, Werden und Vergehen.”
“Als Salome fragte, wie lange wird der Tod Macht haben?`, sagte der Herr …´Solange ihr Frauen gebärt`.
Der Herr sagt: “Was immer aus der Wahrheit geboren ist, stirbt nicht. Was immer aus einer Frau geboren ist, stirbt.”

Dieser weltumspannende Topos wird inbesondere im Buddhismus sehr ähnlich ausgesprochen. (Übrigens wird im gnostischen Dialog des Erlösers als Quasi –  Äquivalent zu den buddhistischen Bardo-Zuständen die Wanderung der Seele nach dem Tod, die unbeschadet verschiedene Archonten passieren muß, beschrieben !)
Bei der heutigen Reduktion des religiösen Diskurses auf sexualethische Anliegen (die von Begehrlichkeiten des Individuums, nicht von theologisch/metaphysischen Fragestellungen gespeist sind), bei Diskussionen wie etwa um das Zölibat oder die Gleichstellung der Frau, bleiben diese (religiösen!)Implikationen sowieso völlig außer Acht.

 

Askese

Zum Begriff der Askese:
Der christliche Quietist müht sich in der Klausur um die Nähe zu Gott, zumeist fokussiert auf Jesus. Da er von einem falschen Transzendenzverständnis bzw. einem falschen Seinsverhältnis von Mensch, Seele und Gott ausgeht, zielt seine Praxis auf Demut und Anbetung, auf personale Devotion. Platon fordert das ´Gegenteil, indem er im Menon ausspricht, daß die Seele alles innehatte und sich dessen gewahr zu werden hat, indem sie sich erinnert, “was lernen heißt”. Bei der Eckhartschen Mystik stimmt dieses Verhältnis voll und ganz und respektive seiner monistischen idealistischen Sicht muß der Mystiker dadurch voranschreiten, daß er sich zu dem Einen -in Gewahrwerdung des Einen/Sein- “verhält”. “Weil die Seele das Eine nicht besitzt, darum kommt die Seele nimmer zur Ruhe, bis alles Eins in Gott wird.” Dieses Verhalten muß tätige Nächstenliebe sein, da nur dies die Verbindung und Rückführung des einen mit sich selbst beschreibt. (“Got und ich sind eins in diesem Gewirke (der Liebe).”
Die Forderung nach Askese als solche aber speist sich aus zweierlei Ansicht: Zum einen (Schopenhauer): “Der innere Geist und Sinn…der Askese…ist dieser, daß man sich eines besseren Daseins, als unseres ist, würdig und fähig erkannt hat und diese Überzeugung dadurch bekräftigen und erhalten will, daß man, was diese Welt bietet, verachtet, all ihre Genüsse als wertlos von sich wirft…”), zum anderen -und das wurde von den meisten mißverstanden- und vor allem aber dies: Askese bewirkt die Reinigung des Körpers und so die physiologische Wachheit zur biologischen Aufwärtsbewegung zur Verbesserung der Perzeption. Denn die gesteigerte Perzeption evoziert gesteigerte(s) Realität(sverständnis) über die Totalität der Existenz. (Was die Ausfüllung des Begriffes “Religiösität” meint.) Und dies kann die Askese in stetiger, wachsender Art befördern, nicht aber in der Vehemenz und Plötzlichkeit psychotroper schamanischer Induktion.

Archonten

Bei der christlichen Engelthematik muß man verstehen, daß Archonten, Engel, Lichtwesen oder eben auch “Aliens” alle das gleiche meinen, nämlich Manifestationen der geistigen Welt(en) oder der plotinischen zweiten Hypostase. Die Beschreibung Ausserirdischer als Wesen verschiedener Physiognomie und kosmisch/familiärer Zugehörigkeit findet sogar ihr Äqivalent in christlich gnostischen Schriften. Das Christentum hat aber den Fehler gemacht, diese Erscheinungen für sich alleine in Anspruch zu nehmen, als auschließliche Begleitungen ihres eigenen Gottes zu kanonisieren, was bedeuten muß, daß man einem viel weiter greifenden Phänomen die gebührende Beachtung versagt und somit gleichzeitig konstruktive Erklärungsansätze verhindert. So friert man diese Phänomene – die man ja andererseits permanent zum Ziel der Devotion deklariert hat-ohne deren Implikationen -darunter gehört auch die eigene, eine Materie-Geist- sowie Subjekt/Objekt- Dualismus überwindende Teilhabe daran- zu begreifen, auf eine anachronistische, romantisierende Sicht ein. Gerade die gnostische Lesart besagt, daß diese Kontakte zu “Lichtwesen” zu allen Zeiten bestehen und von einer weit überlegenen (somit hochtechnischen) Zivilisation stammen, die sich a) unserer Auffassungsgabe gemäß entäußert und b) unseren Mitteln gemäß beschrieben wird. Daher schon sind die ganzen alten Darstellungen in dem Sinne -für heute- obsolet (oder falsch), als die Bewegung der geistigen Welt keine unveränderliche,museale ist, sondern sich als ein sich ständig Vollziehendes und an unserer aktuellen Begrifflichkeit Operierendes entäußert.