Magisches Sein

Das magische Denken befördert eine totale Bezugnahme aller Erscheinung und Impression in der Korrelation innerer und äußerer Prozesse. Geschehnis und Kausalität werden nicht einfach als beobachtbarer Aufzug erachtet, sondern der Mensch selbst ist ganz Akteur im Vollzug der Seins-Bildung, er ist mit den Objekten wesenhaft verknüpft und schaffend in der Interaktion mit ihnen, und wenn auch diese Sicht als subjektivistisch bezeichnet werden darf, da hier mitunter durchaus willkürlich anmutende Bezugnahmen proklamiert werden, so bringen diese durch die Schaffung neuer Signifikanz doch ihre eigene Sinnhaftigkeit hervor, indem auf diese Art wiederum neue Resonanz und Kausalität angeregt werden kann. Vor dem Hintergrund spiritueller oder bewußtseinstranszendierener Praktiken kommt es zudem zu einer tieferen Sicht auf eine Allverbundenheit, die – einmal visuell konkretisiert und erfahren – die Schwere der Materie als Veräußerung eines vielmehr feinstofflich-ätherischen Kontinuums wissen läßt. Es ist für das magische Sein in diesem Zusammenhang auch vermutbar, daß über solche tiefe Verbindung gar Makro-Prozesse (also Verbindungen zwischen vermeintlich bezuglosen Objekten und Begebenheiten) anregbar werden – dies wegen der Korrelation mit der Kraft des Seinsvollzuges als Tätigigkeit eines über-seienden Ichs.
Insofern ist ‘wahre’ Magie Anteilnahme an tieferer Allverbundenheit. Natur ist reine Produktivität ohne klare Subjekt-Objekt-Determination. Alles ist natura naturans, alles ist Enstehung in Interaktion. Das Ich als Ego beugt sich diesem Prozeß und hört dabei auf, (getrenntes) Ich zu sein. Seine Kraft zum Vollzug meint vielmehr Ich-Abgabe und somit Synchronisierung mit dem Seinsvollzug selber.
In diesem Kontext kann auch Ernst Mach herangezogen werden: “An einem heiteren Sommertage im Freien erschien mir mit einmal die Welt samt meinem Ich als eine zusammenhängende Masse von Empfindungen, nur im Ich stärker zusammenhängend.”
Und aus dem Bericht einer Nahtoderfahrung: “Alle menschlichen Emotionen sind präsent, aber sie sind tiefer, weiter. Sie sind nicht nur innen, sondern auch außen. Stellen Sie sich vor, daß sich jedes Mal, wenn sich hier auf der Erde Ihre Stimmung verändert, sofort auch das Wetter mit verändert. Daß Ihre Tränen einen sintflutartigen Regenguss auslösen und Ihre Freude auf der Stelle die Wolken zum Verschwinden bringt. Das gibt uns eine Vorstellung davon, wie viel riesiger und folgenschwerer als hier unten Stimmungsschwankungen dort oben sind, wie seltsam und wie kraftvoll, und daß das, was wir uns als ‘innen’ und ‘außen’ denken, überhaupt nicht wirklich existiert.” (Eben Alexander)
An dieser Stelle sei auch passend Logion 89 des apokryphen Thomasevangeliums angefügt: “Jesus sagte: Warum wascht ihr die Außenseite des Bechers? Erkennt ihr nicht, daß der, der die Innenseite schuf, auch der ist, der die Außenseite schuf?”

Und Wikipedia:
“Neue magische Konzepte gehen davon aus, dass alle Dinge und Ereignisse in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Universum miteinander in Verbindung stehen.”

“Zu den ‘magischen Techniken’ (Arnold Gehlen) gehören veränderte Bewußtseinszustände. ‘Magische Arbeit’ wird meist in Trancezuständen oder in meditativen Zuständen, welche die persönliche Identifikation transzendieren, durchgeführt. Einige Techniken der Magie sind überwiegend psychologisch zu verstehen, dienen der Erforschung und Beherrschung des eigenen Inneren sowie der Bewusstwerdung unbewusster Strukturen, um das Selbst zu entwickeln. Dadurch soll die Realität nach dem eigenen Willen gestaltet werden.”

“Das Selbst entwickeln” heißt aber genauer, in der Räson der teleologischen Wirk-lichkeit und Verwirklichung zu stehen. Dies transferiert den Impetus des Eigenwillens zur Vollzugsebene des Willens als solchen. Und dieses Selbst-Werden soll schließlich im C.G. Jung‘ schen Sinne verstanden sein:
“Das Selbst ist die ‘dem Ich übergeordnete Ganzheit’.Das Ich ist nach Jung der bewusste Teil des Selbst, und als Teil des größeren Ganzen kann dieses jenes nie begreifen. Wegen seiner prinzipiell nie vollständig bewussten Erkennbarkeit ist das Selbst ein ‘Grenzbegriff’ und eine ‘Grenzvorstellung’ für die ‘unbekannte Ganzheit des Menschen’.”

“…sei das Selbst aufgrund seiner zugleich persönlichen und überpersönlichen Eigenschaften ‘paradoxerweise Quintessenz des Individuums und doch zugleich ein Kollektivum’. Bezüglich dieser paradoxen Eigenschaft des Selbst zog Jung oft Parallelen mit dem indischen Konzept des Atman.” (Wikipedia)