Category Archives: Lyrik und Kurzprosa

Schlachter

Da hatte er die ersten Jahre beim Schlachter verbracht die prägenden mit der Rückseite der Axt zwischen die Augen fast im Akkord geschlagen weil sein Dienstgeber den Töterkolben sparen wollte um in der Kneipe besser zu trinken wobei dann dieses eine Schwein bei Gott das hätte tot sein müssen das war aus dem kochenden Trog um die Schwarte zu lösen geflohen was ihn die Jahre bis heute noch sprachlos ließ und schon wenig später verfuhr er ganz ähnlich mit seinen Schäferhunden als man sie schwanzwedelnd weil sie nichts verstanden zum Steinbruch verbrachte um sie dort zu erschiessen und wo sie selbst da noch nicht sterben wollten abermals die Axt umso härter niederschlug in deren flehende Stirn.
Später dann auf den Reisen den gewissen sagten die Mädchen in gebrochenem Deutsch er wolle immer nur wie ein Hund mit ihnen denn mit den heimischen Frauen ließ sich derart so einfach nicht verfahren nicht einmal deftig kochen zu Sonntag wollte die Letzte daß er am Schluß lieber darbte im Weinberg bis zum Schlag um danach endlich alleine und das nicht grundlos mit seinem Leben ins gedunsene Gesicht gezeichnet allgemeiner stummer Abneigung wenn nicht Verachtung ausgesetzt in seinem Zimmer mit dem Geruch nach Fleischwurstharn und dem trüben Blick nach Draussen einhändig Konservendosen zu öffnen und zu warten–zu warten offenbar auf mich denn
seit ich ihm unwirsch begegne hat er mich merkbar in sein Herz geschlossen

Frontkämpfer

Und dafür war er Frontkämpfer mit Orden im Osten und als Lagerüberleber aus dem Schutt und dem Frost dann zurück um am Schluß als Herr Knöllchen verlacht wie versehrt an den Heizkörpern zu leben und zu vertrocknen an den Augen und den Mädchen mit der Gattin die beleibt wie besorgt darum schaute daß er nicht zu bald an der Sauerstoffpumpe erfror jeden Tag ein Stück mehr bis zur letzten großen Kapitulation

Fünfter Januar

Im weichen Gartenland hinter den Stacheln der Berberitze stehe ich jetzt manchmal am Hundegrab und drehe den Blick von dort zur Hauswand und zurück zum Horizont um dort nichts zu entdecken als das Januargrau das die Sonne ganz vergraben hat und die alte Frau hinter dem Fenster schaut wieder herüber als ob es nun ausgerechnet an mir wäre etwas zu ändern
scheinbar stoppt hinter hier diesen Häusern die Welt – wir beide- sie und ich alleine wie auf einer Winterflugscheibe fast antriebslos in den Zwischenräumen und nach all dem Gelebten hier wie dort ein Nichts jetzt ja die komplette Nichtung als wäre überhaupt nie irgendetwas gewesen oder geschehen und so die unsagbare Unerfüllung und zugleich fast absurd anmutende Bereitschaft als Dezember Resümee
ein Glück, daß dieser Januar bisher viel zu warm ausfällt- wenigstens dies

Dezemberbild

Alles nun geschnitten und abgelegt am nassen Hügel
bevor die Frosthand das Land in klare Ordnung legt
wie eine kristallin geschmückte Reduktion
auf das weiße Fundament
Körper und Hände aber reißen
vor den Häusern ist Isolation
und in den Türen brüchiger Schutz
der Trost durch die Lichter übertüncht in keiner Weise
die astronomische Tatsache
der Sonnenabkehr der Erde
durch ihr lautloses Kippen um ihre Achse
hinab in das Vakuum-Schwarz des Weltalls

Sommerstuhl

Als wir am Himmel saßen
auf zwei letzten Sommerstühlen
versäumte ich die Mondamsel zu rufen
um den Tag zu bestellen
so dieser für immer entglitt
zwischen herbstkaltem Neuland und dem Novembergewirr
dein Lachen fehlt nun am Windtelefon
nie mehr kann es so sein wie an den Sonnenbeeten
und bald schon der Winter
niemand sieht
den alten Nachtwolf
wie bedächtig er humpelt
zu seinem eigenen Grab

Sankt Martin

An Sankt Martin
Sturmregen
 nur zu Abend
um die Lieder der Kapelle
und alle Lampen  zu ersticken
nasser November
Trauerzug
darauf für Tage weißer Rauch
an den feuchten Grasfeuern
mittags schon steigen
Nebelgespenster
aus den Schornsteinen
hinab in das Dorf
und ich schaue im Dunst
die Jahre zurück
wo warst du

Tropfen

Alltäglich fast:
ein paar Kräutertropfen
gegen den Tod verordnet
immerhin
die Uhr falsch herum aufgehängt
der kleinen Spinne ein Nest
warum früher Frost ohne Warnung
ein Jahrzehnt zurück
habe ich deine Stimme vernommen
war doch vorhin noch vertraut.

November

November kommt mit gestochenen Blauwolken
Schattenraben rudern an salzigen Feldern
zu den braungepflügten Ufern am Waldsaum
in der Klarluft des frühen Abends heben sich die Bäume
wie ausgeschnitten schwarz schon gegen den Westmond
und die Wettersterne
und ich bleibe  hier
mit stummem Zurückblick
auf die Flüchtigkeit jeden Sommers
und der bangen Erwartung nahenden Frosts

Orthodoxe Glocke

Hoch auf das Feld trägt
der kalte Morgen Metallgeläut
zu den erbarmenswerten Dörfern
wo sich für einen Blick gebückte Seelen heben
an der Kapelle aber sieht man
Blut dünner Hände
weggeschlagen am goldenen Spalier
vom Rock der heiligen Frau
und tief in die Weite vor den Wald gestreckt
liegt am Wegrand ein Mensch
gestorben mit Gebet und dem Gift
der kargen Stachelfrucht