Ur-Grund der Religion

Erwin Rohde in seinem Werk “Psyche – Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen”:
“Das Streben nach der Vereinigung mit Gott, dem Untergang des Individuums in der Gottheit, ist es auch, was alle Mystik hochbegabter und gebildeter Völker in der Wurzel zusammenbindet mit dem Aufregungskult der Naturvölker.” 
Hier sei kurz eine Konnotation zu Mircea Eliade eingeflochten. Dieser schließlich “…konzipierte den Schamanismus als das weltweit verbreitete Ur-Phänomen der menschlichen Religiosität und erhob die … ekstatische Trance mit dem ‘Seelenflug in die Geisterwelt’ zum zentralen Merkmal aller schamanischer Phänomene.”  Bei genauerer Betrachtung von Rohdes Ausführungen kommt man jedoch zum Schluß, daß Rohde  diesen Gedanken lange vor Eliade gefasst hatte. 
Rohde: “Das Ziel, man kann sagen die Aufgabe dieses Kultes war es, die Erregung der an ihm Teilnehmenden bis zur ‘Ekstasis’ zu treiben, ihre ‘Seelen’ dem gewohnten Kreise ihres menschlich beschränkten Daseins zu entreißen und als freie Geister in die Gemeinschaft Gottes und seines Geisterschwarms zu erheben. Die Entzückungen dieser Orgiasmen schlossen denen, die als wahre Bakchen wirklich in den Zustand heiligen Wahnsinns gerieten, ein GEBIET DER ERFAHRUNG auf, von dem ihnen ihr Dasein im vollbesonnenen Tagesleben keine Kunde geben konnte. Denn als Erfahrungen gegenständlichen Inhalts mußten sie die Empfindungen und Gesichte, die ihnen in der ‘Ekstasis’ zuteil geworden waren, auffassen.”
“Selbst nach Aufhören der Ekstasis scheinem dem Ekstatischen die gehabten Gesichte tatsächlichen Inhalt gehabt zu haben… sie hielten ihre Gesichte für wirkliche Geschehnisse, an die sie sich erinnerten.” (Aristoteles, nach Rohde zitiert)
Und auch im Folgenden ein ganz entscheidender Aspekt bezüglich des Wesens dieser Erfahrung und der Frage nach ihrer ontologischen Einordnung: “Zauberer, die nachher zum Christentum bekehrt wurden,waren gewöhnlich auch später noch von der Wirklichkeit früherer Erscheinungen überzeugt, sie waren ihnen als ETWAS REALES vorgekommen.”
“Das Gefühl ihrer Göttlichkeit, ihrer Ewigkeit, das in der Ekstasis sich blitzartig ihr selbst offenbart hatte, konnte der Seele sich zu der bleibenden Überzeugung fortbilden, daß sie göttlicher Natur sei, zu göttlichem Leben berufen, sobald der Leib sie freilasse, wie damals auf kurze Zeit, so dereinst für immer. Welche VERNUNFTGRÜNDE könnten stärker einen solchen Spiritualismus befestigen als die eigenste Erfahrung, die schon hier einen Vorgeschmack gewährt hatte von dem, was einst für immer sein werde?” 
Und dann: “Entwertung des alltäglichen Lebens, Abwendung von diesem Leben wird die Folge eines so gesteigerten Spiritualismus sein.”
Hier stehen wir in der Tat an der Wiege des Pythagoreismus, der Orphik und des Platonismus.  Was Rhode in der Beschreibung der essentiellen Lehre der eleusinischen Mysterien ganz verfehlt, hier hat er mit jedem Satz in das Herz der Sache getroffen. Insofern ist hier mein Diktum vom Platonismus als der Kolportage einer urreligiösen Erfahrung anzufügen.

 Und wie zur Conclusio: “Von daher nimmt griechische Philosophie den Mut zurAufstellung einer Lehre von der Unsterblichkeit der Seele.”