Leere und Sinn

C.G. Jung für den Taoismus: “Die Begrenzungen sind nicht ursprünglich im Sinn des Daseins begründet. Die festgelegten Bedeutungen sind nicht ursprünglich den Worten eigentümlich. Die Unterscheidungen entstammen erst der subjektiven Betrachtungsweise.”
Und: “Das äußere Hören darf nicht weiter eindringen als bis zum Ohr; der Verstand darf kein Sonderdasein führen wollen, so wird die Seele leer und vermag die Welt in sich aufzunehmen. Und der Sinn ist’s, der diese Leere füllt.”
Die Totalität dieses Anspruches fürt uns im neuplatonischen Sinne über die zweite (also geistige) Hypostase hinaus: “Das Wesen des Nous ist Sehendsein, dieses schließt Vielheit und Angewiesenheit auf ein vorgängiges Anderes ein, auf das gerichtet die Denkbewegung zur Intentionsfüllung gelangt, wenn sie sich nicht ins Leere verlaufen soll.” (Volkmann-Schluck)
Hinter der Vielheit des Denkenden residiert die (so benannte) Leere, die zugleich Überfülle zum Sinnhaften beherbergt, und – so sie den Schritt zur Explikation vollzieht – das Sinnhafte (perspektivisch) sichtbar werden läßt. Die Rolle des Seelischen, die erst diese Art der Verwirklichung in die (uns so genannte) Existenz bringt, zeigt allein, daß jene Derivat des Einen sein muß. Sie kommt aber zurück zu ihrer wahren Herkunft, wenn sie die prinzipielle Defizienz iher Hervorbringung erkennt und aufzuheben gewillt ist.

Meister Eckhart: “Drei Dinge sind es, die uns hindern, so daß wir das ewige Wort nicht hören. Das erste ist Körperlichkeit, das zweite Vielheit, das dritte ist Zeitlichkeit. Wäre der Mensch über diese drei Dinge hinausgeschritten, so wohnte er in Ewigkeit und wohnte im Geiste und wohnte in der Einheit und in der Wüste, und dort würde er das ewige Wort hören.”
“Gott wirkt alle seine Werke darum, daß wir der eingeborene Sohn seien. Wennn Gott sieht, daß wir der eingeborene Sohn sind, so drängt es Gott so heftig zu uns, und er eilt und tut gerade so, als ob ihm sein göttliches Sein zerbrechen und in sich selbst zunichte werden wolle, auf daß er uns den ganzen Abgrund seiner Gottheit und die Fülle seines Seins und seiner Natur offenbare; Gott ist es eilig damit, daß es ganz so unser eigen sei, wie es sein Eigen ist. Hier hat Gott Lust und Wonne in der Fülle. Dieser Mensch steht in Gottes Erkennen und in Gottes Liebe und wird nichts anderes, als was Gott selbst ist.”
An der Wendung des Zitates sehen wir, daß auch Eckhart eine Totalität avisiert, die wir als Telos auch im Taoismus finden: Die Vielheit des Nous, und so die geistigen und feinstofflichen Explikationen (Welten) sollen dabei ohne Interesse sein. Mit der Ablösung des Perzeptiven und somit Unterscheidenden endet auch jede höherweltliche Vielheit, an die einzig verbliebene Stelle tritt die Leere als Totalsein (und Apriorie) des Sinnhaften.