Category Archives: Philosophisches

Vergegenwärtigung

Vergegenwärtigung in der wörtlichen Bedeutung meint Bewußtwerdung und Integration im Sinne von Vereinheitlichung des Biographischen unter Überwindung des zeitlich Skalierten und zeitlich Geprägten zu einer Gesamtheit und Ganzheit des Seienden wie des Gewesenen durch Überbrückung und Verdeutlichung des Gewesenen zum Hier. Das Vergangene wird so dabei als Nahheit bewußt und unmittelbar der Gegenwart (die zwar immanent erachtet wird, der aber kein echter Bestand zukommt -worauf schon Augustinus hinwies), dem aktualen Sein selber zugeordnet,  indem sie von der perzeptionellen und mentalen Skala befreit bzw. transzendiert wird. Vegegenwärtigung ist letztlich ein Synonym für Erkenntnis, also Aufhebung der personellen Desintegrität und darüber so auch Komplettierung (Heiligung)  des Daseins, dies wegen der zunehmenden Ausfüllung und Durchdringung des Seinsbegriffes durch die Bewußtwerdung der überraumzeilichen Aspekte des Eigenen zum Selbst- und Ganzsein.

Letztes Prinzip, Buddha, Upanishad

Glasenapp über den Buddhismus in Absetzung zum Upanishad: “Der Buddha setzt also die Lehre von einem ursächlichen Zusammenhang aller Dinge an die Stelle der kausalen Weltsicht der Upanishaden, welche alles aus einem letzten Prinzip im Wege der Evolution hervorgehen lassen und dann nicht weiter fragen, wo das Urprinzip hergekommen ist.”
Aber der Buddhist, der diese letzte Wahrheit -auch das geistige Leben- nur als Ergebnis der gegenseitigen Kooperation flüchtiger (Daseins)Faktoren (dharmas) erklärt- käme nun doch nicht umhin, die Herkunft eben jener dharmas oder deren erstbewegende Veranlassung zu erklären.
Die Upanishaden sehe ich hingegen in keiner Bringschuld, denn ein explizit letztes (erstes) Prinzip kommt nicht von irgendwo oder irgendwann her, sonst wäre es eben ein Nachgeordnetes, sondern es ist zeit- und ortlos, in jeder Hinsicht übergeordnet (daher auch allem inhärent und immanent, da nichts außer ihm, vor oder nach ihm.) Die letzte Kausalität hebt die ursprüngliche Frage nach der eigenen Kausalität gleichzeitig auf, da sie eben vorkausal bzw, überkausal ist. So kommt auch der Buddhist durch alle Negationen (Nirwana) aus seinem “Dualismus” von Nichts und sich Bedingendem zur Herleitung und Rückführung auf die letzte Instanz der Verursachung und Hevorbringung, die, -so setzte sich dies auf lange Sicht durch- mittlerweile am ehesten mit “Buddhanatur” bezeichnet wird. Diese beschreibt eine von allen Eigenschaften befreite, abgrundtiefe Nichtqualität, der (quasi paradoxerweise) doch Heiligkeit zukommt. Und hier trifft man sich natürlich auffällig mit Plotin wie mit Meister Eckehart.

Tieropfer

“Ebenso wie der Jainismus, der Buddhismus und der spätere Vishnuismus hat das klassische Sankhya stets die Tieropfer als grausam und zwecklos bekämpft. Mathara zitiert den ironischen Vers: `Wenn man den Himmel durch Opfer erreicht, bei welchen man Bäume fällt, Tiere tötet und blutigen Schmutz hervorruft, wodurch kommt man dann in die Hölle? ` ”
(H. v. Glasenapp)
Fürwahr eine Erkenntnis, die in den alten abrahmitischen Religionen nie durchstossen konnte. Die Opferung als Brauch einer Art Erkaufung des Schicksals ist immer als eine Form der Ablasshandlung zu verstehen. Von heute betrachtet ist sie ein Relikt, ein Atavismus ursächlich  des Animismus, der hinter jedem Baum einen Gott sah, und so ist sie also als Ausdruck ursächlicher Hilflosigkeit und Ausgeliefertheit gegenüber allen möglichen Gewalten zu deuten . Somit ist sie zuletzt ein Produkt der Angst. Die – so könnte man entgegnen-angesichts des menschlichen Schicksals seine Berechtigung finden mag. Unter Verkennung des transzendenten Prinzips in seiner Unabhängigkeit von Ritus und anthropozentrierter Erwartungshaltung deutet dies auf eine Gottesferne bzw. auf eine Verwirrung bezüglich der Relation von menschlicher Handlung zu einem übermenschlichen Wirkmechanismus hin. (Deswegen auch lehnte Paulus die Beschneidung -diese ist schliesslich nichts anderes als ein Opfer-Rudiment -ab und forderte stattdessen eine geistige Beschneidung.) Die evident wahrgenommene menschliche Ausgeliefertheit aber mit einem Handel mit Gott unter Schädigung nicht-schuldiger, bei weitem ausgelieferterer Wesen befördern zu wollen, zeugt von moralischem und theologischem Ruin.

Religiös-kulturelle Entsprechung

V. Glasenapp, in Bezugnahme auf die indische Philosophie, die sich vom Religiösen nicht trennen läßt und ihren Ähnlichkeiten zu westlichen Denksystemen: “Denn irgendwelche Entsprechungen lassen sich in der ganzen philosophischen Literatur aller Völker und Zeiten ermitteln, da das menschliche Denken überall ähnliche Vorstellungen hervorbringt. Derartige Parallelen sind naturgemäß dann am augenfälligsten, wenn die allgemeinen kulturellen Vorraussetzungen, aus denen sie erwuchsen, ähnliche sind.”
Hier möchte man ergänzen: Die Augenfälligkeit der Parallele mag in der Verbalisierung und (intellektuellen) Differenzierung über die Vorstellung eines letzten Prinzips bestehen. Die Relevanz über das Gesagte erschließt sich aber vom transzendenten Subjekt aus und ist untergeordnete Beschreibung dessen Evidenz. Die religiöse “Dimension” und ihre Erfahrbarkeit bar kultureller Einkleidung ist immer gleich(rangig), da sie ausserhalb kultureller und zeitlicher Bindung autonom verortet ist. Nicht die kulturell gefärbte Besprechung, sondern die Mechanik (diese ist seit archaischer Zeit beschrieben) für den Zugang zum Metaphysischen ist relevant für die gültige Definition vom “religere”. Die Kolportage über dieses -jene ist sowohl kulturabhängig als auch kulturstiftend -ist in dieser Meta-Systematik eingefaltet und löst sich in der Transzendenz völlig auf.

Krieg und Weltanschauung

Immer die (konservative) Litanei, die größten Menschheitskatastrophén wären von Gottlosigkeit und entsprechendem Machbarkeitswahn geleitet gewesen. Freilich bleibt dies immer ein dürftig verifizierter Anwurf. (Die Herabsetzung des menschlichen Vermögens ist nebenbei ein kirchenväterlicher Bruch zur europäischen antiken Tradition, bei Platon hatte die Seele schließlich noch “alles inne” und ihr war es aufgetragen, sich der eigenen Größe zu erinnern.) Als wäre nicht zu bestreiten, daß gerade die Weltanschauungskriege seit jeher (in Absetzung etwa zu den Allianzkriegen, die aus Kalkül erfolgten und rein strategisch ausgefochten wurden) immer auch die grausamsten und fanatischsten Auseinandersetzungen waren. Vor den Säkularisierungen (die Revolutionen sind gerade auch als ein durch Krone und Kirche bedingter Pendelschlag deutbar – man bedenke nur zum 100. Jahrestages des I. Weltkrieges den Blutzoll, den die europäischen Monarchien selbst da noch bedenkenlos zu fordern bereit waren -als wäre dies also etwa ein Privileg “gottesferner” totalitärer Systeme), meinte Weltanschauung aber ausschließlich Religion und Konfession. In diesem Kontext wäre  es geschichtlich auch nicht haltbar, dem 30- jährigen Krieg, (der größten europäischen Verheerung also) die religiös/weltanschauliche (was de facto das selbe meint) Implikation abzusprechen. Man bedenke auch z.B. die genozialen Akte der Europäer in Nord-und Südamerika. Vermessen dumm gar ist die Meinung, Adel und Klerus hätten schließlich aufgrund ethisch-kultureller Normativen auf den Einsatz von Massenvernichtungswaffen verzichtet. Die Erklärung ist viel simpler: Es gab diese Waffen und das zugehörige Zerstörungspotential schlicht nicht. Generalisierbar auf alle Epochen aber ist der Ausspruch des Schriftstellers Wendel Schäfer: “Atomraketen für den Frieden? Wenn davon nur Caligula und Nero gewußt hätte, Bei Jupiter, hätte das ein Feuerwerk gegeben!”

Monismus, Theismus

Im Christentum steht der Mensch einem personalen Schöpfer gegenüber und kann durch Glauben, Demut, Gutes Werk und Gnade auf Erlösung hoffen. Hierin ist er ganz Objekt eines  aller Schöpfung übergeordneten Gottes und bleibt dies  auch nach der Auferstehung, da der Mensch nach christlicher Auffassung in personaler Identität aufersteht und so ewig weiterlebt. In einer monistischen, idealistischen Konzeption (Platon, Plotin, Meister Eckehart, die großen Schulen des Hinduismus, Buddhismus usw.) besteht überhaupt nur ein Prinzip, das durch Erkenntnis zu sich selbst zurückzuführen ist, plotinisch “das Licht im eigenen Licht”. Dieses letzte Eine ist dabei nicht etwa räumlich oder zeitlich geschieden, sondern unmittelbar und immanent, dem Hier und Jetzt substanziell eingewirkt, jedoch durch desintegrative Wahrnehmung verdeckt. Im Hinduismus hat man in diese monistische, abstrakte Konzeption eine theistische Konzeption von Vishnu und seiner Inkarnation Krishna eingebettet, um einem offensichtlichen Bedürfnis nach Frömmigkeit und Volksmythologie entgegenzukommen. Im Christentum  aber ist  die Geschichte mit dem Vater und Sohn so schon ganz erzählt. Denn das Christentum hat eine apokryphe, ihren Kanon transzendierende Grundintention einst verloren. Und folgende Bemerkung läßt sich zudem nicht nur bis Schopenhauer zurückführen: Die Religion ist prinzipiell die Vulgarisierung des Philosophischen, und die Religion wiederum, die den Bedürfnissen der unreflektierten Masse am ehesten entgegenkommt, ist der Theismus.

 

Respice Finem, perzeptiv

Es gäbe noch eine andere Lesart Epikurs bekannten Ermahnung “…et respice finem “: In Relation zur Beeindruckung, die die Naturerscheinung in der Seele hervorbringen kann, bleibt sie doch Erscheinung innerhalb (bzw. unterhalb) der schwachen sinnlichen Perzeptionsgrenze. Jenseits der Perzeptionsgrenze residiert die subjektiv unerschlossene, erweiterte Ordnung, die ungleich mehr (Realität) bereithalten muß als die Filterung ihrer  Aufnahme durch die organische Reduktion vortäuschen mag. Dies zu vergegenwärtigen- gerade auch in Angesicht des Erhebenden der Erscheinung – meint selbst in der positiven Gemütserregung Bewußtheit über die Wahrnehmungsgrenze (die nicht Aufhebung, sondern Erweiterung bzw. Komplettierung der Erscheinung meint), Bewußtheit gerade auch über den Hinweis auf eine Meta-Herkunft jenes sich als erhaben erfahrbar Entäußernden und über das Ende und die Beschränkung der uns zur Verfügung stehenden perzeptionellen Skala. Dies trifft sich insofern wieder mit der eigentlichen Bedeutung des Epikur-Wortes, als die Wahrnehmungsbegrenzung meiner Auffassung nach die Art der Desintegration bedingt, die erst -und dies ist zutiefst platonisch-das subjektive Erleben,  dessen Überwindung wir Tod nennen, ermöglichen kann.

 

Geist, Körper, Substanzbegriff

Die Religionen sind sich prinzipiell einer Rangordnung des Seelenvermögens einig -im indischen Kulturkreis durch die Hierarchie der im Körper lokalisierten energetischen Kulmulationspunkte [Chakras] repräsentiert.  Während das Kronenchakra ganz für das geistige Prinzip steht, repräsentieren die unteren Chakren den vegetativen körperlichen Bereich. Einen Anklang im Westen, der nie ein strukturiertes mystagogisches System hervorgebracht hat- schon gar nicht mit genauem Bezug auf die menschliche Physiologie-, findet sich bei Meister Eckeharts hierarchischer Ordnung der Seele, er proklamiert eine entsprechende Disziplinierung und sagt, daß nur dem oberen Teil -mit seinem Anteil am Ungeschaffenen überhaupt wahre Existenz zukommt.In einer räumlichen Betrachtung und in Relation zur unermeßlichen Entfernung im Raumzeitgefüge sind diese verschiedenen körperlichen Zentren andererseits relativ unendlich nahe, somit zum manifesten Hinweis auf die Verwandschaft von Geist und Körper, Schaffendem und Erschaffenem geeignet. “Körper” wird zum Aspekt des Geistes, als dessen äußerste oder unterste Hervorbringung und relativ substanzlos dargestellt(platonisch), oder man legt die Betonung auf den Geist als Substanz und erkennt somit den Körper als Geist – Substanz an (Vedanta). Körperlichkeit ist in beiderlei Sinne weniger negativ konnotiert(Plotin: Körper = “bunt zusammengewürfeltes Tier”), als vielmehr defizitär im Hinblick auf die Verkürzung des Eigentlichen (ens realissimum) durch das Resultat energetischer Hinabtransformation (als stetige Verfestigung und Erstarrung des Geistigen/oder differenziert Substanziellen) zu betrachten- aber dies entsprechend einer bleibenden inneren Verwandschaft. Objektiviert und relativiert in diesem Verhältnis aber ist der Körper fast ohne jede Bedeutung.

Konstellation, stagnant menschlich

Die Ordnung der einzelnen sich begegnenden, zueinander verhaltenden Menschen in Bezug auf die Unendlichkeit des Raumes, der Zeit, der Spezies, der Geographie, der Lebensmöglichkeiten usw.  ist unermeßlich “nah gewirkt”. Wie gegen unendlich unwahrscheinlich daher in dieser Gesamtrelation die Möglichkeit dieser Begegnung überhaupt. Man könnte – einen monistischen, die Vielheit leugnenden Seinsbegriff zugrundelegend – annehmen, diese Stränge sollten – haben sie schon einmal diesen unvorstellbaren Weg zurückgelegt- sich weiter verdichten, doch sie bleiben nun, -gleichsam einem definierten  (evolutorischen) Zustand verpflichtet- prinzipiell stagnant, getrennt, zertstreut, eine  Vielheit betonend. Dies muß (zumeist im Unbewussten, wo ein Wissen über die tiefere Zielführung geblieben ist) Seelenbewegungen wie Sehnsucht, Unerfülltheit oder verschiedenerlei andere Irritation bewirken. Der äußerste Aspekt einer Iniative zu deren Überwindung, die vordergründigste Kompensation dieses Faktums heißt Interaktion bzw. Geselligkeit, der (exemplarische) Teil- Durchstoß durch dieses barrieregleiche Hemmnis nennt sich (Partner-)Liebe.

Kükenmord, christliche Ethik

Zitat einer Tierschutzorganisation: “45 Millionen männliche Küken werden jährlich allein in Deutschland nach dem Schlüpfen aus rein wirtschaftlichen Gründen getötet. Während ihre weiblichen Geschwister auf dem Fließband zum Impfen transportiert werden, “fahren” die kleinen Hähne in den Tod, werden vergast oder im so genannten “Kükenmuser” durch rotierende Messerwalzen bei lebendigem Leibe geschreddert.”
Es ist immer und immer das gleiche Dilemma: Zu christlichen Festen und der Menschen egozentrierten Freuden und Bräuchen potenziert sich sinnigerweise (das eh schon nicht erträgliche) Tierleid. Zum einen sind die entsprechenden Kirchenfeste zu ganz profanen Konsumanlässen herabgesunken, zum anderen aber auch fehlt der christlichen Ethik die verantwotliche Verbindung zur nicht-menschlichen Schöpfung. Dies mag vor allem damit zu erklären sein, daß man die Welt als Jammertal, geschieden von Gott, gefallen und zu überwinden sieht (und entsprechend offenbar bereits abgeschrieben hat). Gleichzeitig hat man bereitwillig die Einflüsterung vom “Menschen als Krone der Schöpfung” verinnerlicht. Hegel formulierte spitz, das Christentum hätte die Natur zum Leichnam erklärt. Hiermit wird die (typisch semitisch-abrahamitische) Betonung der Kluft zwischen vorgestelltem Gott, beseeltem Menschen und unbeseelter Natur verdeutlicht. Passend gerade zum Osterfest wäre aber in den apokryphen christlichen Schriften folgendes Jesuswort zu lesen: “Wer die Auferstehung bereits zu Lebzeiten nicht erfährt, der hat nach seinem Tode nichts zu erwarten.”
Oder anders gesagt, wer (zumal unnötiges) Leid an der Kreatur evoziert, mißversteht die Implikation eines ursächlichen – durchaus auch eben urchristlichen-Transzendenz/Immanenzverständnisses, dem jede Unbeseeltheit und Geschiedenheit fremd erscheinen muß. Im folgenden -ebenso gnostisch-apokryphen Jesuswort wird dies untermauert: “Das Reich Gottes wird nicht kommen, es liegt ausgebreitet über der Erde, aber ihr seht es nicht.” Und: “Spalte ein Stück Holz und ich bin dort zu finden.” Die ethische Konsequenz, die sich also aus der Bewußtwerdung einer Kontinuität der Immanenz erschließen muß – und diese Bewußtwerdung ist schlicht ein Synonym für “Auferstehung”-,  scheint dem Christentum heute völlig fremd.