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Nietzsche gegen den Idealismus

Nietzsche gegen den Idealismus:
“Die ‘scheinbare’ Welt ist die einzige: die ‘wahre Welt’ ist nur hinzugelogen…
Und was für feine Werkzeuge der Beobachtung haben wir an unseren Sinnen. Diese Nase zum Beispiel, von der noch kein Philosoph mit Verehrung und Dankbarkeit gesprochen hat, ist sogar einstweilen das delikateste Instrument, das uns zu Gebote steht: es vermag noch Minimaldifferenzen der Bewegung zu konstatieren, die selbst das Spektroskop nicht konstatiert. Wir besitzen heute genau so weit Wissenschaft, als wir uns entschlossen haben, das Zeugnis der Sinne anzunehmen – als wir sie noch schärfen, bewaffnen, zu Ende denken lernten. Der Rest ist Mißgeburt und Noch-nicht-Wissenschaft: will sagen Metaphysik.”

“Aller Idealismus ist Verlogenheit vor dem Notwendigen.”
(Nietzsche, Götzendämmerung)

An dieser Stelle nun ist man versucht zu  sagen: Und dann  kam  Max Planck!  Jener formulierte  in Nietzsches Todesjahr 1900 die Grundlegung der Quantentheorie. Nietzsche (wie anderen seiner Zeit)  fehlte grundsätzlich der naturwissenschaftliche Kenntnisstand -man beachte hier auch sein naiv zu nennendes Vertrauen auf das Vorfindliche, gar die menschliche Physis-, der eine derart unverortete, man kann sagen: grob-persönlich gefärbte Metaphysik-Kritik  ausgeschlossen hätte. Die platonischen Aussagen über die Materie, somit die Relativierung des Materiebegriffes,  der idealistisch konstruktivistische Grundaspekt der Existenz  blieb ihm ganz (unzulässige) Chimäre.
Werner Heisenberg sagte :
”Am Anfang war die Symmetrie’, das ist sicher richtiger als die
Demokritsche These Am Anfang war das Teilchen’. Die
Elementarteilchen verkörpern die Symmetrien, sie sind ihre einfachsten
Darstellungen, aber sie sind erst eine Folge der Symmetrien.
Die Elementarteilchen können mit den regulären Körpern in Platos
Timaios’ verglichen werden. Sie sind die Urbilder, die Ideen der
Materie.”
“Nach Heisenberg sind Symmetrien fundamentaler als Materie, d. h.
das eigentlich Elementare sind mathematische Strukturen und nicht
unteilbare Materiestücke. Damit ist die Elementarteilchenphysik näher an Platons Theorie der Materie als  wie üblicherweise behauptet wird  an der Atomtheorie von Leukipp und Demokrit. Heisenbergs Sichtweise stellt einen einfachen Materialismus, dem gemäß alle Erscheinungen auf Materie und ihre Wechselwirkung zurückgeführt werden können, in Frage.”
(Tobias Jung)
 Zudem akzeptiert Nietzsche nicht, daß seine  “Noch-nicht-Wissenschaft” , die er als “Mißgeburt” bezeichnet, viel eher als spekulativer Vorposten in der Prozedur des Lernens und Erkennens benannt werden muß. Daher sagt A. N.  Whitehead: „Aufgabe der Spekulation ist es, das Denken schöpferisch in die Zukunft wirken zu lassen; und sie erfüllt diese Aufgabe, durch das Erschauen von Ideen, die das Beobachtbare umfassen:” , Die  “Noch-nicht-Wissenschaft” ist nicht “Mißgeburt”, sondern -schafft sie es in diesem Prozeß bis zum Nachweis-sie  ist Geburt der Wissenschaft im  Vollzug (im Streben) einer menschlichen Erkenntnis-Teleologie. Die  Tiefe und Größe der vorplanck`schen Denker, die ohne die Evidenzen dieses naturphilosophischen Paradigmenwechsels zu argumentieren hatten, aber eben doch aus innerer Ahnung -aus logischer Notwendigkeit!- hinter die Fassade der Welt und  der Materie  vorzudringen trachteten (was Nietzsche unter anderem als Schopenhauerei abtut) nenne ich die philosophischen der  Philosophen. Was nicht nach Erkenntnis drängt, betreibt Beschreibung, ist Morphologie und Psychologie des Hier und Jetzt , der Welt, des Menschen, des Vorfindlichen, ist eben  daher ohne Ausgriff, ohne echten Klärungswunsch bezüglich der Seinsbedingungen und ohne die Dynamik, die  als Bewegung des Selbstvollzuges zum Höchsten benannt werden kann.

Philosphieren und Sterben

Michel de Montaigne: “Philosophieren sei nichts anderes, als eine Vorbereitung zum Tode. Dieses kömmt daher, weil das Studiren und die tiefsinnigen Betrachtungen unsere Seele einigermaßen außer uns ziehen, und der selben, ohne dass der Körper daran Theil hat, etwas zu thun verschaffen; welches gleichsam eine Anweisung zu dem Tode ist, und eine gewisse Ähnlichkeit mit demselben hat: oder vielmehr daher, weil alle Weisheit und alles Reden der Welt endlich darauf hinaus laufen, uns zu lehren, dass wir den Tod nicht fürchten sollen.”
Dies ist alles richtig gesagt, Montaigne beschreibt hier eine Art des über sich Hinausgehens durch ein  geistiges Tätigsein, die dem Menschen eine entsprechende Zentrierung bei einem Zurücktreten der äußeren Umstände erfahrbar machen kann – aber dies ist noch nicht weit genug gedacht.  Mit dem Ausspruch “Philosophieren sei nichts anderes, als eine Vorbereitung zum Tode.” ist nämlich viel eher gemeint, daß eine Denkarbeit – ist sie nur konsequent ausgeführt und kommt sie zu enstprechenden Schlüssen- zu einer eigentlichen Definition von Leben kommen muß, die ganz im platonischen Sinne den Begriff Leben als etwas anderes  als die uns bekannte Ansicht umfasst, etwas, das nachtodlich oder überweltlich beschrieben werden muß, dann unser ureigenstes Sein außerhalb des Raumzeitlichen beschreibt und verortet und uns somit in einer Eigentlichkeit der Existenz betrachtet, die erst durch die Transformation des Todes zur Offensichtlichkeit des Geahnten und Gedachten kommt. Richtiges Leben und Denken heißt insofern so viel  wie “sterben”, da hiermit  Überwinden und höher Entwickeln gemeint ist, da eine Kontinuität des Geistigen, die  über den Metamorphosen der Physis, der Körper und Inkorporationen steht, die Existenz erst in der ihr tatsächlich eigenen Form erfahrbar macht. 
Über Platon:
Zwar ersehnt ein Philosoph laut Platon nicht den physischen Tod, da er ja fortwährend der Suche nach Erkenntnis nachgeht und seine Tugend ausbildet, aber nach seiner Theorie kann die erkennende Seele erst nach der vollständigen Befreiung von allem Körperlichen die Ideen wahrhaft schauen und zu echter Weisheit gelangen. Das philosophische Leben ist also, selbst wenn es das Leben bejaht und nicht auf den physischen Tod als Ziel an sich ausgelegt ist, nichtsdestotrotz eine gewisse Vorbereitung auf ihn und gleichzeitig auch der Punkt, an dem ein Philosoph sein geführtes Leben noch einmal betrachten kann.” …
Ferner ist der Moment des physischen Todes die vollendete Befreiung der Seele vom „Ich-hier-jetzt“. In einer gewissen Weise wird aber das „Ich-hier-jetzt“ schon durch den philosophischen Tod auf seine Auflösung vorbereitet, die sich dann im tatsächlichen Tod vollzieht.” (wikibooks)

Freud über Marx

Im Karl Marx-Jahr ist man durchaus bemüht, dies und jenes noch Gültige seiner Lehren herauszukehren, dabei  stellen einige ganz auf das Ökonomische ab, andere gar auf die Richtigkeit seiner humanistischen Proklamationen. Nun ließe  sich hier bereits einwenden, daß Marx schon von einigen seiner Zeitgenossen als überholt und wiederlegt tituliert wurde – hierauf sei aber nicht näher eingegangen.  Von Interesse ist vielmehr seine (retrospektive) weltgeschichtliche Wirksamkeit. Daß Marx den unbedingten und radikalen Umbruch forderte, daß er stets die Revolution, den (Welt-)Krieg proklamierte, ja herbeisehnte, läßt wenige Jahrzehnte  nach ihm  die Usurpation der russischen Gesellschaft durch Lenin sowie Stalins Krieg und den “Krieg” der Komintern (Weltrevolution als Krieg und Terror globalen Ausmaßes) in viel klarerem Licht erscheinen.
Daß solche Weltanschauungskriege (hier im kausalen Nexus mit dem Nationalsozialismus) die radikalsten und opferreichesten Kriege sind, ist hinlänglich bekannt, und  Marx` (rabbinischer) Hang zu einer Eschatologie, die den Menschen einem letzten höheren Zweck (der Erlösung) zuführen muß, beläßt ihn bei aller Ablehnung des Religiösen im Grunde inmitten (s)einer metaphysischen Tradition, die weltanschaulich entsprechend -man kann sagen: apokalyptisch aufgeladen ist. Der  Marxismus als eine Teleologie im Nachgang des deutschen Idealismus verkümmert dabei aber das Ideale und die ideale Verortung, indem er den  letzten Zweck (und die erste Disposition) ganz ins Diesseits einer anthropozentrieren Welt-Definition verlegt, kann somit an keiner Stelle -da der Ausgriff zu den tatsächlichen Seinsbestimmungen vakant bleibt-nur den Torso eines Idealismus  bilden, der  in  seiner Reduktion und Begrenzung  (zudem auf einem heute überholten Naturverständnis dieser Zeit) auch den Menschen selbst nur  in grober Vereinfachung seines Wesens beschreibt. Diesen Zusammenhang  hat Sigmund Freud (der anders als Marx konsequent rationalistisch argumentiert) mit treffender Genauigkeit zu Ausdruck gebracht:
“In der Marxschen Theorie haben mich Sätze befremdet wie, daß die Entwicklung der Gesellschaftsformen ein naturgeschichtlicher Prozeß sei, oder daß die Wandlungen in der sozialen Schichtung auf dem Weg eines dialektischen Prozesses auseinander hervorgehen. Ich bin gar nicht sicher, daß ich diese Behauptungen richtig verstehe, sie klingen auch nicht ,,materialistisch“, sondern eher wie ein Niederschlag jener dunklen Hegelschen Philosophie, durch deren Schule auch Marx gegangen ist. Ich weiß nicht, wie ich von meiner Laienmeinung frei werden kann, die gewohnt ist, die Klassenbildung in der Gesellschaft auf die Kämpfe zurückzuführen, die sich seit dem Beginn der Geschichte zwischen den um ein Geringes verschiedenen Menschenhorden abspielten. Die sozialen Unterschiede, meinte ich, waren ursprünglich Stammes- oder Rassenunterschiede.
Die Stärke des Marxismus liegt offenbar nicht in seiner Auffassung der Geschichte und der darauf begründeten Vorhersage der Zukunft, sondern in dem scharfsinnigen Nachweis des zwingenden Einflusses, den die ökonomischen Verhältnisse der Menschen auf ihre intellektuellen, ethischen und künstlerischen Einstellungen haben. Eine Reihe von Zusammenhängen und Abhängigkeiten wurden damit aufgedeckt, die bis dahin fast völlig verkannt worden waren. Aber man kann nicht annehmen, daß die ökonomischen Motive die einzigen sind, die das Verhalten der Menschen in der Gesellschaft bestimmen. Schon die unzweifelhafte Tatsache, daß verschiedene Personen, Rassen, Völker unter den nämlichen Wirtschaftsbedingungen sich verschieden benehmen, schließt die Alleinherrschaft der ökonomischen Momente aus. Man versteht überhaupt nicht, wie man psychologische Faktoren übergehen kann, wo es sich um die Reaktionen lebender Menschenwesen handelt.”

Tommaso Campanella

Der folgende Ansatz des Renaissancephilosophen Tommaso Campanella zeigt sich neuplatonisch und (gerade daher) noch für heute zukunftsweisend, liest sich dabei wie ein besserer “Gottesbeweis”. Durch Materialismus /Atomismus verdrängt -und durch die Kirchen-Ontologie zur Kümmerlichkeit verschnitten – ist dies eine Ansicht über höhere Verortung und Teilhabe, die -da heute mit physikalischem Wissen naturphilosophisch flankierbar-  nicht mehr so einfach dem  üblichen Verdacht auszuzsetzen wäre, nur  Spekulatives, Erhofftes, Projeziertes  zu expliziren. Und dieser unser Vorteil   gegenüber Campanellas Zeit steht aber aktuell noch immer unter einem hartnäckigen Bann.
“Der Mensch erschöpft nicht seine gesamten Kapazitäten innerhalb der natürlichen Welt, sondern kann ‘höchste Wirkungen über die Elemente hinaus erkennen, erstreben, lieben und vollbringen’; daher ist er nicht von den Elementen hervorgebracht und hängt nicht von ihnen ab, sondern von einer weit hervorragenderen Ursache, die wir Gott nennen. Seine Fähigkeit, sich in Denken und Wollen bis ins Unendliche auszustrecken, beweist, daß er nicht bloß Sohn des Himmels und der Erde ist, sondern vielmehr von einer unendlichen Ursache stammt: Ein solcher Ausgriff ist nicht leere Einbildung, wie Aristoteles meint, sondern dieses Fortschreiten von Ähnlichem zu Ähnlichem ohne Ende ist Tätigkeit einer Fähigkeit, die an der Unendlichkeit teilhat.’ Die Verbindung des Menschen mit einer übernatürlichen Welt belegt: seine Fähigkeit, die Natur und die unmittelbaren Grenzen natürlicher Selbsterhaltung zu überschreiten (der philosophische und religiöse Mensch kann die leiblichen Güter, Ehrungen und Vergnügen verachten, um sich höheren Gütern und Zielen zuwenden); seine erwiesene Fähigkeit, höhere Formen von Prophetie und Extase zu erreichen, die sich nicht auf natürliche, physiologisch oder medizinisch erklärbare Fakten zurückführen lassen, seine Willensfreiheit, die in der Fähigkeit besteht, äußeren Zwängen zu widerstehen, die Gegenstände seiner Wahl – die in der Regel Mischungen von Gut und Übel sind -zu werten und abzuwägen sowie das größte Gut zu wählen, auch wenn es nicht mit einem unmittelbaren Nutzen oder Vorteil verbunden ist.”

Giordano Bruno, Sätze

“Jede Erzeugung…ist Veränderung, wobei die Substanz immer ein und dieselbe bleibt; denn es gibt nur eine Substanz, ein göttliches Wesen… All das, was Verschiedenheit von Gattungen, Arten, was Unterschiede und Eigenschaften ausmacht; alles, was im Enstehen und Vergehen, in der Veränderung und im Wandel besteht, ist daher nicht Seiendes, ist nicht Sein, sondern Bedingung und Umstand des Seienden und des Seins.”
Giordano Bruno
Hier sei Berkeley passend angefügt:
“…es gibt eine träge gedankenlose Substanz ohne Akzidentien, welche die Veranlassung zu unseren Ideen ist. ”
Und zum Einheitsgedanken Angelus Silesius:

“Gott hat nicht Unterschied, es ist ihm alles ein;

Er machet sich soviel der Flieg als dir gemein.”

und

“Alles kommt aus Einem her und muss in Eines ein;
Wo es nicht will gezweit und in der Vielheit sein.”

Bruno in konstruktivistischer Diktion: “Den Sinnen stellen sich nämlich nicht die Dinge vor, die wirklich sind, wenngleich die Dinge, die wir wahrnehmen, Zeichen genannt werden, insofern sie ein Spiegel und Änigma der Dinge sind”
Und abermals Berkeley: “Körper, genommen als Fähigkeiten, existieren, wenn sie nicht wahrgenommen werden, aber diese Existenz ist nicht aktual.”
Zum Zusatz  noch einige Kernsätze zu Bruno, die ihn als Platoniker und Neuplatoniker ausweisen:
“Für Bruno bricht der aristotelisch-ptolemäische Kosmos im Lichte einer’geschulten Sinneswahrnehmung’ und ‘gewichtiger Gründe’ elendiglich in sich zusammen, so wie viele andere Luftschlösser, die Frucht der Furcht, des Irrtums und des Betrugs sind. “

“Denn diese Einheit ist einzig und ständig und immer bleibend; dieses Eine ist ewig; jedes Antlitz, jedes Gesicht, jedes andere Ding ist Eitelkeit, ist als ein Nichts.” Daher besteht hier kein Emanationspantheismus, siehe hierzu auch Meister Eckhart: “Alle Kreaturen sind ein reines Nichts: ich sage nicht, daß sie etwas Geringes oder (überhaupt) irgend etwas sind, sondern daß sie ein reines Nichts sind.”
“Bruno konnte sich hinsichtlich der Unerkennbarkeit und Unaussprechlichkeit des Einen einerseits auf die Tradition der negativen Theologie berufen, die über Proklos, Pseudo-Dionysios und Meister Eckhart auf die plotinischen Enneaden verwies.”
“Die ersten drei Schriften entwickeln im Bruch mit dem herrschenden Aristotelismus eine auf eine streng monistische Ontologie gegründete infinitistische Kosmologie, die auf dem Gedanken der Einheit desjenigen Prinzips beruhte, das in Ewigkeit das ganze Universum in der Vielheit und Veränderlichkeit der partikulären Dinge belebt. “ (E. Canone)

Hypostasen – vedisch und neuplatonisch

Über die Veden: “Der Geist (Verstand) steht über den fünf Wahrnehmungssinnen. Über dem Geist steht der reine Intellekt (über all diesen materiellen Bedeckungen), und über all diesem steht die spirituelle Seele (mahan atma). Über der spirituellen Seele steht die unbegrenzte, spirituelle Energie (avyakta). Über der unpersönlichen Energie steht die höchste Person, aber ohne materielle Begrenzung (a-linga). Wer diese höchste Wahrheit über Gott erkennt, gelangt in das amrta-Reich Gottes.”

Diesen Stufungen können die neuplatonischen Hypostasen wie folgt an die Seite gestellt werden:
Der “reine Intellekt” korreliert hier mit der Ebene des Seelischen in seinem personalen Verständnis.
Die seelische Einheit meint  bei Plotin  aber weit mehr, denn sie verkörpert zuletzt die transzendente, überkörperliche, transpersonale Seelen-Entität. Dieses Weltseelen-Konzept  meint hier das vedische mahan atma, denn in den Veden wird die Einzelseele (wie auch im Neuplatonismus)  als wesensidentisch  mit Brahman, dem Ganzen gesetzt.
Mit dem neuplatonischen Geistbegriff korreliert die  “unbegrenzte, spirituelle Energie” (avyakta).  Sie ist  Vielheit als Geist und Inbegriff der Ideen.
Bei Plotin bringt diese Vielheit die Seele hervor. Auch Geist und Form (sinnliche Welt) sind zuletzt  wesensidentisch. Zur  Kontinuität zwischen Seele und Geist bei Plotin C.Turnau: “Die Daseinsform im Geist ist unser ursprüngliches und wahres Selbst, das lediglich durch die körperlichen Zusätze auf das Selbst der Erfahrungswelt reduziert wird.” Im Srimad Bagavatham heißt es: “Etwas Geschaffenes schafft etwas anderes durch Umwandlung. Auf diese Weise wird es (das Höhere) Ursache und Grundlage eines anderen geschaffenen Objektes. Jedes geschaffene Objekt ist deshalb ebenfalls Realität, und zwar in dem Sinn, daß es das essentielle Wesen eines anderen (höheren) Ursprunges in sich birgt und dahin zurückkehren wird.”
Über all dem steht bei Plotin das Eine, “die höchste Person, aber ohne materielle Begrenzung” (entsprechend hier der vedischen a-linga )
Diese Entität ist jenseits des Seins. Eine begriffliche Annäherung ist nur durch die Sprache der negativen Theologie möglich
Das Eine ist ohne Identität oder Bewegung, dabei  ist es gleichzeitig das Gute.

Reinkarnation und Bild

A.Risi über die Veden: “Die Lebewesen sind ewige Seelen. Meine ewigen fragmentarischen Teile. Aufgrund ihres bedingten Lebens kämpfen sie (Leben für Leben) mit den sechs Sinnen, zu denen auch der Geist (die Psyche) gehört. Das Lebewesen in der materiellen Welt trägt seine verschiedenen Lebensauffassungen von einem Körper zum anderen, so wie die Luft Düfte mit sich trägt. So nimmt es eine Art von Körper an und gibt ihn wieder auf, um einen anderen aufzunehmen und genießt eine bestimmte Auswahl von Sinnesobjekten (…und verursacht dadurch neue Karma-Reaktionen).
Die  Betonung selektiver  Sinneswahrnehmung im Kontext mehrerer Leben verstehe ich als Hinweis des vedischen Verständnisses für eine  Funktionalität der Welt und des In-der-Welt-Seins als einer Art des perzeptiven Abgriffes, als Vorgang der konstruktivistischen Weltkonkretion (in der Viele Welten Option), basierend auf einem Prä-Materiellen, einer  Vor-Materie (prakriti) eben durch den aktiven Prozess des Beobachters. Die Wahl der Explikation ist hier sinnlich konstruiert und prinzipiell variant. Und insofern innerhalb der Varianz eine Intersubjektivierung volllzogen wird, ist “Welt”. Man muß also jenseits der sechs Sinne wahrnehmen, um diese multiplen Welten als Teile einer kohärenteren höheren Wirklichkeitsebene zu verstehen. Gelingt es schließlich, sich in dieser Meta-Ansicht  zu konsolidieren, ist der Kreislauf der Geburt unterbrochen. Reinkarnation ist unter diesem Gesichtspunkt als ein wiederholter Rückfall des höheren Selbst in das Perzeptive und Reduktionistische (Bildliche) zu bezeichnen. Insofern ist (weltliches) Leben selbst ein Reduktionismus, und so verstehe ich einen  Satz aus den  Veden (der das religiöse Opfertum ganz verwirft), der besagt, daß Menschsein selbst  sei das “Opfer”, das vor Gott (oder dem Ganzen) vollbracht werde.
Zur Verdeutlichung dieses Verlustes läßt sich Meister Eckharts Diktum von der Erhabenheit des eigentlichen Seins in der Überwindung der Objekte und vor der Bildlichkeit (“was die Seele durch die Sinne hinausgetragen hat...) anführen:
“In diesem Lichte erkennt der Vater keinen Unterschied zwischen dir und ihm…Denn der Vater und du selbst und alle Dinge und dasselbe Wort sind eins in dem Lichte.”

Die Seele als Erschaffer

Plotin: “So bedenke, denn also erstlich jede Seele dies, daß sie selbst es ist die alle Lebewesen geschaffen hat und ihnen Leben einhauchte, welche die Erde nährt und welche das Meer, die in der Luft sind und die göttlichen Gestirne am Himmel, daß sie die Sonne und sie unsern gewaltigen Kosmos geschaffen hat.”
Wie aber kann man sich in so unerhörtem Maße aufschwingen, sich angesichts der unfassbaren Größe und Komplexität aller Einzeldinge und des gesamten Weltalls in nur irgendeiner Weise als dessen Schöpfer verstehen? Dies geschieht nur in einem Verständnis von Welt-Sein als konstruierter und in Relation zum eigentlichen Sein scheinhafter Existenzart,  die zuletzt immer nur als den Sinnen a posteriori zu verstehen ist.  Die eigentliche Majestät des Anschaulichen (der Welt also) -dem Menschen innerhalb seiner Raumzeitlichkeit nicht vorstellbar- liegt aber in dessen geistig-apriorischer  Disposition. Und hieran hat die Seele konstituierenden (Seins-) Anteil – daher steht sie über der Welt und ist noch weit unfassbarer oder ausgedehnter als diese.  (Die Wissenschaftstheorie spricht von dem Menschen als Teil der natura naturans.)
Es braucht  nur ein Verschieben des Blickwinkels, und die Welt wäre bei all ihrer Größe ganz entschwunden und eine andere Welt tauchte auf, und diese neue Welt wäre ebenso komplex, und neben ihr würde bereits die nächste entstehen  und immer so fort.  Oder man transzendiert dieses Weltverständnis  und steigt auf zu einer höheren Dimensionaliät, die eine höherrangige Welt darstellt (aber doch noch im Bildlichen verweilt).
Agrippa von Nettesheim sagt: “Die Seele eines Menschen ist zudem in der Lage, sich durch Selbsterkenntnis bis Gott zu erheben, dies entspricht dem natürlichen Bestreben (appetitus naturalis) der Menschenseele, sich mit Gott zu vereinigen. Dieses natürliche Streben kann durch Räucherungen, Gebete oder eine diätetische Lebensführung unterstützt werden. Löst sich die Seele vom Körper und überwindet so die Materie, vermag sie über Mikro-und Makrokosmos zu herrschen.”
Und der Upanischad: “Dies mein Ich in meinem Herzen ist größer als die Erde, ist größer als der Luftraum, ist größer als der Himmel, ist größer als alle diese Welten.”
Meister Eckhart: “Wenn der Geist diese Gewalt (der väterlichen Herrscherkraft) …empfängt, so wird er selbst gewaltig in jedem Fortgang…daß alles, was Gott in der Zeit geschaffen hat … er machtvoll darin stehen bleibt wie in einer göttlichen Kraft, der gegenüber alle Dinge klein und unvermögend sind.”
Wenn schließlich Blaise Pascal sagt: “All unsere Würde besteht also im Denken. Von hier aus müssen wir uns erheben, und nicht vom Raum und der Zeitdauer aus, die wir nicht auszufüllen vermögen.”, dann ist dieser Satz auch in einer Begrifflichkeit verstehbar, die “Denken” als Ermächtigung zum höheren Ich und Sein, als physikalisch- vitalen Vollzug zu feinstofflicherer Existenz versteht, die Raum und Zeit nicht mehr bekümmert.

Und im weiteren Kontext folgende Anfügung:
Eine Hauptimplikation der Quantenphysik: Die Welt ist ein quantifiziertes Feld. Dem Feld kommt die eigentliche Existenz zu. Der Welt jedoch nicht. Die Quantelung geschieht im Beobachter und generiert “Welt”. Die indischen Veden wußten hierum: Die Welt ist MAYA, das Quantenfeld ist PRAKRITI. Die Verursachung hingegen PURUSHA, Schopenhauers “Wille”, Plotins Licht, das sich im eigenen Licht beschaut und berührt.
Insofern ist das gesamte Sein durchaus auch als ein einziger riesiger Solipsismus begreifbar, in dem aber nicht das eigene Ego-Ich alles umschließt, sondern in dem die Summierung jeder Ichheit das umschließende eigentliche Ich konstituiert. Auch dieses Ich ist den Veden bekannt, es heißt dort MAHAT (das Große) oder auch ATMAN, bei Plotin wiederum als die Weltseele bezeichnet (in seiner zum Materiellen zugewandten Verfasstheit [also in seinem Schauen-und daher alles betreffend, was wahrnimmt]) als die untere Hervorbringung des Nous (des Geistigen) verstehbar.
(Zusatz: Und diese Ontologie-und definitiv nur diese allein- bezeichnet gleichzeitig die Genese jeder brauchbaren Ethik.)

Das Diabolische

Armin Risi: “Das Teuflische (Diabolische) ist das, was uns davon abhält, aus der materiellen Illusion zu erwachen. Was oder wer hält uns davon ab? Niemand anders als wir selbst, wenn wir uns unbelehrbar am eigenen Ego (Ahnakara) festkrallen. Wenn wir also unbedingt jemanden als Teufel bezeichnen wollen, dann fällt dieser Titel uns zu -die wir aus eigenem freien Willen von Gott abgefallen sind, und nicht, weil uns ein Kollektiverführer getäuscht hat.”

Anders als Risis (prinzipiell gnostische) Einlassung  die Gnosis wie in den Schriften von Nag Hammadi:
“Die Pistis Sophia, die weibliche Paargenossin des Sohnes des Sohnens des Menschen, läßt jedoch eines Tages ohne Übereinstimmung ihres männlichen Paargenossen ein Wesen entstehen, das infolgedessen makelhaft und verfehlt ist. Dieses Wesen ist Jaldabaoth, der die irdischen Himmel und die Welt der Menschen beherrscht. Er und seine sechs Engel sind hochmütig, da sie sich fälschlicherweise für Gott halten. Aus Feindseligkeit der oberen Welt gegenüber halten sie den Menschen, der aus Fleisch, Seele und Geist besteht, in Unwissenheit.” (Lüdemann, Janßen)

Ist es aber möglich, den Archonten auch im Sinne Risis herzuleiten?  Man könnte nun sagen, es ist das Ich in einem ihm  höheren kollektiven Zusammenkommen, dort als eine  (jedoch im Mangelzustand begriffene) Entität-Werdung im Sinne einer psychologischen Kumulation gesammelter Projektion oder Spiegelung “nach oben” zu einer Art Eigenleben kommend, das wiederum auf die singuläre und raumzeitliche Sphäre zurückwirkt und hier als Böses oder Teuflisches  bezeichnet werden kann. Nach diesem Verständnis kann man gar den Text aus Nag Hammadi  psychologisch weiterlesen, dort wird das erwähnte,  erhöhte Ich  auch als der höchste Mensch, als erste Abkunft des unfasslichen -metapersonalen- göttlichen Prinzips bezeichnet, der so also tatsächlich   über Jaldabaoth steht, der die Götter (gar die Götter der Götter) hervorgegebracht hat, den Erlöser und ebenso Sophia (also die Hervorbringerin Jalsabaoths, die mitunter auch-hier sehr passend- als Gruppenseele der Menschheit benannt wird) .
In diesem Sinne auch Spruch 85, Philippusevangelium: ” So verhält es sich mit der Welt: Die Menschen erschaffen Götter und sie verehren ihre Schöpfungen. Es wäre angemessen, daß die Götter die Menschen verehren, wie es der Wahrheit enstpricht.”
So kann man auch sagen: Das Böse, das Dämonische ist   menschliche Hervorbringung, eine Dynamik, die die bloße Summierung seiner  Zutragungen (wegen der Potentialität ihrer Zubringer) übersteigt. Jedoch kann der Mensch ihm auch diese Dynamik und so das Entität-hafte  wieder entziehen;  belebt der Mensch es nicht, stirbt das Dämonische ab, da es aus sich heraus keinen dauerhaften Bestand hat. Oder wie eine Nahtoderfahrung bezüglich der Frage der Theodizee lehrte (und hiermit schließt sich der Kreis zum anfänglichen Zitat: Das Böse ist in der Welt, weil der Mensch es so will.

Gleichwerdung, Entbildlichung

Gott ist allwissend, Herr der Herrscher,
Weit zarter als des Geistes innerste Zartheit.
Der Welten alterslose Stütze,
sonnengleich leuchtend aus sich selber.

Wer könnte sich erdenken seine Formen?
Er weilt jenseits der Täuschung, Mayas Dunkel.
In Ihn soll sich der Mensch allzeit versenken,
Denn dann in seiner letzten Stunde,

Wenn er vom Leibe scheidet, wird er stark sein
Durch dieses Yogas Kraft, dem treu geübten:
Sein Sinn ist fest, sein Herz so voller Liebe,
Das diese Fülle kaum halten kann.

(Bhagavadgita, Der Weg zum ewigen Brahman)

Das Ende der dritten Strophe bietet eine interessante Parallele zu einer Aussage aus einem Protokoll einer Nahtoderfahrung. Der Betroffene wurde im Interview nach einer Lehre aus dieser Erfahrung, genauer: nach dem eigentlichen Sinn des irdischen Daseins gefragt. Seine Erwiderung war, daß er in Verbindung mit einer Licht-Entität trat, die ausströmenden Charakter hatte,  und daß er hierbei der Erfahrung einer allumfassenen Liebe gewahr wurde, die mit diesem umfangenden Licht die  Tendenz hatte, in ihn einzufließen, daß sie aber energetisch so groß war, daß er sie in ihrer Vehemenz nicht in sich aufzunehmen in der Lage war. Der Sinn des Lebens bestünde nun also darin, das “eigene Herz so zu erweitern, daß es als Gefäß groß genug wird, um schließlich diese hohe Energie zu fassen”.
Meister Eckhart spricht das selbe Prinzip an, indem er  hierfür  das Bild von der Gleichwerdung benutzt, das in der Konsequenz des gerade Beschriebenen liegt.  Auch er verwendet den Begriff der Liebe, kehrt dabei aber den Aspekt der Entbildlichung  hervor: Er nimmt Bezug auf Augustinus, der sagt: “(Die vierte Stufe ist), wenn er(der Mensch) mehr und mehr zunimmt und verwurzelt wird in der Liebe und in Gott.”
Meister Eckhart: “Wenn ein Meister ein Bild macht aus Holz oder Stein, so trägt er das Bild nicht in das Holz hinein, sondern er schnitzt die Späne ab, die das Bild verborgen und verdeckt hatten; er gibt dem Holze nichts, sondern er benimmt und gräbt ihm die Decke ab und nimmt den Rost weg, und dann erglänzt, was darunter verborgen lag. Wenn der Mensch entbildet ist und überbildet von Gottes Ewigkeit und gelangt ist zu gänzlich vollkommenem Vergessen vergänglichen und zeitlichen Lebens und gezogen und hinüberverwandelt ist in ein göttliches Bild, wenn er Gottes Kind geworden ist. Darüber hinaus noch höher gibt es keine Stufe.”
Typisch für seine ganze Lehre ist hier der Hinweis  auf die Einswerdung durch Angleichung mit dem Einen, besser: durch die Einswerdung des  Einen mit sich selber in seiner Entattributierung. (So ist -im Sinne von “existiert” der Mensch nur als Gott.) Und dies geht über den Anspruch der Bhagavadgita -so man sie theistisch interpretieren wollte- noch deutlich  hinaus.