Stephan Schlensog: “Der von Vivekananda vedantisch interpretierte ethische, universale und tolerante Hinduismus, war für ihn jene einzigartige Tradition, mit der Indien zu eigener kultureller und nationaler Identität finden und die Welt erobern werde, ja die Welt bereits erobert hat, da dieser Hinduismus im Grunde alle anderen Religionen in sich aufgehoben und künftige Entwicklungen im Prinzip schon vorweggenommen habe.”
Meine Ergänzung: Universalistische Philosophie der Identität ist ganz ursächlich jenseits-empirisch, kündet vom Alpha und Omega der Erkenntnis, handelt von der letzten großen Bestimmung, ist platonisch. Alles Gedankliche ist in diesem Rahmen, ist als Baustein in zubringlicher wie abwegiger Art zur Erfüllung einer einzigen Bestimmung zu sehen, wird somit zur durchaus dialektischen Bewegung zur Verwirklichung des Seinszweckes selbst. Unter dieser läßt sich gerade (theistische) Religion als wahre Hinderung zur Transzendenz einordnen, denn solche selbstbegrenzende Festschreibung kann nicht mehr sein als eine Stufe, ein Hinweisgeber oder Platzhalter zur Gemahnung, daß die Welt sich im Materiellen allein nicht erschöpfen kann.
Wenn Religion aber institutionalisierende Übersetzung einer transzendenten Ursächlichkeit ist, und somit ihr verstellender Hinderungsgrund, meint die Vedanta eben die Restitution der Transzendenz.
“Bereits in den Upanishaden kristallisieren sich die zentralen Begriffe Atman (innerstes Sein des Menschen) und Brahman (Weltseele) heraus. Sie werden in vielen Aussagen, vor allem den Mahavakyas, als Einheit identifiziert: „Diese Seele (Atman) ist Brahman“, „Das bist du“ (Tat Tvam Asi), „Ich bin Brahman“. Die Natur des Brahman ist satya („Wahrheit“), jnana („Erkenntnis“), ananta („Unendlichkeit“) oder ananda („Glückseligkeit“). Hier stellt sich die Frage nach der Beziehung der individuellen Seelen, jivatman, zum paramatman, d. h. Brahman, und nach der Beziehung der Welt der Vielfältigkeit zum einen letzten Sein. Wird in den Upanishaden auch immer wieder die Einheit betont, gibt es doch auch Ansätze, die der Welt eine eigene, von Brahman getrennte Wirklichkeit zusprechen. Bei der Lösung dieser Frage kam es zu den unterschiedlichen Vedanta-Systemen.” (Wikipedia)
Hier geht es zuletzt um eine ‘prä-philosophische’ oder ‘meta-philosophische’ Erkenntnis durch Induktion der Offenbarung einer anderen Seinsebene. Die Philosophie aller Zeit vollzieht sich aber zuletzt darum, (auch) gedanklich jene hohe Verortung wiederzufinden. Philosophie in ihrem geschichtlichen Sinne meint dann die Nachzeichnung des Weges dorthin, nämlich dem ursächlichsten Impetus des Menschen nach seinen wahren Daseinsgrund rational zu durchdringen, dann das Rätsel seiner Abkunft und seiner Defizienz zu lösen, um diese zu heilen und sein wahres Wesen wiederherzustellen. Es ist ein ‘ewiges’ Fortschreiten zur Bestimmung, ein einziges Werden, eine Evolution des Geistes – dann inbegriffen die Überwindung der Körperwelt als reduzierte Perspektive – um zu eigentlichem Sein – welches sich Eingeweihten aller Zeit erschloß – zurückzugelangen.