Unmittelbarkeit der Formulierung

Stephan Schlensog über das brahmanische System der Mimamsa – Schule:
” ‘Da der Veda keinen Verfasser hat und damit nicht menschlichen Ursprungs, sondern geoffenbart ist, muß er aus ewigen Worten bestehen, die – indem sie für sich allein sprechen – wie die sinnliche Wahrnehmung eine unmittelbare Erkenntnis ihres Gegenstandes vermitteln, weil ihre Beziehung zu diesem ewig und ursprünglich (autpattika) ist. Ewig sind die Worte aber in latenter Form; erst durch die aufeinanderfolgende Aussprache der einzelnen sie konstituierenden Laute wird ihre Bedeutung kurzzeitig auf die Ebene der Manifestation gehoben.’ Mit der Zeit entstand so eine bemerkenswerte Sprachphilosophie und Erkenntnislehre, die der Mimamsa einen ebenbürtigen Platz neben den übrigen klassischen Systemen verschaffte.”

Fichte sagt in seinen Reden an die deutsche Nation:
“Im allgemeinen erhellet, daß diese sinnbildliche Bezeichnung des Übersinnlichen jedesmal nach der Stufe der Entwicklung des sinnlichen Erkenntnisvermögens unter dem gegebenen Volke sich richten müsse; daß daher der Anfang und Fortgang dieser sinnbildlichen Bezeichnung in verschiedenen Sprachen sehr verschieden ausfallen werde, nach der Verschiedenheit des Verhältnisses, das zwischen der sinnlichen, und geistigen Ausbildung des Volkes, das eine Sprache redet, statt gefunden, und fortwährend stattfindet.”
Und auf das Individuum und die ihm ganz eigene Möglichkeit herabgebrochen: Es gibt einen Lebensausdruck, der die ureigene Verbindung zum Geistigen darstellt. Alles, was der Einzelne tut, spiegelt letztlich dieses Verhältnis wider, in Wort, Tat und Ausdruck im Außen seiner Umgebung. Das Individuum erfindet (im linguistischen Sinne) keine neue Sprache, verfügt aber durch Kreativität und Eigensein über die Möglichkeit, sich in eine Unmittelbarkeit zur ‘ersten’ Formulierung zu begeben. Der Ausdruck durch Kreativität und Gestaltung jeder Art aber entspringt dem unbedingten Impetus zur Teilhabe am Ganzen durch den alleinig-individuellen Prozeß, so er Ausdruck eben dieser zum Ganzen leitenden (geistigen) Autarkie wird. Nachfolge, Ritus und Symbol stehen diametral gegen diese Entwicklung.