Plotin, das Schöne

Plotin: “Man muß sich darauf besinnen, daß die Menschen vergessen haben, wonach sie in Wahrheit von Anbeginn bis heute verlangen und streben. Denn alle Dinge trachten nach Jenem, sie streben zu ihm aus einem Zwange ihrer Natur, gleich als ahnten sie, daß sie ohne es nicht sein können. Das Schöne wird ergriffen und angestaunt von solchen, die gleichsam schon wissen und erwacht sind, und dies Erwachen geschieht durch den Eros; das Gute dagegen, welches uns ja beiwohnt als Gegenstand unseres angeborenen Trachtens, ist bei uns, auch solange wir noch gleichsam schlummern, es setzt uns nicht in Staunen, wenn wir es eines Tages erblicken, weil es immer bei uns ist und wir uns seiner nie zu erinnern brauchen, nur sehen wir es nicht, eben weil es uns im Schlafe zugegen ist. Auf das Schöne aber, wenn es zugegen ist, richtet sich der Eros und erweckt Geburtswehen, weil wir, wenn wir es sehen, nach ihm trachten müssen. “
Man kann auch sagen: es ist in uns ein Drängen zur (vorfindlichen) Darstellung, und wir erhoffen dabei das Erhebende in einem Dargestellten als das möglichst Schöne, wie auch gerade zur eigenen Darstellung bzw. Findung desselben. Die Ästhetisierung des Raumes meint die Verwirklichung des Impetus nach Hebung, nach Abkehr von den Profanitäten und Pragmatismen zu Erweiterung der Ansicht und Konkretion von Hoffnung und Intention zum besseren Seinsstatus. Die Hebung täglicher Anschauung bekommt dabei symbolistische Bedeutung: Ihre Gestaltung ist die Repräsentanz der Idee, des Ideellen, des Vermutbaren und geistig Ersehnten. Der Raum und seine Objekte, das ästhetische Ensemble ist dabei selbstredend höchst vergänglich und daher mit Zweifeln belegt, da im Materiellen, aber die derartige Ausrichtung und Schulung der Seele bedingt einen entsprechenden Entwicklungsstand der Veredlung und vollziehenden Vollheit der unzerstörbaren geistigen Identität und findet damit auch Eingang in das ‘Weiter’ eines Seinskontinuums, das über den Tod hinaus gedacht werden soll: “Die Seele nimmt durch die Erfahrungen in allen ihren Leben an Bewußtheit zu. Die gesammelten Erfahrungen auf der Erdenebene vermitteln der Seele nicht nur mehr Verständnis; sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Bedingungen in zukünftigen Leben.” (Charles Breaux in ‘Chakras, Tantra und Jungsche Philosophie’)

Plotin sagt : “Wer sich zu der Erinnerung an die intelligible Schönheit erhebt, liebt den irdischen Gegenstand nur als ein Bild des intelligiblen, aber wer aus Unkenntnis des Grundes seiner Leidenschaft nicht zur Erinnerung an die intelligible Schönheit  gelangte, hält die sinnliche Schönheit für das wahrhaft Schöne.” (Plotin,III.Enade, Buch 5).
Die sinnliche Schönheit behält dabei aber durchaus ihren Stand und Zweck: “..während die anderen (durch die Anschauung diesseitiger Schönheit) zur Erinnerung an die intelligible Schönheit gelangen  und auch sie verehren, ohne jedoch dabei die irdische Schönheit zu verachten, weil sie in ihr eine Art Wirkung und Widerspiel jener sehen.” (Plotin,III.Enade, Buch 5).