Carlos Castaneda: “Die Emanationen des Adlers” (Der Adler als Symbol für das oberste Prinzip) “zu sehen, so meinte Don Juan, bedeute im Grunde die Katastrophe hinaufbeschwören. Die neuen Seher hätten gar bald die damit verbundenen, ungeheuren Schwierigkeiten entdeckt, und erst nach großer Bedrängnis und vielen Versuchen, das Unbekannte zu kartographieren und es von dem Unerkennbaren zu scheiden, hätten sie erkannt, daß alles, was ist, aus den Emanationen des Adlers besteht. Ein kleiner Teil dieser Emanationen sei dem menschlichen Bewußtsein zugänglich, und auch dieser kleine Teil werde durch die Zwänge unseres Alltagslebens auf einen winzigen Bruchteil weiter verringert. Dieser winzige Bruchteil der Emanationen des Adlers sei das Bekannte; der kleine Teil der überhaupt dem menschlichen Bewußtsein zugänglich sei, sei das Unbekannte, und der unermeßliche Rest sei das Unerkennbare.
Und weiter erzählte er, daß die neuen Seher, in ihrer praktischen Gesinnung, alsbald der unwiderstehlichen Macht der Emanationen gewahrten. Sie erkannten, daß alle Lebewesen mit den Emanationen des Adlers arbeiten müssen, ohne zu wissen, was sie eigentlich sind. Sie erkannten auch, daß die Organismen darauf eingerichtet sind, ein bestimmtes Spektrum dieser Emanationen zu erfassen und daß jeder Spezies ein bestimmtes Spektrum von Emanationen zukommt. Die Emanationen üben einen starken Druck auf den Organismus aus, und mittels dies Drucks bauen die Organismen ihre wahrnehmbare Welt auf.
Wir als Menschen, sagte Don Juan, arbeiten mit diesen Emanationen und interpretieren sie als Realität.”
Um aber dem Unbekannten näher zu kommen, sollen die zweifellos vorhandenen Zwänge des Alltags in ihrer raumgreifenden Signifikanz relativiert sein: Dafür soll der Blick möglichst stets über die Erfordernis reiner Daseinssicherung hinausgehen. Er soll mitten im Alltagspragmatismus zugleich andere Perspektiven einnehmen, so daß er alles Objekthafte mit umfassenderer Sicht bedenkt. Man soll dabei in den täglichen und pragmatischen Begebenheiten stets das Symbolische oder ein Verallgemeinerndes – eine tiefere Kohärenz -der Objekte sehen oder vermuten, dabei durchaus auch bewußt nach den Dingen schauen, die der Beachtung gar nicht wert erscheinen und jenen – und somit allem – so ein besonderes Augenmerk verleihen; gerade dies weitet den Blick auf das Gegenwärtige und den Kontext der Erscheinungen und ordnet das Eigene innerhalb dieser neu ein. Weiterhin ist es wichtig, auch im Alltäglichsten die eigene Bedeutung und singuläre Möglichkeit zum Prozeß und Telos -und somit zur Gegenwart und Vergegenwärtigung- zu begreifen. Dies impliziert auch Abstandnahme von sich selbst in der Befangenheit des Egos und führt so über das Ego hinaus.
Auch soll man sich stets dem möglichen Ende der hiesigen Existenz gewahr sein, um ‘vorbereitet’ zu sein, wahre Daseinskontinuitäten in den Blick zu bekommen. Auch soll man ein großes Erbarmen empfinden ob des Gemeinsamen und des All-Einheits-Gedankens und ob des eigenen Menschseins – was immer auch Gewahrsein eigener Kleinheit – als Person – meint.
Und schließlich soll die Daseinssicherung – dies ist ein großes Privileg unserer Zeit – nicht alle Zeitresource verbrauchen – hierzu zählt auch der Zeitvertreib (sic) – sondern die Ressource soll nutzvoll dem Telos unterworfen sein durch Exerzitien zur energetischen Hebung und durch Ausweitung des Alltäglichen zum Unbekannten, wie gerade in der Kunst oder allgemeiner in der entsprechenden ästhetisierenden Lebensgestaltung möglich.